San Francisco Anfang September: Die US-Band The Killers wird in wenigen Stunden ihr zweites Konzert einer Reihe von Aufwärm-Gigs für die später im Jahr folgende Tournee zur neuen Platte spielen. Ehe es soweit ist, stellt sich Brandon Flowers den Fragen des motor-Reporters. Flowers ist gut gelaunt, wirkt aber im Gegensatz zu seinem öffentlichen Image ein bisschen schüchtern und zurückhaltend. Ein Gespräch mit dem Killers-Sänger über die Arbeiten am zweiten Album, ‘Sam’s Town’ und dem damit einhergehenden musikalischen Kurswechsel der Band. Über seinen Ruf als arrogante Diva, die von der britischen Presse hochgejazzte Fall Out Boy/The Bravery-Kontroverse und sein Verhältnis zu Elton John und Bono.

Brandon, wir sollten wohl jetzt über ‘Sam’s Song’ sprechen. Du kennst das Spiel: Ich frage dich, ob ihr zufrieden seid, und du antwortest, dass es mit Abstand euer bislang bestes Album ist. So läuft es doch, oder?
(lacht) Ja, meistens ist das so. Sagen wir so: Da wir erst zwei Alben gemacht haben, hoffe ich zumindest, dass das neue besser als das letzte ist.

Als wir uns vor einigen Wochen in London gesehen haben, kam ich mir vor wie ein Eindringling. Es herrschte eine etwas komische Atmosphäre und die Kollegen machten nicht unbedingt den Eindruck, als hätten sie große Lust, Interviews zu geben. Standet ihr in der damaligen Endphase der Produktion stark unter Druck und Stress?
Es fällt schwer, sich über seine Arbeit zu äußern, wenn man sie noch nicht abgeschlossen hat und über keinerlei Abstand verfügt. Wir haben versucht, das auszujonglieren – zur gleichen Zeit und im selben Gebäude Interviews zu geben und trotzdem nicht die Konzentration für das Wesentliche zu verlieren -, leicht gefallen ist es uns nicht. Aber das ist jetzt alles vorbei und wir alle leben noch – also, was soll’s?!

Vor allem du warst wohl ziemlich angespannt, da dir für einige Songs noch die Texte fehlten. Machst du das immer so, erst wenn alles andere fertig ist Titel und Texte festlegen?
Eigentlich nicht. Da ging es um die zwei für mich wichtigsten Songs des Albums – ‘Read My Mind’ und ‘Bling’. Ich wollte die Sache nicht verhauen, keine inhaltlichen Kompromisse eingehen, und habe das deshalb bis zur buchstäblich letzten Minute aufgeschoben. ‘Read My Mind’ habe ich am letzten Studiotag eingesungen. Alles war schon abgebaut, nur ich war noch beschäftigt. Hat sich aber gelohnt: Es gibt nicht einen Moment auf dem Album, bei dem ich mich irgendwie komisch fühle oder hinter dem ich nicht stehe.

Du hast vor einiger Zeit gesagt, die neuen Songs würden den Hörer sich dreckig fühlen lassen. Ein Gefühl, das sich zumindest bei mir bislang nicht eingestellt hat.
(lacht) Am Anfang haben wir mit verschiedenen Ansätzen experimentiert, uns in die unterschiedlichsten Richtungen bewegt. Wir hatten damals eine ganze Reihe von sehr dunklen Songs, auf die sich diese Aussage bezog. Dann entwickelte sich aber alles in eine ganz andere Richtung und wir verwarfen diese Ideen. Nun ist tatsächlich nicht besonders viel Dreck übrig geblieben.

Bei einer anderen Gelegenheit hast du deine Bewunderung für Bands wie die Talking Heads ausgedrückt – für die Fähigkeit Hits zu schreiben, die zwar kommerziell sind, sich aber trotzdem außerhalb der Norm bewegen. Würdest du das auch für eure Songs geltend machen?
Ich denke schon, dass uns das mit einigen Songs gelungen ist, dass wir teilweise mit unkonventionellen Strukturen arbeiten – wir machen schon einen guten Job. Auch wenn wir natürlich in erster Linie eine Pop-Band sind und nicht so einen künstlerischen Ansatz verfolgen wie die Talking Heads.

Auf jeden Fall scheint ihr ein gutes Händchen für Hit-Singles zu haben. Wie schreibt man einen Hit?
Indem man nicht versucht, einen zu schreiben, sowas lässt sich absolut nicht planen. Wir haben aus irgendeinem Grund das Glück, dass uns das relativ leicht zu fallen scheint, aber wir denken nicht darüber nach, während wir an den Songs arbeiten. Wichtig ist natürlich einen großen Refrain zu haben, etwas, das die Leute bewegt und mitreißt.

Und wenn der Song dann fertig ist, ahnt man dann, was man da geschrieben hat? Wisst ihr vorher was funktionieren wird und was nicht?
Manchmal ist das so. Wir hatten zum Beispiel gerade die erste Strophe und den Chorus von (der aktuellen Single) ‘When You Where Young’ fertig und waren schon absolut sicher, dass dieser Song auf allen Radiostationen laufen wird.

Woraus beziehst du deine Motivation, was lässt dich morgens aufstehen?
Zunächst: Ich liebe Musik. Es braucht jemanden, der das Rad am Laufen hält. Ich meine, es geht immer weiter bergab, kaum einer da draußen schreibt noch wirklich gute Songs, es wird so viel schlechte Musik veröffentlicht! In dieser Situation sehe ich uns als ein wichtiges Instrument, die Fahne für die gute Musik hochzuhalten – und das meine ich in keiner Weise arrogant. Ich will einfach nur gute Songs hören. Und damit meine ich den ganzen verdammten Song! Also ein tolles Intro, eine fantastische Strophe, eine herausragende Bridge UND einen wirklich großen Refrain -, darum geht’s, und das muss auch nicht notwendigerweise von mir kommen. Ich freue mich genauso, wenn ich einen guten Razorlight- oder Kooks-Song höre, denn zum Glück gibt es ja noch einige andere, die ihren Job gut machen. Darum geht’s, darum sind wir hier. Elton John, die Beatles, U2-� all diese Leute haben diese Welt zu einem besseren Platz gemacht, diese Tradition will ich mit meinem bescheidenen Anteil fortsetzen.

Das sind ja hehre Ziele. Gibt es jemanden, der dir auf dieser Mission als Vorbild dienen könnte, der sich trotz einer langen Karriere nie hat vereinnahmen lassen und stets Integrität mit Erfolg gepaart hat?
David Bowie ist ein großartiges Beispiel, wie man es richtig macht. Der Mann macht seit Dekaden herausragende Musik, er hat es immer wieder geschafft, interessant UND erfolgreich zu sein. U2 fallen mir noch ein, viele andere nicht. Die meisten Künstler scheinen leider ihren Ansporn zu verlieren. Sie werden durch den großen Erfolg faul und selbstgefällig, wie Prince zum Beispiel.

Sein letztes Album soll ja angeblich wieder besser sein.
Nicht wirklich. Da ist nichts Kontroverses, Aufregendes mehr dran.

Geben dir deine neu gewonnen Freunde Elton John und Bono mitunter Tipps, wie man es richtig macht?
Ja, und zwar völlig gegensätzliche. Elton empfiehlt, soviel zu schreiben wie möglich, solange man auf dem Zenit ist – so wie er es getan hat -, und trotzdem nicht zu viel zu arbeiten und auch den Spaß nicht zu vergessen. Bono hingegen sagte Folgendes zu mir: „Wenn du in Deutschland, Frankreich oder in irgendeinem anderen Land tourst, und du hast das Gefühl, nicht alles gegeben zu haben – fahr wieder hin und mach es besser. Versuch dich zu steigern, zerreiß dich für deine Musik! Lies alle Artikel über dich und wenn ein Verriss dabei ist, ruf den Journalisten an, der ihn geschrieben hat. Setze dich mit den Leuten auseinander! Wenn du wirklich an deine Musik und an dich glaubst, dann werden auch die Leute daran glauben.“ Das ist natürlich eine tolle Herangehensweise. Andererseits kann Bono so was auch leichter sagen, da U2 sowieso jeder toll findet.

Stimmt, bei den letzten Platten wird er den Hörer nicht allzu oft in der Hand gehabt haben. Was ist mit dir: liest du Artikel über euch, muss ich deinen Anruf fürchten?
Ja, das tue ich. Und zwar die guten UND die schlechten.

Wie fühlt sich das an, einen Verriss über sich zu lesen?
Vielfach kann ich verstehen, was die Leute an uns nicht mögen. Zum Beispiel, dass unsere Songs so lange vom Radio totgenudelt werden, bis die Leute sie nicht mehr hören können. Das sind allerdings Dinge, die außerhalb unseres Einflusses liegen. Dann heißt es ständig wir wären „cocky“ und arrogant und da sage ich: Es kann einen nicht jeder mögen, das muss man sich klarmachen. Trotzdem versuche ich mein Bestes, die Kritiker zu widerlegen.

Insbesondere von dem, was die britische Presse so schreibt, scheinst du alles andere als begeistert zu sein; du wirst dort immer wieder als arrogantes Großmaul dargestellt, Fehden mit anderen Bands werden konstruiert. Wie denkst du darüber?
Ich verstehe zumindest, was sie damit bezwecken. Sie bringen einen dazu, irgendetwas Kontroverses zu sagen, reißen es aus dem Zusammenhang und steigern dadurch ihre Auflage. Ich meine, es ist so leicht, kontrovers zu sein. Aber offenbar wollen die Leute das ja lesen.

Inwiefern erkennst du dich denn in der Schilderung deiner Person als arrogante Diva wieder?
Das ist ein sehr komisches Gefühl, da ich das einfach nicht ich bin.

Wie ist in diesem Zusammenhang die angebliche The Bravery/Fall Out Boy-Kontroverse zu sehen? (Anm. des Autors: Flowers hatte sich in der britischen Presse negativ über beide Bands geäußert und ihnen vorgeworfen, den Killers-Sound zu kopieren. Diese Bemerkungen wurden monatelang zu einer regelrechten Fehde zwischen den pikanterweise alle beim selben Label unter Vertrag stehenden Bands hochgekocht.)
(lacht) Nun, sie haben mich dazu befragt, und ich habe gesagt, was ich zu dem Thema zu sagen habe. Allerdings wurden nur die abwertenden Kommentare gedruckt. Im selben Interview habe ich z.B. gesagt, was für ein großartiger Song ‘A Honest Mistake’ von The Bravery ist, aber das passt dann natürlich nicht so gut ins Schema.

Hast du mit Bravery und Fall Out Boy inzwischen die Friedenspfeife geraucht?
Zu Fall Out Boy habe ich keinen Kontakt, aber den Jungs von The Bravery habe ich erklärt, dass das alles ein Missverständnis war.

Die Kritik von Teilen der Presse wird mit dem neuen Album kaum abreißen. ‘Sam’s Song’ klingt noch großspuriger als ‘Hot Fuss’. Offenbar habt ihr euch an Bombastrockern wie ELO oder Meat Loaf orientiert.
Tatsächlich habe ich vor einiger Zeit ELO für mich entdeckt. Kann sein, dass das Spuren hinterlassen hat. Den Meat Loaf-Vergleich kann ich aber nicht verstehen. Jeder spricht mich darauf an, dabei habe ich mich nie groß für ihn interessiert. Das Einzige, was ich von Meat Loaf kenne, ist sein Auftritt bei ‘The Rocky Horror Picture Show’.

Hast du Gesangsunterricht genommen, deine Stimme klingt viel voluminöser und stärker?
Ich habe darüber nachgedacht, wollte ein bisschen an meiner Atemtechnik arbeiten. Aber irgendwie hat sich das von selbst ergeben. Ich fühle mich heute viel sicherer und stärker beim Singen und glaube, das merkt man auch.

Eine Zeitlang habt ihr wohl über andere Produzenten nachgedacht, euch dann aber doch wieder für Alan Moulder entschieden, der allerdings mit Flood zusammengearbeitet hat.
Nun, das war, weil es beim ersten Album so gut mit ihm lief. Das war einfach eine naheliegende Entscheidung. Diese Jungs sind so hingebungsvoll und toll. Sie stehen im Ruf, all diese düsteren Platten zu produzieren, und sind dabei so unglaublich nett.

Haben sich New Order eigentlich jemals bei euch bedankt, dass ihr den Namen The Killers benutzt? (Anm. des Autors: The Killers war der Name der Fake-Band, die im Comeback-Video zum Song ‘Crystal’ anstelle der New Order-Musiker agierte.)
Nicht direkt, aber sie sind sich dessen bewusst und ich glaube, dass sie darüber sehr glücklich sind. Jedenfalls widmen sie uns ‘Crystal’ wann immer wir auf einem ihrer Konzerte sind. Das finde ich toll.

Wie war es, nach dem Erfolg von ‘Hot Fuss’ zurück in eure Heimat Las Vegas zu kommen?
Es war toll, nach der vielen Reiserei endlich wieder nach Hause zu kommen. Ich meine, es ist fantastisch, die ganze Welt bereisen zu dürfen, aber wie sagt man: Zuhause ist das Gras am grünsten, nicht wahr?

Ihr habt Las Vegas als praktisch unbekannte Band verlassen und seid als Multi-Platin-Act zurückgekommen. Gab es so etwas wie Neid bei alten Freunden, ist man euch anders begegnet als zuvor?
Natürlich gibt es auch solche Leute, die würde ich dann aber nicht zu meinen Freunden zählen. Meine wirklichen Freunde kenne ich bereits so lange, die haben sich einfach nur für uns gefreut – nein, da hat sich nichts im Umgang geändert.

Du bist ein ziemlich religiöser Mensch und Mormone, stimmt das?
Ja, das ist richtig.

Ich weiß nicht allzu viel über die Mormonen. Aber stimmt es, dass ihr Jungs mehrere Frauen haben dürft?
(lacht) Oh nein, das war vor 150 Jahren so. Ich habe jedenfalls nur eine.

Text: Torsten Groß