So, nun steht es endgültig fest: Weihnachten kommt, daran führt kein Weg mehr vorbei. Selbst das Wetter hat es noch gemerkt und den Frühling doch noch einmal kurzfristig vertrieben. Was aber bedeutet das für die Kinos? Tatsächlich habe ich nie darüber nachgedacht, ob am Heiligen Abend die Kinos eigentlich offen haben. Und am ersten Feiertag? Eigentlich sollte man es direkt mal ausprobieren: Familie Familie sein lassen und die freie Zeit nutzen, alle Filme nachzuholen, die man in letzter Zeit verpasst hat. Oder sich natürlich auf die neuen Filme stürzen.

“Babel” wäre für diese Zwecke auf jeden Fall genau das richtige. Nach “Amores Perros” und “21 Gramm” legt der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzales Iñárritu schon sein drittes und vielleicht bestes Meisterwerk vor. Wieder erzählt er verschiedene Episoden kunstvoll-umständlich verwoben und gegen die gängige Erzählchronologie. Das übergeordnete Thema ist dieses Mal die mangelnde Kommunikation der Menschheit, die Einsamkeit, Terrorangst und andere Phänomene zur Folge hat, und wie immer sind exzellente Schauspieler am Werk, u.a. Brad Pitt, Cate Blanchett, Gael Garcia Bernal und diverse marokkanische Laien. Weil außerdem auch Kamera, Schnitt und Musik erstklassig sind, geht das Ganze nicht nur zu Herzen, sondern verdientermaßen auch als Favorit in die Oscar-Saison.

Davon weit entfernt sind die meisten anderen Neustarts dieser Woche.
“Wild X-Mas”
etwa ist eine lahme und wenig besinnliche Komödie über zwei alte Schulfreunde, die sich nach Jahren zur Weihnachtszeit im Heimatort wieder treffen und natürlich immer noch für einander bestimmt sind. Die Macher gehen dabei einigen fatalen Irrtümern auf den Leim: weder sind Rückblenden mit Menschen in Fatsuits oder brennende Weihnachtsdeko besonders amüsante Schenkelklopfer, noch verträgt eine romantische Komödie so langweilig-ausdruckslose Hauptdarsteller wie Ryan Reynolds und Amy Smart.

Auch in “Black Christmas” dienen die Feiertag als Aufhänger für eine Geschichte mit wenig begabten Schauspielern. Hier dürfte das allerdings nicht allzu viel ausmachen, denn es handelt sich um einen Horrorthriller, und in denen achtet man ja eigentlich nie auf die Darsteller. Natürlich ist der Film das Remake einer – nein, nicht japanischen – Vorlage (“Jessy – Die Treppe in den Tod”) aus den Siebzigern, verantwortlich dafür sind die “Final Destination”-Macher. Man kann also ungefähr ahnen, worauf es für die Mädels vor der Kamera hinauslaufen wird.

Vorhersehbar und wenig aufregend ist schließlich auch “Der Pakt – The Covenant”. In dem Fantasythriller geht es um eine Familie mit übernatürlichen Kräften und dem Kampf mit ihren Rivalen. Sowohl die Geschichte als auch die Spezialeffekte sind ausgesprochen trashig, doch die größte Verwirrung entsteht dadurch, dass sich die diversen Jünglinge in den Hauptrollen irgendwie alle zum Verwechseln ähnlich sehen. Aber wer will auch zwischen Gut und Böse unterscheiden, solange hübsche Burschen durch die High School toben?

Kommen wir von halbnackten Kerlen mit kräftigen Oberarmen zum zweitliebsten Hobby junger Mädchen: Pferde. Darum geht es in “Flicka – Freiheit. Freundschaft. Abenteuer.” Erstaunlicherweise spielt die Hauptrolle in dem Film – auch der ein Remake – die sympathische Alison Lohmann, die eigentlich alles andere als mädchenhaft ist, sondern schon stramm auf die 30 zugeht. Nun denn, es tut der Geschichte keinen Abbruch. Aber das Spannendste daran waren trotzdem die Schlagzeilen während der Dreharbeiten: zwei Wildpferde starben unter ungeklärten Umständen. Ob darauf hin der Spruch “bei diesem Film kamen keine Tiere zu Schaden” aus dem Abspann gestrichen wurde?

Tatsächlich ein Kind spielt die Hauptrolle in “Vitus”, der Schweizer Coming-of-Age-Geschichte eines Wunderkindes. Als Mentor in diesem netten, gutmenschelnden Film ist Bruno “Ich war Adolf” Ganz zu sehen, was natürlich vor allem für Kinogänger mit gutem Gedächtnis reizvoll sein dürfte.

Eher etwas für Taube ist dagegen Das hässliche Entlein und ich”. Die recht schlampigen Animationen dieser Andersen-Variation lassen sich nämlich gerade noch ertragen, die Stimme von Gaby Köster allerdings nicht.

Bleibt schließlich noch “Lichter der Vorstadt”, der neue und wieder einmal wunderbare Film von Aki Kaurismäki. Wie immer geht es spröde, lakonisch und ohne viele Worte zur Sache, wenn hier das Leben – und ein paar Gauner – einen Nachtwächter vom armen Würstchen zum richtig armen Würstchen machen. Wer sich davon überzeugen möchte, dass das eigene Leben doch ganz hoffnungsvoll und spannend ist, wird bestens bedient.

In diesem Sinne: feiert schön, trinkt reichlich Punsch (oder macht man das nur in Hollywoodfilmen?) und schlaft euch mal so richtig aus. Und nicht vergessen: Direkt nach den Feiertagen gibt auch schon wieder neue Filme, etwa mit Ben Stiller (“Nachts im Museum”), Denzel Washington (“Déjà Vu”) oder Cilian Murphy (“The Wind That Shakes The Barley”). Nur die motor.de-Kinokolumne macht Pause bis zum 4. Januar. Frohe Weihnachten!


Patrick Heidmann