Zwei Tage hatten sich Die Toten Hosen aus Düsseldorf im Wiener Burgtheater eingemietet, jenem fürstlichen Prachtbau gleich gegenüber dem Rathaus, um dort live aber mit gezogenen Steckern ihr MTV Unplugged-Konzert zu spielen.
Gute sechs Wochen hatten sich Campino & Co. auf diesen Auftritt vorbereitet, die 23-jährige Hitsammlung nach passenden Stücken durchforstet und jene Unplugged-tauglich umgebaut, oder wahlweise: umarrangiert. Um Punkt 21.00 Uhr sollte der Startschuss für das erste der zwei Konzerte fallen, und bereits am frühen Nachmittag war der Rathausvorplatz erkennbar in Hosen-Hand. Mehr als 1.000 Fans hatten die teilweise hübsch weite Anreise nach Wien in Kauf genommen, um ihre Lieblingscombo auch auf diesem Abschnitt der extrem erfolgreichen “Friss Oder Stirb”-Tour laut- und mannstark zu unterstützen. Dass direkt vor dem Burgtheater dank des parallel laufenden Wiener Literaturfestivals der komplette Rathausvorplatz mit Bier- und Bockwurst-Buden gesäumt war, konnte den angereisten Hosen-Heads dabei nur recht sein.
Entsprechend “lustig” ging es dann auch zu in den ersten drei Reihen des prachtvollen, mit Kronleuchtern und rotem Samt ausgestatteten Burgtheaters, wo die zuvor namentlich registrierten Fans Platz nehmen durften, um die Hosen von ganz nah betrachten zu dürfen und die allabendlichen Fan-Rituale auch fernab des üblichen Moshpits durchziehen zu können. Als Campino als erster die Bühne betritt, um an einem extra bereit gestellten Klavier seine Pianokünste anhand eines “extra für diesen Abend eingeübten Stückes” zum Besten zu geben, steigt die Betriebstemperatur in den Logen und Rängen bereits beträchtlich, und als schließlich die komplette Band – mit Akustikgitarren und zwei zusätzliche Musikern ausgestattet – die Bühne betritt und die ersten Takte von “Blitzkrieg Bop” erklingen, sind Fans und Band wieder ganz in ihrem Element.
Von Nervosität keine Spur, die Hosen spielen sich zielsicher und tight durch “Opel Gang” (inklusive Klavier-Intro) und “Auswärtsspiel”, bevor sie den ersten von insgesamt fünf neuen Songs live vorstellen: “Popmusik”, ein ironischer Seitenhieb auf sich selbst und ihre Altersgenossen, (co-)verfasst von Campinos Sidekick Funny van Dannen. Letzterer half dem Hosen-Frontmann auch bei zwei weiteren Stücken namens “Der Bofrost Mann” und “Weltmeister”, die man allgemein als leichtfüßig und nicht so emotional-verkopft einstufen darf wie die Songs, die aus Campinos Feder persönlich stammen (ebenfalls neu und so sentimental, dass das Mädchen neben mir weinen musste: “Der Letzte Kuss”). Dass Die Toten Hosen es wagen, in ihr knapp 30 Songs umfassendes Set gleich fünf neue Stücke einzubauen, begründet Campino damit, dass “die Leute beo so einem Unplugged-Abend einfach viel mehr bereit sind, zuzuhören. Da macht es auch Sinn, neue Geschichten zu erzählen.” Schon sagenhaft, dass die zuvor angesprochenen drei Reihen Die-Hard-Hosen-Fans am zweiten Abend bereits in der Lage sind, die neuen Songs Wort für Wort mitzusingen – liegt sicher an deren sagenhaftem Gedächtnis.
Eine weitere Überraschung hatten die Hosen im letzten Drittel ihres Sets zu bieten: Sie versuchen sich an einer weiteren Coverversion, und zwar ausnahmsweise nicht von The Clash oder den Ramones, sondern an dem Lied “Hand In Hand” von den Berliner Beatsteaks, mit denen sie gute sechs Wochen nach diesem Unplugged-Gig die Bühne teilten – in Argentinien. Campino hält große Stücke auf die Berliner, bezeichnet “Hand in Hand” als “vielleicht nicht den größten Beatsteaks-Hit”, empfindet aber durchaus so etwas wie “Seelenverwandtschaft” zwischen den beiden Combos. Das beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Gegenseitigkeit, denn auch die Beatsteaks brachten “Opel Gang” schon das ein oder andere Mal live.
Als der Hosen-Siebener nach Ende des zweiten Unplugged-Abends noch einmal die Bühne betritt, um einige Songs zwecks kleiner Reparaturen ein drittes Mal aufzuführen, ist klar: Das wäre eigentlich gar nicht nötig, denn der Großteil hat bereits gesessen. Dieser Eindruck bestätigt sich heute mit der zum Auftritt gehörigen CD und der DVD, die am 2. Dezember erscheinen. Das ist Unplugged-Unterhaltung auf höchstem Niveau, auch wenn Campino das Sitzen so schwer fiel. Hosen-Fans kommen absolut auf ihre Kosten.
Text: Florian Hayler
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