Über eine Europa-Tour im Zeichen der Schweinegrippe und warum sich die Baddies trotz Bon Jovi sehnlichst eine Chart-Platzierung wünschen.
Zur Abendbrot-Zeit traf motor.de die Indie-Punker Baddies vor ihrer Show im Leipziger Sweat Club. Bassist Danny Rowton (links im Bild) verzichtete ohne Nörgeln auf sein Dinner und glänzte im Schlafzimmer nebenan auch noch mit ausführlichen Antworten. Eins – setzen! Die neuen Lieblinge der britischen Musik-Presse erwiesen sich gegen jedwedes UK-Rocker-Klischee als wohl erzogen und sehr gesprächig.
motor.de: Momentan seid ihr auf Release-Tour durch ganz Europa…
Danny: Ja, zwei Drittel haben wir geschafft. Ich habe letztens nachgesehen, wie viele Gigs noch übrig sind. Es waren ungefähr zwölf.
motor.de: Nach den Shows in Deutschland geht es ja weiter nach Italien und Spanien…
Danny: Ja, morgen sind wir erstmal in Prag und vor Deutschland waren in Skandinavien.
motor.de: Und wie läuft die Tour?
Danny: Sie läuft großartig. Obwohl, ich will nicht lügen. Wir waren auch schon alle sehr krank. In Rotterdam hat mich, denke ich, die Schweine-Grippe erwischt. Das war furchtbar.
motor.de: War denn die ganze Band krank?
Danny: Mich hat es am übelsten erwischt. Mike war auch ziemlich schlimm dran, der Rest der Band nur ein bisschen. Es war echt furchtbar, so krank war ich wirklich noch nie.
motor.de: Konntet ihr alle Shows spielen?
Danny: Das Konzert in Helsinki mussten wir deswegen absagen. Aber seitdem wir wieder gesund sind, ist es toll. Es ist ja die Tour zu unserem Debüt-Album “Do The Job” und wir sind zum ersten mal als Headliner durch Europa unterwegs.
motor.de: Kommen viele Leute, um euch zu sehen?
Danny: Schon – an manchen Orten natürlich mehr als an anderen. Oslo war zum Beispiel großartig und die deutschen Shows waren bis jetzt auch alle gut. Wir spielen in Deutschland mehr Konzerte als anderswo. London war zwar ebenfalls okay, obwohl die UK- Shows kein durchgängiger Erfolg waren. In Brüssel und Antwerpen hat es hingegen wieder gerockt. Alles in allem funktioniert die Tour schon ziemlich gut. Für uns ist das gerade der Schritt von der Support-Band, die sich darauf verlassen muss, dass eine größere Bands die Leute zum Konzert zieht, zu einem Main-Act, der das selbst schafft. Das kann auch schwierig sein. Es ist halt einfach ein Sprung ins kalte Wasser.
motor.de: Gibt es Unterschiede zwischen dem Publikum in den verschiedenen Ländern?
Danny: Wir haben schon viel in Europa gespielt. Im Sommer waren wir auf allen möglichen Festivals. Das Album war ja schon im Frühjahr fertig, aber wir wollten es zurückhalten und auf die Festival-Saison warten. Das war der große Plan. Wir wollten die Scheibe nach der Festival-Saison veröffentlichen, denn die Leute, die uns im Sommer gesehen haben, sollten ihren Freunden von uns erzählen und dann zu den Club-Shows kommen. Nach den Konzerten haben wir mit vielen Leuten aus dem Publikum geredet, bei denen das auch tatsächlich so war. Unser Plan ist also aufgegangen.
mtor.de: Auf Tour zu sein bedeutet für eine Band auch immer viel Wartezeit. Was ist euer liebster Zeitvertreib im Bus oder im Club?
Danny: Ähm…
motor.de: Beschäftigt ihr euch zum Beispiel mit irgendwelchen Spielen oder schlaft ihr einfach?
Danny: Ich schlafe nicht besonders gut im Bus. Und da verbingen wir wirklich viel Zeit drin! Ich surfe meistens im Internet rum und letztens habe ich versucht ein bisschen Italienisch zu lernen. Als wir in Italien gespielt haben, habe ich ein paar Brocken Italienisch gelernt und ich würde gerne nochmal hin fahren. Meistens lesen wir einfach, sind im Internet und spielen ein bisschen Gitarre. Ziemlich langweilig.
motor.de: Kein Sight-Seing?
Danny: Eine Chance auf Sight-Seing hat man nur an freien Tagen. Meistens fährst du aber um elf oder zwölf los, bist dann vier, fünf Stunden unterwegs und wenn du im Club ankommst, kannst du eigentlich auch schon ausladen und mit dem Sound-Check anfangen. Für kleine, winzige Dinge braucht man auf Tour ewig. Es frisst alles so viel Zeit, das ist unglaublich. Irgendwie ist der Tag plötzlich voll. Morgen haben wir zum Beispiel frei und können ein wenig Zeit in Prag verbringen. Das wird sicher toll werden, Sonntag Nacht. Dann haben wir noch ein paar Tage in Italien und in der Schweiz frei.
motor.de: Gefällt dir das Tour-Leben oder bist du froh, dass es bald wieder zurück nach Hause geht?
Danny: Ich muss sagen, und das empfindet die ganze Band so, dass das definitiv die härteste Tour ist, die wir bis jetzt gemacht haben. Es ist ganz einfach die längste. Zu Hause haben wir Freundinnen und das ist teilweise schon problematisch. Du denkst, alles ist okay und dann kriegst du einen Anruf oder eine SMS, in der es beispielsweise heißt: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das noch länger aushalte!“ Sieben Wochen sind einfach eine lange Zeit.
Versteh das nicht falsch, ich liebe es in einer Band zu spielen, aber das Reisen ist der härteste Teil. Ich freue mich auf zu Hause! So ziemlich jeder würde sich nach sieben Wochen darauf freuen, endlich irgendwo anzukommen und einfach für eine kurze Weile ganz normal zu sein.
Das eigentliche Problem ist aber, dass man nirgendwo so richtig glücklich ist. So bald du zwei Wochen zu Hause bist und keine Shows spielen kannst, kribbelt es dir schon wieder in den Finger, du wirst ungeduldig und denkst dir: „Ohh , ich freu mich schon so sehr auf die nächsten Konzerte!“. Es kommt einfach drauf an, wie man gerade drauf ist. Natürlich ist es schön, zu Hause zu sein. Du kannst einfach um die Ecke gehen und dies und jenes tun und dich einfach so mit allen möglichen Leuten treffen, aber oft denkt man auch: „Was auch immer ich hier tue und mit wem auch immer ich mich treffe, das ist nicht das, was ich wirklich will!“
motor.de: Letztes Jahr wart ihr ohne Album unterwegs und hattet nur eure Single im Gepäck. Trotzdem gab es eine große öffentliche Resonanz…
Danny: Ja, nur durch die Single.
motor.de: Die Baddies sind also schon ein Beispiel dafür, dass eine Band heute kein Album mehr braucht, um erfolgreich zu sein. Was denkt ihr über die momentane Entwicklung des Musikbusiness und die Rolle des Internets?
Danny: Eine große Frage – das wird eine lange Antwort.
Ich denke, das Internet wird zukünftig eine immer größere Rolle spielen. In fünf Jahren wird sich die Musik-Industrie gänzlich verändert haben.
Im Grunde genommen waren wir vor etwa 18 Monaten einfach eine „heiße Band“. Letztes Jahr im April/Mai ging für uns alles los. Einige Leute haben uns Platten-Verträge angeboten und viel davon geredet, was sie alles für uns tun würden. Passiert ist aber nie wirklich etwas. Es gab viele Diskussionen mit unserem Management. Wir haben uns daraufhin mit unterschiedlichen Interessenten getroffen, verhandelt, dabei versucht, uns alle irgendwie warm zu halten und darauf gehofft, dass sie gegeneinander konkurrieren würden. Aber niemand hat einfach mal die Hand ins Portemonnaie gesteckt und gesagt: „Wir wollen euch!“. Das hat uns ein wenig desillusioniert.
Deswegen haben wir dann beschlossen, das Album selbst zu produzieren und zu veröffentlichen. Das brachte m
natürlich einige Schwierigkeiten mit sich. Für die Aufnahmen konnten wir zum Beispiel erst nachträglich bezahlen und die Leute, die für uns die Presse-Arbeit leisteten, haben das umsonst gemacht. Die mussten also erst zeigen, wie viel ihnen die Band bedeutet und wurden im Nachhinein bezahlt.
Aber eigentlich ist das gerade gut. Als Band merkst du dann, wer wirklich an dich glaubt. Die nämlich, die auch bereit sind, dir ihre Zeit ohne Bezahlung zu opfern und trotzdem einen richtig guten Job machen.
Das Internet hat einfach die gesamte Industrie verändert. Die Verkaufszahlen der physischen Tonträger sind momentan im Keller. Es läuft alles über iTunes und MySpace.
motor.de: Und was denkst du persönlich über diese Entwicklung? Kaufst du zum Beispiel noch Platten?
Danny: Ja, ich kaufe noch Platten. Meine Fähigkeiten bezüglich des Internets sind auch ziemlich limitiert. Für jemanden meines Alters und für einen Musiker sowieso beteilige ich mich an der ganzen Internet-Sache nur sehr begrenzt. Ich gucke auf MySpace nach Bands und so, aber ich besitze nicht mal einen iPod. Aber ich denke, wir haben diese Entwicklung zu akzeptieren und sollten da auch Spaß dran haben. Mittlerweile läuft es eben so.
Ich meine, vor zehn, fünfzehn Jahren hätte eine durchschnittliche Band locker 200.000 Alben verkauft. Das wird einfach nicht mehr passieren. Nur noch riesige Bands verkaufen so eine große Menge Platten. Bon Jovi oder AC/DC -mega-etablierte Rockbands eben. Oder Leute wie Mariah Carrey.
Einerseits ist die Entwicklung gut so, wie sie ist, aber ich für meinen Teil bin altmodisch. Ich mag Singles. Wenn die Baddies zum Beispiel eine Top-40-Single in Großbritannien hätten, fänd ich das super. Als Kind habe ich mir im Fernsehen Top Of The Pops und Sachen wie CFI-Friday angeschaut. Ich dachte immer, es wäre phantastisch, eine Hit-Single zu haben! Aber jetzt sind die Charts einfach nur noch Plastik. Sie werden von den Medien gesteuert und es wird für eine echte Band einfach immer schwerer in die Charts zu kommen. Vor vielen Jahren, als ich ein Kind war, gab es Indie-Bands, die irgendwie cool waren und dann einfach einen Top-30-Hit landeten. Die waren vielleicht niemals in den Top-Ten, niemals Nummer Eins, aber sie waren in den Charts. So was passiert einfach nicht mehr. Es gibt nur noch diesen Retorten-Müll.
motor.de: Ja, es scheint momentan so, als würde alternative Musik fast nur noch im Internet statt finden.
Danny: Richtig. Auf das Internet haben immer und überall alle Leute Zugriff. Fans von authentischer, echter Musik scheuen da ja auch keine Mühe. Durch das Internet gibt es für sie mittlerweile mehr Möglichkeiten denn je. Der Underground existiert noch.
motor.de: Könnt ihr euren Lebensunterhalt mit der Band verdienen?
Danny: Ja, momentan schon. Als im Februar und März alle Termine fest standen, haben wir unsere Jobs gekündigt. Wir wussten, wann wir das Album aufnehmen, wann wir auf Tour sein würden und unser Plan mit den Festivals stand. Bis dahin haben wir alle Full-Time-Jobs gemacht. Die waren immer eine gute Inspiration für das Songwriting. Wenn man einen Job hat, den man gar nicht machen will und in einer Band spielt, die nicht so gut läuft, dass du den Job kündigen könntest, dann hast du eine Menge Material fürs Songwriting. Ich würde sagen, die Hälfte des Albums dreht sich um die Frustration auf Arbeit.
motor.de: Was habt ihr für Jobs gemacht?
Danny: Drei Bandmitglieder, also ich, Michael und Jim, haben für eon gearbeitet. Ich und Michael waren im Call-Center und haben Beschwerden und Fragen entgegen genommen. „Meine Gasrechnung ist zu hoch!“ und so was. Jim war dort Manager. Ich hab das vorher auch gemacht, aber das hat nicht so gut funktioniert. Ich bin nicht so der Karriere-Typ. Ich habe bei eon so viele verschiedene Jobs gemacht, aber keiner war richtig was für mich. Dafür gab es verschiedene Gründe. Einmal hatte ich Probleme mit den Arbeitszeiten, ein anderes mal wurde ich befördert und irgendwie habe ich das dann auch nicht ausgehalten. Ich wollte einfach immer nur Musiker sein.
motor.de: Also habt ihr eure Jobs immer nur neben der Musik gemacht?
Danny: Ja. Um die Rechnungen bezahlen zu können. Die meisten Leute machen irgendwas, das sie gar nicht wirklich tun wollen.
motor.de: War es immer die Absicht der Band, von der Musik leben zu können?
Danny: Ich habe mit fünfzehn angefangen Gitarre zu spielen. Bass spiele ich erst seit drei Jahren. Die Band in der ich vor den Baddies gespielt habe, das waren nur ich und ein Freund. Er spielte Gitarre und kannte noch einen Schlagzeuger. Ich wollte einfach nur in einer Band spielen. Keine Ahnung, wie das in Deutschland ist, aber in Großbritannien findest du kaum Drummer oder Bassisten. Jeder will der tolle Gitarrist sein oder eben der Sänger. Es gibt einfach tausende Sänger und Gitarristen. Ich wollte auf jedenfalls unbedingt in einer Band spielen, also hab ich gesagt: „Na gut, dann spiel ich eben einfach Bass!“. Sobald ich das ausgesprochen hatte, war ich auch schon in einer Band.
Meine Drei-Mann-Band war nicht besonders großartig, wir waren okay. Wir haben Songs geschrieben und ein paar Gigs gespielt. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh, das gemacht zu haben. Dadurch hatte ich das Selbstvertrauen, auch in einer professionellen Band Bass zu spielen. Und genau das tue ich jetzt.
Jedenfalls wollte ich natürlich immer von meiner Musik leben können, aber das ist niemals ein total ernst gemeinter Wunsch. Das ist ein Tagtraum. In England sagt man: „Don’t give up your day-job.“ Halt den Ball flach. Hab ja keine Träume. Aber genau das lässt einen sein Ziel noch verbissener verfolgen.
Um ehrlich zu sein, habe ich mir damals gedacht, wenn das jetzt nichts wird, dann mach ich so nicht mehr lange weiter. Jim, unser Schlagzeuger, erzählte mir dann nur beiläufig, er würde anfangen mit seinem Zwillingsbruder Mike zu jammen. Ich hatte vorher schon mal einige Sachen mit Jim aufgenommen und er wusste, dass ich ein korrekter Gitarrist bin. Später hat er mich gefragt, ob ich bei ihnen Bass spielen würde und da dachte ich mir: „Okay, ich werde es mal ausprobieren.“ Überzeugt hat mich eigentlich nur, dass Mike zu der Zeit in den USA ein wenig Erfolg hatte. Also, keinen großen Erfolg, aber er hatte ein Album draußen und einen Plattenvertrag. Ich wusste also, dass er nicht irgendein Freak ist, der keine Ahnung hat, von dem, was er tut.
Es gibt einfach so viele Leute die was machen, in England ist jeder in einer Band. Du gehst in einen Pub und du siehst haufenweise Leute, die du kennst und die sind alle in irgendeiner Band. So ist einfach die Kultur in England. Schon interessant, Großbritannien ist so ein winziges Land und hat trotzdem diese ganze Musik hervorgebracht, einfach, weil es zu jeder Zeit tausende Bands gab.
Mike hatte jedenfalls im Gegensatz zu vielen anderen eine relativ ernsthafte Sache am laufen. In Amerika spielen und einen Plattenvertrag haben – das klingt einfach unglaublich, wenn du noch ganz unten bist.
motor.de: Was sind die nächsten Schritte der Baddies, welche Ziele habt ihr? Was ist euer großer, persönlicher Traum?
Danny: Gute Frage. Ich möchte einfach Erfolg haben, aber das ist nicht sehr speziell. Schwierig, da etwas Konkretes zu benennen. Ich würde gerne irgendwie in den Charts vertreten sein. Nicht unbedingt in Großbritannien, irgendwo. „Do The Job“, unser aktuelles Album, war auf Platz 6 der Indie-Charts in Österreich. Das war eine große Sache für uns. Unser erster Chart-Erfolg. Klingt nicht nach viel, “Indie Charts”, aber du schaust auf diese Liste und Massive Attack sind einen Platz hinter dir! Da war ich wirklich verdammt stolz, dass das frisch veröffentlichte Album direkt in diese Charts eingestiegen ist. Wir waren glaube ich gerade in Glasgow irgendwo, als wir das mehr zufällig bemerkt haben. Und dann denkst du dir: “Wow! Das ist echt verrückt!” Also ich fänd es toll, ein Album in den Charts zu haben. Oder eine Single. Irgendwas. (lacht)
motor.de: Wie würdest du nzum Abschluss die Baddies in drei Worten beschreiben?
Danny: (überlegt) Spikey, intense and fun.
Interview: Sophie Bischoff
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