Siebenundfünfzig – das ist die Anzahl der Songs, die wir gestern Abend zusammen mit Bénédicte Schmitt, die das Album mit mir aufgenommen und koproduziert hat, gezählt haben. Siebenundfünfzig Tracks, die wir im Rahmen dieses (letztendlich) wunderbaren Abenteuers produziert und manchmal auch gemischt haben während der zwei Jahre, die es gedauert hat, dieses Projekt zum Abschluss zu bringen.

Die Entscheidung, auf diese introspektive Reise aufzubrechen, basierte auf einer paradoxen Mischung aus Unschuld und Tierhaftigkeit. Mit den Sessions begannen wir, als ich mich gerade mit dem überwältigenden kommerziellen Misserfolg des Albums À L’ORIGINE auseinandersetzten musste – ein nicht ganz schmerzfreier Prozess. Daher verfolgte mich dieses beunruhigende und leider nicht gänzlich unvertraute Gefühl, ein Verlierer zu sein, und obendrein kein strahlender. Dennoch, dank Basketball und anderer persönlicher Leidenschaften (selbstverständlich lege ich aus Gründen der Diskretion einen Schleier über mit „privates“ Alltagsleben) kann ich mich nicht daran erinnern, unglücklich oder gar wütend gewesen zu sein; eigentlich nur ein wenig deprimiert. Ein französisches Sprichwort sagt, dass man immer den Hund streicheln soll, der einen am Tag zuvor gebissen hat. Deshalb beschlossen Thierry Planelle (früher Artistic Director bei Virgin), Bénédicte und ich, wieder an die Arbeit zu gehen.

Ich wollte ein Album mit meinen eigenen Möglichkeiten aufnehmen, wie damals bei meinen ersten Demos, also ohne die Unterstützung anderer Musiker, jedoch dieses Mal – ich gebe es zu: an dieser Stelle hätte ich gemogelt – mit dem überaus wertvollen und inspirierten Beistand von Bénédicte Schmitt an den Reglern. Nur ein paar Bruchstücke sind aus diesem frühen Stadium erhalten geblieben, denn just zu jener Zeit erschütterte ein bedeutendes Ereignis die musikalische Landschaft: Sir Paul McCartney kündigte ein Werk an, auf dem er jedes einzelne Instrument selbst einspielen wollte. Damit hatte sich das Thema für mich erledigt.

Ein paar Monate später, nachdem mein musikalisches Leben weitgehend im Leerlauf verlaufen war, hatte ich das unglaubliche Glück, von Ambrosia Parsley zu hören. Meine Begeisterung überlasse ich Ihrer Fantasie, auch wenn ich bei der ersten Session einen ziemlich jämmerlichen Anblick geboten haben muss, weil ich das Gefühl hatte (und diese Meinung werden sicherlich einige von Ihnen teilen), der größte unter den großen Hochstaplern zu sein. Glücklicherweise hört ein Typ wie ich mit den Fingern auf dem Klavier oder der Gitarre schnell auf, über derartigen Blödsinn nachzudenken, und reißt sich zusammen, ohne dabei zu vergessen, dass eine so begabte Musikerin wie sie jeden besser klingen lässt – egal wen. Die erste Session fand in Paris statt. In Woodstock im amerikanischen Bundesstaat New York sahen wir uns wieder. Die Stunden, die wir zusammen arbeiteten, waren wunderbar, inspiriert und erfolgreich, und die Stunden im wirklichen Leben sogar noch besser. Ich entdeckte eine Landschaft, saubere Luft und ein Licht, wie ich sie vorher nur aus dem Kino, Zeichnungen, Büchern oder dem Fernsehen kannte. Endlich hatte ich das Amerika meiner ursprünglichen, wichtigsten Träume gefunden. Woodstock ist eine wahre Oase in diesem kränkelnden Amerika: Auf den Fußmatten vor den Türen ist das Gesicht des Präsidenten abgebildet, und die Kinder sehen aus wie Elliott in E.T. Es gibt keine international operierenden Franchiseketten, die Hunde sind erträglich, und der Polizist ist selbst im volltrunkenen Zustand ein fantastischer Klempner. Natürlich gibt es ein paar zottelhaarige Pilger, die sich an der Kurve, wo Bob Dylan weiland seinen Unfall hatte, versammeln, aber abgesehen davon ist alles genau so, wie ich es mag, von den Zedern bis hin zu den Wildtieren. Abends lieh ich mir die Gitarre meines Gastgebers aus und begann ein paar Lieder zu komponieren – angenehme Lieder, die der Landschaft ähneln, die mir so gut gefiel. Plötzlich merkte ich, dass ich mich wieder gefangen hatte. Nach einem Besuch in Texas, wo ich brutal den Puls des wahren Amerika, wie ich es hasse, zu spüren bekam, kehrte ich nach Hause zurück.

Ich war zwar wieder in Paris, aber noch nicht wirklich angekommen. Ich wollte allen, die ich liebe, zeigen, was ich gesehen hatte – mit meinen eigenen Augen gesehen hatte. Natürlich war das ein absurder Gedanke und ich kehrte schnell wieder auf den rechten, wenn auch reichlich kurvenreichen Pfad zurück. Deshalb suchte ich mir meine Oase in der Musik, wo ich sie auch schnell fand.
Dann gingen wir in die zweite Session, die sich als entscheidend erweisen sollte. Die Stimmen der Pariser Chöre und insbesondere von Rachel, ihrer Solistin, das ätherische Ächzen des Mini-Korg, wenn er herausgefordert wird, und die Arpeggios des zeitlosen Cembalos brachten das Licht, das Leben und den Sauerstoff zurück, die mir so sehr gefehlt hatten. Bénédicte erfand Klänge in ihrem Kopf, die an die Bilder erinnerten, die ich in meinem sah. Die anderen Musiker (und vor allem Freunde, manche noch aus meiner Kindheit) brachten sehr viel von sich selbst ein, wenn sie dazu kamen. Und ich hatte sogar wieder Freude daran, für Saiten zu schreiben: Das Glück war zurückgekehrt.

Dann verwandelte ich mich für ein paar Monate in einen Schauspieler in Lyon (der Stadt, in der ich aufgewachsen bin) und im Morvan-Massiv – das, wenn man in der richtigen Stimmung ist, genauso gut in Utah liegen könnte. Dort ruhte ich mich ein paar Wochen lang aus. Schließlich, aufgebaut durch einige neue Songs und angetrieben durch einen tiefen Hass auf einige andere, die zu nichts führten und in der Versenkung verschwunden sind, machten Bénédicte und ich dort weiter, wo wir angefangen hatten, mit der wertvollen Hilfe von Dominique. Nach feinfühligen, aber zahlreichen Retuschen schlossen wir das ab, was jetzt den Titel Trash Yéyé trägt und immer wieder aufgeschoben wurde wegen diverser Überarbeitungen, der Krise in der Musikindustrie und menschlichen Problemen.

Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Biolay