Die Person des letzten Jahres warst Du! Zumindest laut Time Magazine, das den Internet-User im Web 2.0 zum wichtigsten Menschen 2006 erklärte. Eine interessante Wahl, möchte man meinen, denn YouTube hin und MySpace her: Dich gab es ja eigentlich auch schon ein wenig länger. Aber so ist das nun einmal. Auch im Kino tauchen plötzlich alte oder sogar tote Bekannte wieder auf und schicken sich an, auf ihre alten Tage noch zu Leinwandhelden zu werden.
Besonders viel Aufmerksamkeit zieht dabei ein gewisser Herr aus Braunau auf sich. Die Suche nach der ersten Debatte des Jahres hat sich Dank ihm schnell erledigt. „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ übernahm sie dankbar und mit unglaublichem Getöse, weil auch im Jahre 2007 kein Film, in dem der Mann mit dem Schnurrbart auftritt, ohne Kontroverse auskommt. Jeder darf, nein: muss!, sich dabei zu Wort melden, von Guido Knopp bis Lea Rosh, und doch sagen alle das gleiche wie immer. Besonders viel spricht dabei Helge Schneider– unter anderem bei uns im Interview – was allerdings daran liegt, dass er die berüchtigte Hauptrolle spielt.
Die Debatte, ob man denn nun über Hitler lachen darf, mutet trotzdem ein wenig merkwürdig an. Nicht nur, weil man ja schon im „Untergang“ verschämt gekichert hatte. Sondern vor allem, weil Dani Levys neuer Film, trotz Schneider, gar nicht besonders witzig ist. Das ist natürlich schade, hält uns aber trotzdem nicht davon ab, den Soundtrack zu verlosen. Wenn ihr den haben wollt, dann schreibt eine mail an verlosung@motor.de.
Starke Konkurrenz bekommt der schlimme Diktator ausgerechnet von Königin Elizabeth II, die zwar längst nicht so eine verbrecherische Regentschaft geführt hat, aber in der Regel ähnlich schlecht gelaunt ist. Stephen Frears „Die Queen“ macht die britische Monarchin zu seiner ungewöhnlichen Protagonistin und mutmaßt, wie es damals wohl gewesen ist, in der Woche nach dem tödlichen Unfall von Prinzessin Diana. Wie Frears und seine sensationelle Hauptdarstellerin Helen Mirren aus diesem nicht eben aufregenden Plot einen umwerfenden komischen, ausgesprochen aufschlussreichen und sehr klugen Film machen, ist unbedingt sehenswert, auch und gerade wenn man nicht regelmäßig „Das goldene Blatt“ liest.
Ein weiterer, wenn auch bereits verstorbener, Star vergangener Tage feiert eine Art Wiederauferstehung und Comeback im Kino. Kurt Cobain ist der Protagonist in „Last Days“, allerdings nur fast und nicht wirklich und ohnehin ist dieser Film nicht gerade unkompliziert. Ausnahme-Regisseur Gus van Sant hat sich vom Nirvana-Sänger letztlich nur inspirieren lassen und erzählt von den letzten Tagen eines Rockidols (gespielt vom hervorragenden Michael Pitt). Eigentlich passiert gar nichts (immerhin geben sich Kim Gordon und Asia Argento die Ehre), gesprochen wird kaum und mehr als ein bisschen dreckige Junkie-Langeweile gibt es nicht zu sehen. Selbst Musik spielt keine große Rolle, sieht man mal von ein wenig verschlafenem Geschrammel und einem alten Boyz II Men-Video ab. Aber wer sich wirklich Mühe gibt, entdeckt eine faszinierende Schönheit, die vielleicht nicht jedermanns Sache, aber wirklich meisterlich ist.
Gegen das Trio Hitler-Queen-Cobain ist natürlich schwer anzukommen, auch wenn andere Filmhelden es mit aller Macht versuchen. Kein Mittel ist dabei zu brutal für „Lady Vengeance“, der Protagonistin von Park Chan-wooks drittem Rache-Epos. Ein wenig zugänglicher als „Old Boy“, aber nur unwesentlich gewaltfreier rächt sie auch hier jemand für eine zu Unrecht abgesessene Haft. Schräger Humor und betörende Bilder haben in dem koreanischen Film ebenfalls ihren Platz, aber an der britischen Königin kommt Frau Vengeance dieses Mal leider nicht vorbei.
Noch weniger gelingt das dem Fräulein Betsy Bell. Gespielt von „Parfum“-Star Rachel Hurd-Wood, ist sie die Titelheldin in „Der Fluch der Betsy Bell“ und wird, man ahnt es schnell, anfangs des 19. Jahrhunderts vom untoten Geistern heimgesucht. Irgendwie versucht der Film dabei den Bogen zu schlagen zwischen leicht altmodischem Gespenster-Grusel und aktuell so angesagtem Mystery-Horror, was phasenweise sogar einigermaßen gelingt. Aber wirklich besessen scheinen hier trotzdem nur die prominenter Nebendarsteller wie Donald Sutherland und Sissy Spacek zu sein, bei denen man sich fragt, warum sie überhaupt mitspielen.
Ach, und dann ist da noch „Brinkmanns Zorn“ – ebenfalls mit einem realen und bereits toten Protagonisten. Aufwändig, kompliziert und sehr künstlerisch wurden hier mit einigen Schauspielern und einer großartigen Kamerafrau die Tonbandaufnahmen des umstrittenen Sechziger Jahre-Literaten Rolf Dieter Brinkmann auf die Leinwand übertragen. Noch nie gehört? Naja, solange alle wissen, wer eigentlich Adolf Hitler war, wollen wir uns mal nicht beschweren.
Patrick Heidmann
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