Bereits mit der letztjährigen Debüt-EP ‘When Hare And Fox Had Fun’ sorgte die Berliner Band Super 700 für reichlich Aufsehen. Nun legt das Septett das gemeinsam mit dem ehemaligen Strokes-Produzenten Gordon Raphael aufgenommene erste Album vor. Es ist, soviel kann bereits gesagt werden, die bislang beste deutsche Produktion des Jahres geworden.
Wer aus nicht nachvollziehbaren Gründen beschlossen hat, Super 700 nicht zu mögen, sollte Konzerte der Band strikt meiden. Ist das Livespielen doch die Paradedisziplin von Michael Haves (Bass), Simon Rauterberg (Keyboards), Johannes Saal (Gitarre), Sebastian Schmidt (Drums) und den singenden Ramadani-Schwestern Ibadet, Ilirjana und Albana. Spätestens auf der Bühne haben sie bislang noch jeden gekriegt. Prominente Unterstützer und Fans wie Wir Sind Helden-Produzent Patrik Majer, Motor-Chef und Plattenvertragsgeber Tim Renner oder eben Raphael gingen der Bande stets bei Konzerten ins Netz.
Es ist jedoch auch durchaus möglich, auf anderen Wegen zu Super 700 zu kommen. Als ich vor einigen Wochen eine erste Vorab-Kopie des selbstbetitelten Debüts der Band zugeschickt bekomme, hält sich die Begeisterung indes in Grenzen. Ich hatte natürlich schon von ihnen gehört. Schließlich war es während der letzten zwölf Monate unmöglich in Berlin zu wohnen und nicht auf diese neue und angeblich so aufregende Truppe aufmerksam zu werden. Trotzdem – ich gestehe, ein vorschnelles Vorurteil – blieb die Neugier überschaubar: Der Bandname hatte mich abgeschreckt. Super 700, das klang für mich nach einer weiteren deutschsprachigen Mitte-Hype-Elektro-Pop-Band. Und eine solche brauchte meines Erachtens nach kein Mensch. Irgendwann gab es aber dann doch kein Entrinnen mehr. Ob im Interview mit Gordon Raphael, im Gespräch mit von mir ob ihres erlesenen Musikgeschmacks geschätzten Kollegen oder in der einschlägigen Presse: Super 700 waren überall. Und dann kam besagte CD.
Zunächst: Super 700 klingen, im Gegensatz zu beinahe allem, was man heute so zu hören kriegt, nicht gleich auf Anhieb nach irgendwelchen Bands von vor 20 Jahren. Es ist eine rätselhafte Musik, die da aus den Boxen kommt. Bisschen Radiohead, bisschen TripHop, bisschen Jazz. Schöne, betörend-melancholische Songs mit dieser unvergleichlich traurig-verträumten Stimme von Ibadet Ramadani gesungen. Alles eher düster. Und, wie gesagt: schwer zu verorten. Man fragt sich nach der Herkunft. Auf jeden Fall klingen Super 700 nicht deutsch. Aber sonst? “Unsere Musik ist die, die wir stets hören wollten, die es aber nicht gab. Also mussten wir sie selber machen.” Es ist einer der ersten schönen Frühlingstage des Jahres. Wir sitzen auf dem Dach der Plattenfirma, bei der Super 700 schließlich nach längerem Überlegen – es gab durchaus andere Angebote – unterschrieben haben, weil “die Leute dort sich wirklich aufrecht für Musik interessieren und durch die Bank weg ziemlich sympathisch sind”. Haves und Ramadani bilden bei Super 700 den kreativen Kern. Von ihnen kommen die Songs, sie haben die Band vor drei Jahren gegründet. Die beiden ergänzen sich perfekt. Während von Ibadet eine Charme-Offensive nach der nächsten ausgeht, die im Kosovo geborene Sängerin verfügt neben einem außergewöhnlichen Talent über enorme Ausstrahlungskraft, übernimmt Haves, der in Münster gemeinsam mit Henning Wehland von den H-Blockx die Schulbank drückte, im Leben wie bei Super 700 den Part des ruhigen, bedächtigen Klangbastlers.
Als Ibadet vor drei Jahren nach Berlin zieht, hat sie erst einmal die Schnauze voll vom klassischen Musikbetrieb. Drei Jahre hat sie in Amsterdam Musik studiert. Doch was sie dort an der Uni lernte, war zwar hilfreich, hatte jedoch nur wenig mit jener unbekümmerten Herangehensweise zu tun, mit der sie und ihre Schwestern einst das Singen für sich entdeckten. Bereits seit frühester Kindheit hatte sie mit Ilirjana und Albana bei jeder sich bietenden Gelegenheit die großen Songs von früher intoniert. Aretha, Stevie, Marvin. Und jetzt wollen diese stocksteifen Dozenten ihr weismachen, dass “man erst mal technisch komplett sein muss” bevor man wirklich selber Musik machen kann? No way! Ibadet lacht: “Toll war es schon, mit so vielen unterschiedlichen Leuten zu kommunizieren und Musik machen zu können. Wenn du starke Visionen von Musik hast, kannst du dich abgrenzen von dem ganzen Scheiß, der da an dich herangetragen wird. Es besteht jedoch auch die Gefahr, sich zu verlieren. Nachdem ich all die Zeit mit Stilen wie indischer Musik, Flamenco und Jazz experimentiert hatte, stellte ich mir irgendwann die Frage, warum ich das eigentlich alles mache. Ich musste definitiv endlich beginnen, mir etwas Eigenes auszubauen.” Michael, der während seines Studiums ähnliche Erfahrungen gesammelt hat, sekundiert pflichtschuldig: “An eine solche Uni kannst du nur dann gehen, wenn du klare Vorstellungen von dem hast, was du machen willst. Wer dort als Schaf hinkommt, kommt auch auf die Schlachtbank.”
Als Haves und Ramadani schließlich beginnen, jene Songs zu schreiben, die die Grundlage für die spätere Gründung von Super 700 bilden, fällt der ganze Ballast von ihnen ab. Michael ermutigt Ibadet ihre Schwestern mit in die Band zu nehmen, die in der Zwischenzeit gar keine Musik mehr gemacht hatten und der Truppe nun einen gehörigen Schuss Unbekümmertheit injizieren. Nach und nach gesellen sich schließlich die restlichen Mitglieder dazu, ehe Rauterberg 2004 das Line-Up komplettiert. Von da an geht es relativ schnell. Bereits ein Jahr später erscheint die selbstproduzierte EP, die Band entwickelt sich zum Stadtgespräch. Bis schließlich ein leicht zerzauster Mann mittleren Alters nach einer Show hinter die Bühne kommt und sich als Produzent der Strokes vorstellt. Witzigerweise hat die Band aber vor allem eines an Gordon Raphael beeindruckt: “Ich hatte kurz vorher ein Interview mit ihm in irgendeiner Fachzeitschrift gelesen”, erklärt Haves. “Dort fand ich ihn einfach so sympathisch, dass ich den anderen das Interview geschickt habe. Das mit den Strokes wusste ich damals gar nicht. Als er dann vor uns stand, hieß es also nicht ‘da ist der Strokes-Produzent’, sondern ‘das ist der nette Typ vom Interview’.” Mit Raphael zu arbeiten empfand die Band als “äußerst spannend und ergiebig”. Selbiger gibt das Kompliment gerne zurück und bezeichnet die Songs seiner neuen Arbeitgeber als “future music” und “das Spannendste, was ich seit den Strokes gemacht habe”. Das aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangene Album wird von der Band nun auf die Straße gebracht. Und wie gesagt: wer Super 700 partout nicht mögen will, bleibt besser zu Hause. Aber im Vertrauen: Dafür gibt es keinerlei nachvollziehbare Gründe.
Text: Torsten Groß
Super 700 auf MotorFM
Am 27./28.05. gibt es bei MotorFM Super 700 im Wochenendspecial. Samstag und Sonntag wird jede Stunde ein Song der neuen und selbstbetitelten Platte gespielt, anmoderiert von der Band höchstpersönlich. Also einschalten oder einfach hier den Livestream anwerfen!
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