Ein derzeitiger Blick quer durch die Landschaft der hiesigen Musikzeitschriften lässt einen staunen, denn selten wurde so einstimmig eine Band in den höchsten Tönen gelobt wie Hund am Strand aus Berlin. Ihr Debüt-Album ‘Adieu Sweet Bahnhof’, welches Fabian Schwinger (Gesang, Gitarre) Tina Mamczur (Bass) und Marv Thomas (Schlagzeug) noch auf dem kleinen Plattenlabel ‘Tenstaag’ Anfang Juni veröffentlichten, wurde so begeistert aufgenommen, dass es schon lange vergriffen ist. Nun folgt der Nachschub mit dem Re-Release am 30. September bei ‘Motor’. Zeit also, um bei der Band mal nachzufragen, ob sie von dem Hype, der um sie herum entsteht, überhaupt etwas mitbekommen.
Viele Bands würden sich ja erst einmal über wenigstens einen Plattenvertrag freuen. Ihr habt nun mit dem Angebot von Tim Renner, Chef von ‘Motor’, bereits den zweiten. Wie kam dieser Deal zustande?
Marv: Wie so vieles im Leben durch puren Zufall. Ein Kumpel von mir, der unter anderem als DJ arbeitet, hat einen Song von uns im Club gespielt und wurde darauf angesprochen. Wie sich herausstellte, war das jemand, der bei ‘Motor’ arbeitet. Der hat ihn wiederum Tim Renner vorgespielt, und der fand das so gut, dass er uns eingeladen hat, um uns mal kennen zu lernen. Also eigentlich haben wir gar nicht so viel dafür getan. Wir hatten uns nirgendwo beworben, denn eigentlich hatten wir uns auch gar nichts weiter erhofft. Das Album war noch nicht mal richtig auf ‘Tenstaag’ draußen, und wir dachten, wir schauen einfach, was daraus wird, und dann kam da jemand, der an uns Interesse hatte. Da dachten wir, warum wir nicht die Chance nutzen sollten, mit einer Plattenfirma zusammen zu arbeiten, die mehr für uns machen kann, als es mit ‘Tenstaag’ möglich gewesen wäre. Aus finanziellen und personellen Gründen, denn ‘Tenstaag’ ist ein Ein-Mann-Betrieb.
Wie es scheint, hat ‘Motor’ mit euch ja auch ein glückliches Händchen bewiesen, denn von der Presse werdet ihr durchweg begeistert gefeiert – macht das nicht auch etwas Angst?
Fabian: Ein wenig. Ich weiß auch nicht, warum die uns so mögen. Es ist aber auf jeden Fall erst mal schön.
Marv: Es ist ja das erste Album, der erste Rummel und die Angst ist schon da, dass man danach fallen gelassen wird. Da kann man sich beim zweiten Album dann voll den Arsch aufreißen und jeder sagt trotzdem, dass das erste viel besser war. Aber natürlich ist es auch erst mal toll, wenn man gute Kritiken liest.
In allen Kritiken ist die Rede von einem gewissen Dilettantismus. Es ist ja durchaus so, dass auf eurem Album nicht alles total perfekt ist. Das Schlagzeug ist manchmal zu laut, die Gitarre zu schrammelig, Fabians Stimme kippt hier und da um – schmeichelt das nun oder ärgert ihr euch auch darüber?
Fabian: Wir haben einfach noch nicht so viel Ahnung von Technik. Vielleicht wird das zweite Album dann total ausproduziert. Wir machen uns nicht so viel Gedanken über Dinge wie das perfekte Gitarrensoli oder wie kann Marv noch so ein cooles Fill spielen – denn das sind einfach die Sachen, um die es uns nicht wirklich dabei geht. Wir achten auf andere Dinge und das ist es vielleicht auch, was die Presse gut findet. Das wir einfach drauf los spielen, und es darum geht, eine Direktheit zu erzeugen, eine gewisse Frische, um so das Publikum eher anzusprechen.
Das Publikum mit deutschsprachiger Gitarren-Pop-Musik anzusprechen, funktioniert ja momentan ganz gut. Das heißt, ihr profitiert ebenfalls von dem ganzen Hype um deutschsprachige Bands. Da gibt es einige gute und manche schlechte. Ist es daher nicht eher schwierig, auf Deutsch zu singen, weil sofort Vergleiche mit anderen Bands herangezogen werden?
Fabian: In Kategorien zu denken ist natürlich immer blöd. Aber wir selber mögen zum Beispiel gerne die Hamburger Schule. Wenn wir mit jemandem aus der Ecke verglichen werden, finden wir das okay. Ich persönlich finde es schon cool, mit Blumfeld verglichen zu werden, auch wenn ich nicht weiß, wie Blumfeld das finden.
Marv: Aber es zum Glück ja nicht so, dass jemand sagt, dass wir die zweiten Sowieso wären. Es werden eher vorsichtige Vergleiche gezogen. Das ist dann auch angenehm, weil wir uns ja auch nicht vorgenommen haben, wie irgendjemand zu klingen oder umgekehrt, auch gerade nicht zu klingen wie die und die Band. Wir haben einfach mal gespielt und es hat geklappt, etwas Eigenständiges auf die Beine zu stellen, also halbwegs.
Alles in kurzer Zeit und dass, obwohl ihr euch noch gar nicht so lange kennt?
Fabian: Angefangen hat es ungefähr vor zweieinhalb Jahren, als Tina und ich uns in einem Englischkurs an der Uni trafen und irgendwann feststellten, dass wir auf dieselbe Musik stehen. Und da sie Bass spielte und ich Gitarre, dachten wir, super, das passt doch alles. Ein Jahr später kam dann Marv dazu.
Marv: Ich hatte mit meiner alten Band schon in der alten Garage in Pankow geprobt, genauso wie Tina und Fabian dann. Die haben mich einfach mal gefragt, ob ich nicht Bock hätte, einen Song mit ihnen einzuspielen. Und dann kam das alles so nach und nach.
Fabian: Anfangs wollten wir ja eigentlich so eine Riot Girl Band gründen, so Le Tigre mäßig. Der Song “Frühling” ist noch der einzige, der so diesen Anspruch hat, so “yeah, Gender und Auflösung und so”. Doch dann ist es ziemlich schnell in eine andere Richtung gegangen.
Am 30. September gibt es ein Re-Release eures Albums. Das bedeutet dann wahrscheinlich auch viel Arbeit: Interviews geben, auf Promo-Tour gehen, viele Konzerte spielen. Das heißt wenig Zeit für Privates und vor allem auch wenig Zeit für die Uni, denn ihr studiert ja auch alle noch. Steht dann langsam der Schritt an, sich für ein Leben entscheiden zu müssen?
Marv: Noch ist es gerade der Übergang vom Hobby zum Job. Wir wollen erst mal versuchen, es so hinzubiegen, dass der Spagat zwischen Musik und dem anderen Leben funktioniert. Das ist manchmal bereits jetzt schon wirklich stressig.
Fabian: Wenn es soweit ist, müssten wir uns natürlich entscheiden. Aber im Augenblick ist es noch so, dass wir es bis zum Ende ausreizen wollen. Sprich, ich versuche jetzt noch in drei Wochen zwei Hausarbeiten zu schreiben und Tina arbeitet noch neben dem Studium, um einfach auch Geld zu verdienen. Denn das ist ja so ein super Klischee, dass alle denken, wenn man einen Plattenvertrag hat, braucht man sich um Geld keine Gedanken mehr zu machen. Außerdem hat Christiane Paul auch geschauspielert und trotzdem ihren Doktor gemacht. Die ist mein Vorbild: Ich schaffe das, ich bin die männliche Christiane Paul.
Letzte Frage: Bereut ihr den Namen schon?
Fabian: Ja, weil die Leute immer fragen, woher er kommt.
Text: Marion Pinkpank
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