Berlin-Charlottenburg. Hotel Concorde. Früher Abend. Der rötlich schimmernde Nachthimmel spannt sich über das Häusermeer der alten City-West. 16 Stockwerke unter den Fenstern der Suite, in der die Fantas Quartier bezogen haben, glitzern die Lichter des Kudamms. Durch die Tür des Schlafzimmers hört man gedämpft Thomas und Andy in die Diktiergeräte der Schreiberkollegen schnattern. Smudo rollt abwesend in den Laken des pompösen Bettes herum und würdigt die Aussicht keines Blickes. Der Chefdenker der Fantastischen Vier sieht müde aus. Abgekämpft. Der Auftritt eben bei MTV, bei dem die Vier ihr kommendes Album “Fornika” promotet haben, scheint ihn doch etwas geschlaucht zu haben. Warum tut sich so jemand noch einmal diesen Stress an?

Müssen die Fantas wieder zeigen, dass sie immer noch die Besten sind?

Teils, Teils. Einerseits ist es natürlich so eine Art Selbstbestätigung. Aber andererseits denken wir auch immer: “Was kann man denn sonst machen?” Du kannst ja nicht den ganzen Tag Lebkuchen essen und auf den Fluss gucken.

Rein finanziell wäre es wohl nicht mehr nötig, oder?
Das kommt drauf an. Natürlich will man auch etwas machen, was einem nützlich erscheint. Den ganzen Tag rumsitzen und Geld ausgeben ist doof. Und die Frage, ob man ausgesorgt hat oder nicht ist sehr, sehr abstrakt. Ehrlich gesagt, weiß gar nicht, wie sich sowas anfühlen soll. Das ist dieser dramaturgische Blick auf die Dinge: “Jaaa, wenn ich erstmal Geld habe und ausgesorgt habe, dann…” Ja, was dann? Was mach’ ich denn dann? Den ganzen Tag Fliegen fischen? Ne. Quatsch. Wir jedenfalls machen Musik. Eigentlich recht banal. Es ist ein Job, den wir gerne machen und der uns herausfordert, der uns Identität und Sinn gibt. Und von dem wir auch noch leben. Das sind unsere Gründe.

Habt ihr inzwischen keine Angst mehr, euch zu wiederholen? Wird es nicht immer schwieriger, mit etwas Neuem um die Ecke zu kommen?
Es ist immer sehr schwierig, eine Platte zu machen. Und es war auch bei “Fornika” sehr schwer. Wir wollten auch über Themen schreiben, die uns interessieren. Aber je älter man wird, desto abgebrühter wird man auch. D.h. wenn ich jetzt einen Text schreiben will, dann weiß ich inzwischen schon im Vorfeld, was für Fehler ich auf dem Weg dorthin machen könnte. Die Frage ist doch: Wie kann ich denn ein Thema, das mich interessiert, so beschreiben, dass es auch gut und spannend klingt? Welches Gefühl möchte ich überhaupt beschreiben? Das herauszufinden ist der eigentliche Hauptjob. Das Aufnehmen, das ist dann nur noch Maloche.

Ihr seid jetzt alle schon fast 40. Wie geht man eigentlich damit um, dass man jetzt endgültig alt wird?

Ich hab mich als Teenager und Twen für viele Sachen engagiert. Ich wollte, dass Marihuana legalisiert wird, habe gegen Atomkraft demonstriert und gegen Nazis gekämpft… Und NICHTS davon ist besser geworden. Ich bin inzwischen so oft enttäuscht worden und habe für diese Dinge nicht mehr die Kraft. Dafür habe ich nun andere Qualitäten, die mit dem Älterwerden gekommen sind. Eine Gewisse Ruhe zum Beispiel. Und ein Selbstbewusstsein, die Welt um mich herum so zu gestalten, wie ich das gerne möchte.
Und, ja – dazu gehört auch, dass ich feststelle, dass manche Sachen, die mir mein Vater mitgegeben hat… (Smudo macht eine dramaturgische Pause, holt tief Luft um den Rest des Satzes regelrecht herauszuschnaufen) …gestimmt haben. Das ist typisch für mein Alter, für Ende 30.


Bist du nicht enttäuscht, dass die Jugendlichen heute HipHop kaufen, bei dem es im Wesentlichen um Fotzenklatschen und Arschficken geht?

Du meinst Sido? Ehrlich gesagt finde ich den “Arschficksong” sogar ganz witzig. Erinnert mich sehr an die Sachen, die wir damals gemacht haben. Sexualisierung und Dirtytalk ist doch ganz normal für das Alter. Es ist die Aufgabe der Twentysomethings, das zu machen. Und es ist Aufgabe der Fortysomethings, sich darüber aufzuregen. Und wenn man es mal diplomsozialpädagogisch betrachtet, ist das doch der “realste” HipHop, der sich denken lässt – Streetmusic von unterprivilegierten Leuten, die mit günstigen Produktionsmitteln ihre Musik als Vehikel für ihre Botschaften benutzen.

Und was die gewaltverherrlichenden Texte angeht: Gewalt entsteht doch nicht, weil es Musik dazu gibt, sondern es gibt diese Musik, weil es die Gewalt gibt. Also gibt es auch jemanden, der darüber Lieder schreibt. Und demzufolge finde ich es okay, dass so etwas artikuliert, in die Gesellschaft getragen und diskutiert wird. Ich glaube, das produziert eher schlaue als gewaltverherrlichende Teenager.

Keine Sorge, dass euch die Presse schon mal vorsorglich in den Ruhestand schreibt?
Ich denke, dafür klingt die neue Platte definitiv zu jung. Natürlich ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt zum Aufhören ein Thema, das uns sehr beschäftigt. Aber – noch sind wir die Fantas. Und wir sind´s auf jeden Fall noch bis zum 20-Jährigen. Soviel ist sicher, nachdem unser Manager die “Agenda 2009” ausgerufen hat, in der er uns bis zum 2o-jährigen durchgeplant hat.

Und da könnt ihr euch nicht wehren?

Der würde uns aufs Maul hauen, wenn wir uns wehren.

Interview: Matthias Pflügner

Fanta 4 on tour
13.11. Kempten – Big Box
14.11. CH-Zürich – Hallenstadion
15.11. Mannheim – SAP Arena
17.11. Nürnberg – Arena
18.11. München – Olympiahalle
19.11. Freiburg i.Br. – Rothaus Arena
21.11. Frankfurt a.M. – Festhalle
22.11. Trier – Arena
24.11. Leipzig – Arena
25.11. Köln – Kölnarena
27.11. Hannover – AWD Hall
28.11. Bremen – AWD Dome
29.11. Berlin – Hangar 2
01.12. Oberhausen – Köpi Arena
02.12. Bielefeld – Seidensticker Halle
03.12. Hamburg – Color Line Arena
05.12. Passau – Dreiländerhalle
07.12. Stuttgart – Schleyerhalle