(Foto: Matt Barrick)
Es tut sich was bei Clap Your Hands Say Yeah. Die Band, die 2005 mit ihrem gleichnamigen Album dem bis dahin noch diffuseren Indie Form und Identität gestiftet hat, und als einer der größten Acts des Genres gehandelt wurde, tourt heute nur in Form ihres Frontmanns Alec Ounsworth komplett unplugged durch europäische Wohnzimmer. Was ist da passiert? Steht da jemand vor dem Ende? Oder ist es Zeit für einen optimistischen Blick nach vorne? Wir haben uns mit Alec in Berlin getroffen, und versuchen herauszufinden, wo sich sein Bandprojekt gerade befindet. Schließlich steht das neue Album Only Run bereits in den Startlöchern.
Wenn stille Wasser tief sind, befindet sich Alec Ounsworth geschätzt mehrere Kilometer unterhalb des Marianengrabens. Das introvertierte Mastermind des US-amerikanischen Indie-Rock gibt sich auf den ersten Blick gerne verschlossen. Gleichzeitig ist dieser unscheinbare Mann, der da sympathisch leicht verspätet und enorm übermüdet in seinem Berliner Hotel ankommt, weitestgehend allein für den enormen Erfolg seiner Band Clap Your Hands Say Yeah verantwortlich. Einen Tourbus sucht man hier jedoch vergeblich: Alec muss zuerst einmal den Wagen umparken. Wie bitte? Der Meister fährt selbst?
Er fährt nicht nur selbst, er ist aktuell sogar sein eigener Tourmanager, derzeit auf Wohnzimmer-Tour durch Europa. Auf die Frage, warum er sich für diesen Alleingang entschieden hat, erwidert Alec, er brauche niemanden, der ihm die Gitarre umherschleppe. Ja, Mensch, wenn es denn so einfach wäre… Jetzt mal ehrlich, wie funktioniert das? „Ich mache das komplett ohne Mikrofon, musikalisch betrachtet nackt. Bei 50 Leuten ist da auch Schluss, das ist eine nette intime Show“, sagt Alec, der aktuell keine Gedanken an große Bühnen zu verschwenden scheint. Importiert hat er sein Konzept aus den USA, wo er so schon mehrere Wochen lang auf Tour war, in Europa sind erstmal nur Paris, London, Köln und Berlin vorgesehen.
Oberflächlich betrachtet ist man zunächst einmal geneigt, hier einen Musiker zu sehen, der seinen besten Tagen melancholisch verklärt hinterher trauert. Aber da gibt es ja noch das neue Album, Only Run, das den Blick klanglich eindeutig nicht zurück richtet. Only Run klingt größer, weiter, digitaler, ist damit die ausgewachsene Fortsetzung der EP Little Moments von 2013, die nur in Zusammenarbeit mit Alecs Drummer Sean Greenhalgh, seines Zeichens das einzige weitere offizielle Bandmitglied, entstanden ist.
Da haben Sean und ich eigentlich einfach was in meinem Keller zusammengebastelt. Mir hat das sehr gefallen. Wir haben dann einfach 500 Exemplare auf Vinyl gepresst – Das sollte eher so eine seltene Sache werden, von wegen, finde es im Plattenladen und höre, was die Jungs in ihrem Keller so gemacht haben.
Aber selten war dann scheinbar doch ein wenig zu selten. Schließlich finden sich zwei Songs aus Little Moments auch auf Only Run, unter anderem der Titeltrack der EP. Aber was zeichnet Only Run sonst noch aus?
Ich denke auch, dass hier weniger um den heißen Brei herum geredet wird. Die Gedanken in den Texten sind sehr spezifisch, es ist eigentlich eine Evaluation dessen, was ich in den letzten zehn Jahren so gemacht habe. Man sucht immer dieses eine Fenster, den Moment, an dem alles klar wird – man arbeitet, arbeitet, und nichts ist einem gut genug. Ich denke, beim ersten, zweiten und jetzt beim letzten Album habe ich dieses Fenster gefunden. Das dritte war eher eine Sammlung an Liedern, die gerade da waren. Ich denke, das war auch gut ausgeführt, aber da war es mehr erzwungen. Dieses Mal war es eher eine Befreiung für mich.
Eine Befreiung. Klingt zunächst vielleicht etwas klischeehaft, aber man nimmt es ihm ab. Überhaupt scheint Only Run ein recht persönliches Album geworden zu sein. Und dann ist da noch der Gastauftritt von niemand geringerem als The National’s Matt Berninger, im recht noise-igen Track Coming Down. Und das macht auch Sinn: Die stets säuselnd-brüchige Stimme von Alec trifft sich mit der eigentlich komplett konträren von Matt Berninger irgendwo in der Mitte. Funktioniert. Was man allerdings vermisst, das ist der Charme der alten Songs von Clap Your Hands Say Yeah. Die haben sich irgendwie heimeliger angefühlt, irgendwie mehr indie. Aber ist das schlimm? Alec scheint eine sehr bestimmte Meinung zum Wert von Risiken zu haben, wenn es darum geht, sich musikalisch neu zu erfinden:
Ein Problem heute ist glaube ich, dass viele Bands Angst zu haben scheinen, etwas Neues zu machen, weil sie dann befürchten, Anhänger zu verlieren. Aber für mich ist das der einzige Weg, wirklich auszubrechen, auch um eine starke Verbindung mit Menschen aufzubauen. Ich hatte beim ersten Album nichts zu verlieren, und ich fühle mich noch immer so. Beim dritten Album habe ich deshalb vielleicht auch konservative Entscheidungen getroffen. Aber heute denke ich, dass Leute, die an Bord sind, auch an Bord bleiben. Man kann sowas nicht künstlich herstellen.
Zugegeben, neu erfunden hat sich Clap Your Hands Say Yeah auf Only Run vielleicht nicht, aber das Album zeugt definitiv davon, auch mal außerhalb eingetretener Pfade unterwegs sein zu wollen. Diesem Prinzip folgend verweigert sich Alec nach wie vor weitgehend dem Hype um Soziale Medien. Aber wie passt das zu einer Band, die ihre Bekanntheit in ihren Anfangstagen in großen Teilen eben einem Hype im Internet zu verdanken hat? Schließlich haben Clap Your Hands Say Yeah Mitte der 2000er stark von damals so hippen Plattformen wie Myspace profitiert.
Wenn ich mit meinem Manager da drüber rede, sage ich immer, ich habe nicht das Bedürfnis hunderttausende Follower zu sammeln. Ich brauche das nicht. Ich meine, es ist schmeichelhaft, große Shows und Festivals spielen zu können, aber wenn ich vielleicht fünf bis zehntausend echte Anhänger habe, dann reicht mir das. Clap Your Hands war eigentlich immer als ein kleines Projekt gedacht, und es ist dann plötzlich größer geworden als geplant.
Na sowas – willkommen bei des Pudels Kern. Für ein kleines Projekt scheint sich da in der Tat etwas sehr verselbstständigt zu haben. Ist Alec heute, alleine hinterm Steuer eines Mietwagens zwischen Köln und Berlin etwa da angekommen, wo er immer hin wollte? Man weiß es nicht. Und genau das nicht zu wissen, macht wohl auch den Reiz seiner aktuellen Arbeit aus. Vielleicht weiß Alec als Grenzgänger zwischen großer Bühne und Wohnzimmer ja auch selbst nicht so genau, was er da will, aber das macht es definitiv interessanter.
Only Run erscheint am 30. Mai bei Xtra Mile Recordings
Carsten Brück
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