In Großbritannien wurden sie gehypt, in ihrem Heimatland ist man sich noch nicht so sicher. 1000 Robota polarisieren. Und das immer noch.

Vor zwei Jahren, da haben alle über diese drei Typen aus Hamburg geredet. Ganz schön dreist seien die und was die sich überhaupt herausnehmen, die seien ja noch nicht einmal volljährig. Sie haben denen den Kampf angesagt, die über ihre Generation meckern, kein Blatt vor den Mund genommen und in ihren rotzigen Songs ohne Rücksicht gepöbelt. Mittlerweile sind Anton, Jonas und Sebastian älter geworden und haben ihren Sound verändert. Das zweite Album „UFO“ springt den Hörer nicht mehr so an, wie noch das Debüt „Du Nicht Er Nicht Sie Nicht“. Die Songs sind viel verkopfter und klingen wie aus einem großen Herumexperimentieren entstanden. Die Attitüde ist geblieben: 1000 Robota haben einen Standpunkt und den gilt es zu verteidigen, auch wenn ihnen diese ganze Diskussion um ihre Band eigentlich schleierhaft ist.

motor.de traf die drei Hamburger beim Tourauftakt in Leipzig. Während sich Anton Spielmann und Jonas Hinnerkort eine Cola aus einem Weinglas teilen und Bassist Sebastian Muxfeldt, wie so oft, lieber schweigt, reden wir über die Musik als Wohltat, die Apokalypse und warum alles Politik ist.

motor.de: Heute beginnt eure „UFO“-Tour hier in Leipzig. Für eine deutsche, relativ neue Band spielt ihr mit sieben Auftritten ja recht wenige Konzerte.

Anton Spielmann: Für uns ist das immer schwierig nachzuvollziehen, wer wirklich unser Publikum ist. Gibt es überhaupt dieses Publikum, möchten die Leute überhaupt dieses Publikum sein? Ein Konzert soll ein Erlebnis sein. Wir touren gerade aus dem Grund nicht so viel, weil wir nicht dieses Sättigungsgefühl erlangen wollen. So ein Tourleben hat auch eine Tristesse, mit der man umgehen muss. Und das muss man lernen. Die Sache, mit der man da umgehen muss, ist Ruhe und eine Grunddisziplin und das hat man im jungen Alter glaube ich nicht so. Und wir sind ja bekanntlich noch sehr jung, oder? (lacht)

motor.de: Wie alt seid ihr mittlerweile eigentlich?

Anton Spielmann: Ich bin 20.
Jonas Hinnerkort: Ich auch 20.
Sebastian Muxfeldt: 19.

motor.de: Vor zwei Jahren wurde in den Medien mehr über euch, euer Alter und eure Attitüde diskutiert als auf die Musik zu hören. Wieso seid ihr eigentlich so kontrovers?

Anton Spielmann:
Die Frage ist schwer zu beantworten, ohne Widersprüche zu erzeugen. Das war für mich auch immer sehr faszinierend, wie das so zustande kommt, viel mehr über diese Reibung zu schreiben, als über die Musik. Essentiell ist aber, dass die Musik eine wahnsinnig intensive und eigene Sprache spricht und alles weitere, was wir so erzählen, nur Beiwerk ist.
Jonas Hinnerkort: Die Frage muss man auch eher der Seite stellen, die sich gegenüber befindet. Wieso sind wir in diesen Zeiten eine so kontroverse Band, obwohl wir uns eigentlich nur darauf besinnen die Musik zu machen, die uns gefällt?
Anton Spielmann: Es ist doch alles erlaubt! Ihr seid doch alles gewohnt! Warum reiben wir denn so, wenn diese Zeit alles gewohnt ist? ‘Alles ist machbar, love your dream, mach was du möchtest’, das sagen einem die Leute überall, permanent. Und dann spuckt man mal irgendwo hin und dann ist das auf einmal doch nicht mehr tragbar.
Jonas Hinnerkort: Es ist auch die Frage, wer eigentlich damit angefangen hat. Ich glaube das kann man so im Nachhinein rückschließend gar nicht feststellen, welche Art Mensch sich so darauf stürzt.
Anton Spielmann: Das möchten wir auch gar nicht, weil wir uns mit dem Thema gar nicht auseinandersetzen. Wir interessieren uns dafür, wie die musikalische Substanz funktioniert. Alles andere ist auch nur Beiwerk. Wie die Leute das empfangen und wie sie darüber urteilen, das ist Sache einer freien Meinung, die in der Form keine Rolle mehr spielt – zumindest nicht für mich. Das ist auch keine Berichterstattung mehr, sondern eine Idee von einem Menschen, der meint, er kann schreiben. Und das kann sehr gut sein, manchmal aber auch faszinierend schlecht.

1000 Robota – “Fahr weg”

 

motor.de: Fühlt ihr euch da manchmal auch ein bisschen missverstanden?

Anton Spielmann: Wir lesen das ja nicht!
Jonas Hinnerkort: Zumindest stellen wir nicht den Anspruch daran irgendetwas verstehen zu müssen…
Anton Spielmann: … und vor allen Dingen rechtfertigen zu müssen. Deswegen ist das für uns auch so ein unantastbares Thema, weil wir darauf gar nicht so wirklich einsteigen können. Weil uns die Idee fehlt. Wir haben keine Idee für diese Idee zu polarisieren. Es gibt nur die Idee dafür, eine Band zu sein und seine Ideen zu leben. Wir sind in erster Linie nicht darauf prädestiniert zu polarisieren, sondern Musik zu machen und zu sagen ‚Ey! Es ist nicht alles gut!’.

motor.de: „UFO“ klingt viel atmosphärischer als das erste Album, nicht mehr so explosiv nach vorn, sondern wie eine große Jam-Session. Warum der Wandel?

Jonas Hinnerkort:
Das ist die natürliche Reaktion auf unser Debütalbum. Das war noch sehr laut, fast schon unerträglich, kreischend, sehr fordernd. Und wenn du so ein Album machst und merkst, die Leute nehmen das nicht an, die gehen da nicht mit, dann…
Anton Spielmann: (unterbricht) Das sind zwei Extreme. Das erste Album war sehr nach außen, ein sehr dringliches Album. Das wollte sehr viel und sehr schnell. Die Ideen waren kurz und knapp gebündelt. Das war die Idee des Albums: So eine explodierende ‚Uääh, wir sind da!’-Stimmung. Und wir dachten dieses Da-Sein ist nur ertragbar in Form von Lautstärke und Schreien. Beim zweiten Album war das Projekt: Wie schaffen wir es, eine implodierende Stärke zu finden? Wie schaffen wir es, dieselbe Dringlichkeit mit einem ruhigeren, viel gleichmäßigeren Background zu erzeugen?


motor.de: Was ist aus dem ökonomischen Songwriting von „Du Nicht Er Nicht Sie Nicht“ geworden? Da hat ja kaum ein Song die Drei-Minuten-Marke überschritten.

Jonas Hinnerkort: Das ging ja damit einher.
Anton Spielmann: Das ist Teil des Konzepts.

motor.de: Aha, das ist also ein Konzept.

Anton Spielmann:
Nein! (lacht)
Jonas Hinnerkort: (lacht) Nein, das ist natürlich kein Konzept. Das ist Teil der Reaktion.

motor.de: Wollt ihr euch mit dem neuen Sound vielleicht auch ein bisschen wegbewegen von diesem Image, das euch damals angehaftet wurde?

Anton Spielmann: Nein, wir können uns nicht davon wegbewegen. Tatsache ist, dass wir viel zu schlau sind, um dumm zu sein. Und wenn man heutzutage noch schlau ist, dann weiß man, dass es ziemlich viel Scheiße gibt. Und dann werden die Leute auch verstehen, dass wir es nicht böse mit ihnen meinen, sondern im Grunde genommen lieb. Wenn man genauer hinhört, was wir singen, dann kann man nachvollziehen, dass es kein Angriff ist, sondern eine Anklage, die auf Freispruch beruft. Wir wollen nicht weg von diesem Image, weil wir uns nicht damit konfrontieren. Wenn ich zu Hause ankomme, dann sag ich nicht Hey, ich bin Anton Spielmann der Pöbler’, sondern dann bin ich einfach nur ich. Und genau derselbe versuche ich meistens auf der Bühne zu sein. Aber auf einer Bühne inszeniert man das, was man gern wäre. Und im Laufe der Erfahrung kristallisiert sich dann eine gewisse Professionalität mit der Sache. Und diese Professionalität gewinnen wir gerade. Wir sind noch lange nicht am Ende.
Jonas Hinnerkort: Letztendlich spricht das Album für uns als Band in dem Sinne, dass wir keine jugendlichen, dogmatischen Rotzlöffel sind. Davon lösen wir uns ja damit.

motor.de: Auf eurer Website schreibt ihr „Jede Aktion ist für uns auch Politik!“ Das hört sich an, als sei alles was ihr macht durchkalkuliert. Was macht euch eigentlich Spaß an Musik?

Anton Spielmann: Wenn man sieht, wie viel Frustration es gibt, wie viel einen quält und wie viele Unmotivationen dazu führen, dass man unmotiviert ist, dann fängt man an deprimiert oder wütend zu werden. Musik ist eine faszinierende Weise, Leuten ein bestimmtes Gefühl mit auf den Weg zu geben. Nitzsche hat mal gesagt, Musik sei das einzige Gut, was einen Menschen in eine Emotion drängen kann, obwohl er das gar nicht möchte. Und das erleben wir jedes Mal selbst. Gerade war noch alles scheiße und dann auf einmal ist alles wieder anders, nur weil man dieses eine Riff gespielt hat. Ohne Musik kann diese Welt nicht existieren, genausowenig wie ohne Banken, ohne Politik und all den Quatsch. Für uns ist wertvoll zu sehen, wo die Musik landet und wer da mitmacht. Und in der Form ist alles für uns Politik, weil wir aufpassen müssen, bestimmte Schritte zu gehen.
Jonas Hinnerkort: Also unterm Strich heißt diese Phrase, dass wir uns bewusst sind, dass jede Handlung und alles was du machst, Auswirkungen auf das hat, was du letztendlich produzierst.

1000 Robota – “Er sagt”


motor.de: Und inwiefern ist dieses Interview gerade Politik?

Jonas Hinnerkort: Naja indem wir mitteilen, was wir denken und empfinden. Und wir helfen den Leuten zu verstehen, was wir machen.
Anton Spielmann: Jedes Interview, das wir geben, ist auch Beiwerk zu unserer Musik. Und das kann etwas verursachen, was der Musik schadet. Das ist der Grund, warum sich viele Musiker zurücknehmen, warum sie nicht ausbrechen und Leuten die Ärsche lecken. Weil sie Angst haben, dass das ihrer Musik schadet. Wir sahen diese Möglichkeit, unsere Triebe weiter in der Welt zu verbreiten, aber was die Leute daraus gemacht haben, ist Hass.
Jonas Hinnerkort: Wenn wir den Begriff Politik benutzen, dann ist das für uns einfach so eine gesellschaftliche Betrachtung. Wir wissen schon, dass zu 1000 Robota mehr gehört als Songwriting. Natürlich sollte alles andere Beiwerk sein, aber das ist heutzutage einfach nicht mehr möglich, weil dann viel falsch verstanden und ganz pervers wahrgenommen würde.

motor.de: Was haltet ihr von den Hamburger Audiolith-Bands, die geben sich auch gern sehr politisch?

Anton Spielmann: Hat da hinten nicht sogar eine ein Audiolith-T-Shirt an?
Jonas Hinnerkort: Ja, hab ich auch schon gesehen.
Anton Spielmann: Tja, Audiolith ist ein spannendes Thema, was wir ekelhaft finden und wo wir auch nicht wirklich drauf eingehen wollen.

motor.de: In euren Texten klagt ihr ja oft andere an. Woher nehmt ihr diese Aggressionen gegen die Menschen?

Anton Spielmann: Wir sind Fantasievögel. Wir leben in unserem kleinen Kosmos und stellen uns unsere eigene Utopia vor. Und ich komme aus diesem Fantasiekosmos nicht heraus. Deswegen stelle ich mir meine Welt anders vor: feiner, gesitteter, schöner, bunter, dunkler, alles etwas extremer. In dieser Welt lebe ich leider nicht, aber über diese Welt rede ich.

motor.de: Und wen klagt ihr da nun an?

Anton Spielmann: Wir klagen nicht an. Meinst du, wir klagen dich an? Fühlst du dich angegriffen?

motor.de: Nein, aber ihr meckert ja auch gegen eure Fans. In „Glück“ singt ihr „Hamburg brennt ja ja bla bla/ ihr wollt es gar nicht/ ihr wollt nur euch und euer Glück”. Wen sprecht ihr denn damit an?

Anton Spielmann: Wir sprechen damit gar keinen an, das ist einfach Kunst. Das ist Zauberei.
Jonas Hinnerkort: Wir prangern eher so ein Bewusstsein an, das irgendwelche Leute dort draußen sicher haben, denn sonst wäre nicht alles so doof wie es ist.
Anton Spielmann: Das ist Trickserei. Manchmal kann man durch das Gegenteil genau das hervorrufen, was man möchte. Und genau das tun wir.
Jonas Hinnerkort: Das ist mehr so eine Selbstironie. Wir haben gesagt ‚Scheiße, Hamburg brennt, Leute los!’ Und kacke, niemanden hat es interessiert und alle haben gesagt ‚Was seid ihr denn für kranke Vögel?’ Da dachten wir uns jetzt eher, wenn ihr so darauf reagiert, dann macht doch besser jeder sein eigenes.
Anton Spielmann: Genau, dann macht doch euer Ding! So ist das gemeint. Oder sogar noch ein bisschen weiter. Da gibt es noch verschiedene Metaebenen für Dumme, für Schlaue und für Intelligente (Anton und Jonas zeigen mit den Händen Stufen in der Luft). Und für Reiche ist die Spitze. (lacht)

motor.de: Gut, dann bleiben wir jetzt mal auf dieser Ebene hier. Wie wichtig ist es euch, dass eure Fans eure Platten physisch erwerben?

Jonas Hinnerkort: Sehr wichtig.
Anton Spielmann: Musik ist eine Wohltat. Musik konsumiert jeder jeden Tag, nur nicht in der Form von Tonträgern. Wie sollen wir Leben? Das ist, als würdest du in den Supermarkt gehen, um Lebensmittel zu kaufen und du isst sie dort ohne sie zu bezahlen. Das geht nicht auf.

motor.de: Die Musikindustrie holt sich ihr Geld zunehmend aus den Einnahmen aus teuren Konzertkarten. Ihr scheint da nicht mitzugehen – das Konzert heute Abend kostet gerade mal acht Euro.

Anton Spielmann: Dasselbe was mit dem Tonträgermarkt passiert, wird mit dem Konzertmarkt passieren. Es ist jedes Mal das gleiche Konzept: Die Armen werden ärmer und die Reichen werden reicher. Das ist das erste was ich in der achten Klasse gegenüber Afrika und der dritten Welt gelernt hab. Das funktioniert auf jeder Ebene. Das ist wahrscheinlich das Einzige, was ich aus der Schule mitgenommen habe (lacht). In Hamburg spielen im November jeden Tag fünf Bands. Welcher Teenager kann sich entscheiden, zu welchem Konzert er will und das bezahlen. Bevor der Monat losgeht, hast du dein Geld schon ausgegeben und dann müssen so Bands wie wir einstecken, weil Hurts Vollplayback für 29 Euro in irgendeiner Arena spielen. Und deswegen kostet unser Konzert nur acht Euro.
Jonas Hinnerkort: Das ist doch auch mal angenehme „Politik“ für die Fans. Das sehen sie zwar nicht, aber irgendwann werden sie das sehen. Acht Euro: zwei Schachteln Kippen.
Anton Spielmann: Wir schießen uns damit ja selbst ins Bein.
Jonas Hinnerkort: Der reinste Masochismus. (alle lachen)

motor.de: So und nun abschließend noch ein Wort zu Thilo Sarrazin!

Anton Spielmann: Oh-ha!
Jonas Hinnerkort: Erstaunlich dumm wie viele Leute überhaupt nicht peilen, was da eigentlich vor sich geht. Ich hatte letztens eine Diskussion über das Thema und da meinten die meisten dann zu diesem Buch ‚Ja das ist zwar ein bisschen hart ausgedrückt, aber unterm Strich ist das wahrscheinlich richtig.’ So absurd. Wir brauchen da gar nicht weiter drüber reden, weil…
Anton Spielmann: (unterbricht ihn) Der Faschismus in Deutschland ist nach wie vor vorhanden! Und deshalb werden wir uns nie mit diesem Land identifizieren. (die anderen lachen) Das ist unser purer Ernst. Die Apokalypse, wenn sie irgendwo beginnt, beginnt hier. Und angefochten von mir! (lacht) Aber nicht in Richtung Faschismus, sondern in Richtung Vernichtung dieser Nation natürlich.

Interview: Laureen Kornemann

Tourdaten:

28.10. Dresden, Scheune
29.10. Heidelberg, Karlstorbahnhof
09.11. München, Atomic Café
10.11. Wiesbaden, Schlachthof
11.11. Köln, King Georg