Wenn ich jetzt unsere Website anwähle und mich auf www.motor.de Adolf Hitler während er den Arm zu Gruß in der Badewanne hebt anschaut, muss ich unweigerlich an Bodos Ghettoblaster denken. Das riesige Teil hatten wir uns von unseren damaligen Radiopromoter geliehen um damit auf der ersten PopKomm 1990 in Düsseldorf im Tor 3 Krach zu machen.
Krach, dass hieß die Werke von Pionieren der damals noch nicht kommerziell losgetretenen Technowelle wie WestBam nonstop auf dem Stand von Polydor Progressive Music (so der Name der Abteilung die der Vorläufer unserer Firma Motor Music sein sollte) zu spielen. Auf die PopKomm kamen damals eigentlich nur die Indies. Die Stände die Veranstalter Dieter Gorny den Majors umsonst zur Verfügung gestellt hatte, waren verwaist und wurden von Labels und Verlagen okkupiert, die sonst keinen eigenen gehabt hätten. Schräg gegenüber von uns hatte sich die Spex angesiedelt. Diedrich Diederichsen war damals noch Herausgeber, der Untertitel hatte gerade von „Musik zur Zeit“ zu „Magazin für Popkultur“ gewechselt, was wohl dafür stand, dass man viel Intellekt aber wenig Lebensfreude hatte. Auf jeden Fall war der Diskurs Techno noch nicht in der Redaktion angekommen. Alle zwei Minuten war einer ihrer Vertreter an unserem Stand um sich über die Musik, ihre Lautstärke oder Aussage zu beschweren, wenn wir Titel wie „Disco Deutschland“ spielten.
Über Helge Schneider mochte man auch nicht lachen. Unser Vorteil dachten wir, als uns unsere Freunde vom Bochumer Roof Label steckten, dass dieser nebenan während der Messezeit einen Auftritt absolvieren würde. Denn da von Spex niemand mitwollte, baten wir sie auf den Stand und das Stereogerät aufzupassen. Damit sie sich in der Zwischenzeit nicht entwöhnten, liessen wir, jung und um keine Provokation verlegen, mit voller Lautstärke den frühen Moby weiterlaufen. Helge Schneider war grandios, wir und die zwölf anderen im Raum forderten Zugaben. Helge gab sie uns, doch als wir nach einer Stunde wieder am Stand waren war der Ghettoblaster weg. Die Redakteure von der Spex wurden auf Nachfrage leicht rot, doch meinten nicht weiterhelfen zu können.
16 Jahre später zieht die Spex nach Berlin, was richtig ist und die Redaktion bleibt in Köln, was sehr Schade ist. Uns bleibt darauf zu warten, was die neue Spex sein wird; zu hoffen dass auch Uwe Viehmann und seine zu Hause gebliebene Redaktion Neues auf die Beine stellen wird; uns angesichts Helge Schneider der Adolf Hitler spielt vorzustellen, wie ihre Vorgänger unter leisen, missverstandenen Beschwörungen von Zeilen von Philosophen wie Roland Barthes und Jean Baudrillard dereinst unseren Ghettoblaster samt Underground Resistance, AFX (Aphex Twin) und Co Kassette demontierten und Euch nach dieser Vergangenheitsbetrachtung viel Spaß beim Lesen der neuen, zukunftszugewandten Texte auf www.motor.de zu wünschen.
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