Alin Coen über langbärtige Metal-Männer, Bäume pflanzen, Umweltbewusstsein und die Tatsache, dass das Musizieren in der Gruppe ziemlich kompliziert sein kann.
Foto: Laura Gertken
Dass Liedermacher nicht unbedingt männlich sein müssen, bewies die Alin Coen Band aus Weimar unlängst mit ihrem Debütalbum „Wer bist du?“. Trotz Krise gründen die vier MusikerInnen dafür eigenhändig das Label „Pflanz einen Baum“. Was es mit diesem Namen auf sich hat und warum die Zusammenarbeit mit Vollblut-Musikern nicht immer einfach ist, verriet die quirlige Sängerin uns vor dem ausverkauften Konzert in der Leipziger naTo.
motor.de: Alin, euer Debütalbum nennt sich „Wer bist du?“. Viele eurer Songs handeln vom Lieben und Steckenbleiben. Gleichzeitig blitzt z.B. in „Festhalten“ der Drang nach Freiheit durch. Seid ihr auf Identitätssuche?
Alin: Die Lieder sind zum Teil neun Jahre alt. Ich glaube aber, dass das nicht wirklich mit Identitätssuche zu tun hat. Man hört es in dem Text zu „Wer bist du?“ vielleicht nicht mehr heraus, aber was mich dazu motiviert hat, dieses Lied zu schreiben, war eine Frau, die so unglücklich in ihrem Beruf war und die darüber geweint hat, dass sie aber auch nichts daran ändern kann. Also darüber, wie ausgesetzt sie einfach ihrem Schicksal ist. Da hab ich einfach so das Gefühl gehabt, dass man doch auch mal selber wissen sollte, wann man weiter muss. Das ist der Inhalt von „Wer bist du?“. Da kommt einfach nur diese Textzeile drin vor und dieses „Wer bist du?“ ist eher ein „Wer bist du und was möchtest du tun?“. Es geht dabei um dieses „Sich selber erkennen“, damit man auch weiß, wo die eigenen Stärken liegen und wie man glücklich wird und nicht in irgendeinem Beruf landet, den man nur macht, weil man in dieser Gesellschaft irgendeinen Beruf zu machen hat. Es war also ein ganz ganz anderer Gedanke, der mich dazu angetrieben hat, das Stück zu schreiben als diese Identitätssuche.
motor.de: Andere ziehen nach Hamburg, um als MusikerIn Fuß zu fassen, du ziehst weg. Wo siehst du deine musikalische Heimat?
Alin: In mir drin und jetzt mit der Band sehe ich gerade definitiv meine musikalische Heimat. Das ist der einzige Grund, warum ich jetzt noch in Weimar bin.Ansonsten gibt es nichts, das mich da hält, aber diese Band ist gerade echt meine Heimat.
Alin Coen Band – Wer bist du?
motor.de: Ihr habt zwei studierte Jazzmusiker in euren Reihen. Der Rest macht Musik „so nebenbei“. Fällt euch da die Kommunikation manchmal schwer?
Alin: Ja.Wir haben uns aber schon ziemlich gebessert. Es gab Zeiten, in denen bei unserem Gitarristen Jan, der Architektur studiert hat, sofort die Schotten heruntergingen, sobald unser Bassist Philipp irgendeinen Akkord benannt hat. Daraufhin hat Jan dann keinen Bock mehr gehabt zu spielen. Und andersherum ist es auch für Philipp schwierig zu arbeiten, wenn wir die Dinge nicht erklären können, die wir hören. Wir haben uns jetzt aber darauf geeinigt, uns entgegen zu kommen. Jan und ich geben uns Mühe, die entsprechenden Bezeichnungen zu lernen und Philipp versucht, nicht mehr das Maß der Dinge daraus zu machen, dass unsere Musik in irgendeine bestimmte Form hinein passen muss.
motor.de: Auf „Wer bist du?“ finden sich teilweise Lieder auf Englisch, teilweise aber auch auf Deutsch.Wonach entscheidest du, in welcher Sprache ein Song geschrieben wird? Oder kommt das einfach so über dich?
Alin: Das ist eine absolute Intuitionssache. Bei den alten Liedern habe ich halt Gitarre gespielt und dann kam irgendwann ein Satz dazu raus und an dem habe ich dann gemerkt, dass es in dieser Sprache funktioniert. Darauf basierend habe ich die Lieder dann weiter geschrieben. Mit der Band geht das jetzt genau so. Inzwischen sind das nicht mehr nur englische und deutsche Titel, sondern mittlerweile ist auch ein französischer dabei. Bei einer Probe wurde ein Lied gespielt, zu dem ich gesungen habe und plötzlich kam ein französischer Satz raus.
Ich habe zweieinhalb Jahre lang mit einem Australier zusammen gelebt und bin zusätzlich mit Spanisch und Deutsch zweisprachig aufgewachsen. Vielleicht hat man dadurch ein anderes Gefühl für Sprache und für mich ist das keine fremde Sache, verschiedene Sprachen zu benutzen, sondern etwas vollkommen Alltägliches.
motor.de: Ihr nennt euch Alin Coen Band. Ihr versteht euch aber schon eher als Band und nicht als Musiker um Alin Coen, oder?
Jan (im Vorbeigehen): Wir sind die Alin Coen Band. Vier Leute. Vier Namen. Vier Mitbestimmungen.
Alin: Ja, wir sind eine sehr basisdemokratische Band. Wir haben auch schon darüber nachgedacht, uns einen richtigen Bandnamen zu geben, aber zum Einen sind wir daran gescheitert, dass wir keinen gefunden haben, der uns so richtig einleuchtend erschien und zum Anderen hatte ich zu der Zeit schon viele Konzerte alleine gegeben. Es gab also schon eine gewisse Breite an Leuten, die meinen Namen kannten und wir hatten die Befürchtung, dass es kontraproduktiv wäre, wenn wir diesen jetzt raus lassen. Es ist aber noch kein komplett abgeschlossenes Thema. Aber für dieses Album passt „Alin Coen Band“ noch. Bei der Platte hab ich 12 von 14 Stücken selbst geschrieben. Das Album ist wirklich an dieser Kippe entstanden, wo das noch mehr aus diesen eigenen Konzerten heraus aufgebaut wurde. Jetzt sind wir halt an einem anderen Punkt. Die neuen Songs schreiben wir komplett als Band. Es kann also sein, dass da noch Entwicklung stattfindet.
Alin Coen Band – Ich war hier
motor.de: Ihr habt für euer Album ein eigenes Label gegründet. Welche Geschichte steckt dahinter?
Alin: Es gab Gespräche mit dem einen oder anderen Label und es waren auch ein paar kleinere dabei, die großes Interesse daran hatten, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir sind da dann allerdings nicht weiter drauf eingegangen, weil wir das Gefühl hatten, dass wir sowieso schon so viel auf eigene Faust machen, dass wir das ausprobieren wollten. Eine andere Sache, die uns da geprägt hat, ist, dass man von so vielen anderen Bands mitbekommt, dass ihr Label so wenig für sie tut. Und ich möchte mich nicht darauf ausruhen, anderen Leuten in die Schuhe zu schieben, dass bei uns nichts passiert. Ich selbst will dafür verantwortlich sein dürfen, ob da was passiert oder nicht.
motor.de: Was hat es denn mit dem Namen „Pflanz einen Baum“ auf sich?
Alin: Das lässt sich ganz, ganz einfach erklären. Wir selber haben irgendwann mal aus Spaß ein Metal-Stück geschrieben, damit wir eine Zugabe haben. Und ich habe nach einem Text gesucht, den man sich beim Metal gar nicht vorstellen kann. Ich habe mir da einen langbärtigen, kräftigen Mann vorgestellt, der „Pflanz einen Baum“ schreit. Das haben wir dann zum Text gemacht. das ist also aus einem Scherz heraus entstanden.
Ich glaube, da steckt außerdem viel Interpretationsspielraumdrin. Auf der einen Seite ist da die Idee, dass man etwas pflanzt, was dann wächst und dass sich da was aufbaut mit so einem Label. Andererseits komme ich aus der Umweltschutztechnik und denke, dass das gar nicht so ein unbeachtliches Thema ist mit dem Umweltschutz. Ich habe außerdem gehört, dass in der Musikbranche doch sehr wenige Menschen auf Umweltschutz achten und dass es zum Beispiel in der Modebranche und in anderen Gebieten ein bewussteres Thema ist. Ich kenne nicht so viele Leute, die sich damit beschäftigen. Nur von Jack Johnson hat man jetzt mal gehört, dass der sein Album mit Solarenergie aufgenommen hat. Wenn wir die Möglichkeiten hätten, würden wir das auch sehr gerne tun. Also falls irgendjemand da draußen sein sollte, der ein Studio hat, das mit Solarenergie, oder Wind- und Wasserkraft betrieben wird, fänden wir das sehr gut. Aber all das war nicht der Ursprung von „Pflanz einen Baum“. Das kommt echt von diesem Metal-Lied (lacht).
motor.de: Sollen auf dem Label auch Platten anderer Künstler erscheinen?
Alin: Es sind noch keine konkreten Pläne da. Es gibt da zwar eine kanadische Künstlerin namens Miss Emily Brown, die wir alle ganz phantastisch finden, aber momentan haben wir einfach noch kein Kapital, mit dem wir uns um die Karriere einer anderen Künstlerin kümmern könnten.
motor.de: Die obligatorische Abschlussfrage: Was steht so an in nächster Zeit?
Alin: Also was bei uns auf jeden Fall auf der Agenda steht, ist die nächste Platte. Zur Zeit schreiben wir neue Lieder, die komplett in der Band entstehen. Wir sind gedanklich schon irgendwie am Formen des nächsten Albums. Ansonsten werden wir wahrscheinlich Philipp Poisel Anfang nächsten Jahres supporten. Wir haben jetzt vor der Tour anderthalb Wochen lang sechs oder sieben Stunden am Tag im Proberaum verbracht und an unseren Stücken gearbeitet. Wenn wir einfach mit dieser Band nochmal so intensiv arbeiten könnten, das wäre genial.
Interview: Lydia Meyer
Die Alin Coen Band sind:
Alin Coen (Gesang/Gitarre)
Jan Frisch (Gitarre)
Philipp Martin (Bass)
Fabian Stevens (Drums)
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