Leider geht es Lauri gerade nicht sonderlich gut. Nicht nur, dass die zum Gesprächszeitpunkt noch hochsommerlichen Temperaturen jemandem zusetzen dürften, der seine neue Platte ‘Hide From The Sun’ nennt. Nein, auch im Inneren des schmächtigen Rasmus-Frontmanns scheint es gewaltig zu brodeln, was sich derweil auch an einem leichten Fieberanflug manifestiert. Glücklicherweise ist besagtes neues Album ebenso heiß wie derzeit wohl Lauris Stirn. Und das ist doch das wichtigste.
Auch wenn dies vielleicht kein leichtes Unterfangen war, haben The Rasmus doch mit dem Vorgänger ‘Dead Letters’ und dem omnipräsenten Singlehit ‘In The Shadows’ eine gehörige Steilvorlage präsentiert, die die letzten drei Jahre Bandgeschichte ohne ausgedehntere Verschnaufpausen konstant dominierte. “Ich bin immer noch hyperaktiv, wie man vielleicht bemerkt”, beschreibt Lauri seinen aufgewühlten Emotionszustand, “aber ich will auch gar nicht aufhören, es gibt gerade ja keinen Grund, es langsam angehen zu lassen.”
Wohl wahr, denn mit ihrem sechsten Album ‘Hide From The Sun’, dessen Material nahezu ausschließlich auf Tour entstand, dürfte die Rasmus-Erfolgssträhne keineswegs abreißen. Im Gegenteil. Neben seinen durchgängigen Ohrwurmqualitäten, potentiellen Chartbreakern, und dezenten Achtziger-Anklängen, wartet dieses Album mit seinem fast schon konzeptuellen Ansatz auch für die Band selbst mit ein paar Neuerungen auf. “Bevor wir irgend etwas geschrieben haben, haben wir viel darüber diskutiert, auch darüber, so viele Gegensätze wie möglich einzubringen. Das war eine Herausforderung, vorher entstanden die Sachen meist beim Jammen”, erläutert Lauri und im Anschluss direkt das Grundschema der Platte: “Wenn die Melodie sehr süßlich ist, dann steckt das Gift meist in den Texten. Das Oberthema des Albums könnte man schon ‘Die Schöne und das Biest’ nennen.” Eine durchaus passende Umschreibung für das sehnsuchtsvolle Zusammenspiel von rockigen Riffs und schmachtender Melancholie, welches immer erst in den gewaltigen Refrains seine verdiente, wenn auch immer nur temporäre, Erlösung findet. Denn Einsamkeit und ein Gefühl des Verlorenseins gehören zur Schattenseite des Ruhmes und der Popularität, die Lauri in der bewegten jüngeren Vergangenheit des öfteren am eigenen Leib erfahren musste – und deswegen gerne auch textlich therapeutisch thematisiert. “Gestern nacht fühlte ich mich komisch, als ich auf diesem Hotelbett lag. Ich hatte keine Lust rauszugehen um einen zu trinken, und so habe ich einfach mitten in der Nacht meine Freunde aus dem Bett geklingelt. Und sofort fühlte ich mich wieder zuhause, weil ich mit jemanden reden konnte, der meine Sprache spricht. Ich habe eine sehr starke Beziehung zu meinen Freunden und habe immer deutlicher gemerkt, wie wichtig so etwas ist.”
Zu Lauris musikalischen Freunden hingegen zählen ja bekanntermaßen auch Ville Valo und die Jungs von Apocalyptica. Letztere durften dann auch dem Song ‘Dead Promises’ das bittersüße Cello-Sahnehäuptchen aufsetzen. “Sie haben 60 oder 80 Spuren mit Cellos eingespielt, was den Mixer zur Verzweifelung getrieben hat. Die Cellos klingen nämlich sehr gitarrenartig und wir haben schon haufenweise Gitarren in diesem Song. Er ist vielleicht der härtestes auf der Platte.” Womit wir wieder beim Gegensätze-Konzept wären.
“Es gibt ein paar harte Riffs, aber manches ist auch noch softer als früher. Der Song ‘Sail Away’ zum Beispiel. Das ist eine Nummer, die ich auf der Akustikgitarre geschrieben habe. Ich saß im Proberaum auf dem Boden und habe es den Jungs vorgespielt. Die meinten, dass man das so einfach wie möglich belassen sollte. Letztlich haben wir dann auch nur noch ein paar Geigen dazugemischt.” Auch wenn damit jetzt der Eindruck entstehen könnte, Lauri sei ein großer Fan von ausufernder digitaler Auftürmtechnik, so sei anghemerkt, dass der Mann Computer eher für “ein Werk des Teufels” hält. “Man kann tolle Loops und Sounds machen, aber das nützt dir auch nichts, wenn du nicht den richtigen Song hast.” Was uns in diesem Zusammenhang dann auf ein ganz anderes, aber dennoch – im übertragenen Sinne – naheliegendes Thema bringt: Star Wars. Lustigerweise haben nämlich The Rasmus gerade genauso viele Alben draußen, wie George Lucas nunmehr abgeschlossene Sternenkriegersaga Episoden. Na, welchem Teil entspricht denn dann wohl die neue Platte? “Ich würde sagen, es ist wahrscheinlich ‘The Empire Strikes Back’ oder ‘Return Of The Jedi’. Kling beides wie ein guter Albumtitel. Ich entscheide mich aber für ‘Empire’, das ist der coolere Film.” Und angesichts des bevorstehenden erneuten Chartangriff-Rundumschlags durch ‘Hide From The Sun’ eine treffende Wahl, Lauri. Auch wenn ihr in Wahrheit natürlich ganz und gar zu den Guten gehört.
Text: Danny Dubilski
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