Auf Grund von Internet und MP3 ist die Quantität an neuer Musik kaum noch zu überblicken. Um aus den Massen hervorzustechen, müssen Bands qualitativ schon einiges zu bieten haben, oder aber sie lassen sich was komplett neues einfallen. Der Kölner Band Timid Tiger gelingt beides.
Als “halb Band” und halb Tiger” bezeichnen Timid Tiger sich selbst. Ihre Musik sehen sie als einen Soundtrack zu einem Cartoon, in dem eben jener junge ‘Timid Tiger’ die Hauptrolle spielt. Die Idee zum Cartoon-Rock’n’Roll entstand nach und nach, wie Sänger Keshav Purushotham berichtet: “Zuerst wollten wir ein Rock’n’Roll-Hörspiel kreieren. Doch dann haben uns Cartoons mehr gereizt. Wir haben uns einen Charakter ausgesucht und uns nach ihm benannt. Uns war der Widerspruch des Tieres wichtig. Als junges Geschöpf sieht er noch so putzig aus, ehe er sich zur gefährlichen Raubkatze entwickelt. Desweiteren ist er rebellisch
und zahm, mutig und ängstlich, fröhlich und melancholisch. Klaus Cornfield, der ironischerweise in der Band Katze spielt, hat für uns den Tiger gezeichnet. Als wir ihn das erste Mal sahen, wussten wir: Unsere Musik soll so klingeln, wie er aussieht.” Ob die Musik nun wirklich Assoziationen zu der heranwachsenden Raubkatze hervorruft, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fest steht, dass Timid Tiger sehr angenehme, fröhlichen Gitarren-Pop mit viel Swing-Beat- und amerikanischen Garage-Rock-Einflüssen spielen. Das Ganze lädt zum Tanzen, Schunkeln oder auch rhythmischem Schnipsen ein. Die Gitarre verschwindet meist im Hintergrund und macht für das Keyboard Platz. “Das typische Cartooninstrument ist für uns das Keyboard. Es hat die ganzen kitschigen Elektro-Sounds, die direkt Bilder hervorrufen. So Bong-Geräusche. Und das kann eine Gitarre nicht.” Eben.
Das Album ‘Timid Tiger & A Pale Of Pipers’ erscheint Anfang Mai beim Indie-Label ‘Lado’, was ein wenig überrascht. Schließlich widmet sich ‘Lado’ sonst eher kopflastigen Bands der Hamburger Schule wie Tocotronic oder Die Sterne. “Wir hatten zuerst ein Angebot von einem großen Label. Die wollten aber, dass wir auf deutsch singen. Das haben wir abgelehnt und auf ein neues Angebot gewartet. Und das kam dann von ‘Lado’, die uns allen Freiheiten in unserem Schaffen gegeben haben.” Und das ist auch gut so, schließlich sind Timid Tiger keine normale Platte-Tour-Platte-Tour-Band, sondern bieten Rock’n’Roll-Unterhaltung pur.
Die komplette Platte stellt einen Tagesablauf vom Aufstehen bis zum Schlafengehen des Tigers dar. Er erlebt ganz normale Dinge, wie wir auch. Er putzt sich die Zähne, geht in den Wald und auf Konzerte und bekommt vom bösen Fuchs Zigaretten angedreht. Jedes Szenario wird durch genau einen Song dargestellt, zu dem es dann im Booklet die Illustration von Klaus Cornfield gibt.
‘Timid Tiger A Pale Of Pipers’, das von Phil Vinall (Placebo, Radiohead) gemixt wurde, ist nur der Anfang einer langen Geschichte. “Wir wissen noch nicht, wie der Tiger sich weiterentwickelt. Es wird weitere Episoden geben, ich bin sehr gespannt, was aus ihm wird.” Wir auch, denn so innovativ und frisch wie der Timid Tiger klang schon lange keine Band mehr.
Text: Max Knaut
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