Manchmal liefern Filmtitel einfach Steilvorlagen für Wortspiele. Dass aus Anlass von „Pirates of the Carribean“ überall zu lesen war, Johnny Depp entere die Kinocharts und erlitte natürlich keinen Schiffbruch, war ebenso selbstverständlich wie die motorisierten Metaphern, die nun pünktlich zum Start von „Cars“ auf uns Warten. Allerdings hatte man im Hause Disney sicherlich mehr mit Anspielungen à la „Durchstarter“, „Podestplatz“ oder „Vollgas“ gerechnet.

Stattdessen entpuppt sich das neueste Pixar-Abenteuer eher als Fehlzündung, manch einer spricht gar von einem völligen Crash. Waren die Erwartungen nach Meisterwerken wie „Die Monster AG“, „Findet Nemo“ und „Die Unglaublichen“ einfach zu hoch? Mehr als ein netter Film ist dieses Mal jedenfalls nicht aus dem Computer gekommen, und prompt haben auch in den USA die Kassen nicht mehr so laut geklingelt (dass man qualitativ wie finanziell die Konkurrenz trotzdem noch hinter sich lässt, ist eine ganz andere Geschichte). Wenigstens fällt so weniger Leuten auf, dass die Geschichte um den schnöseligen Flitzer Lightening McQueen, der in der Provinz die wahren Werte des Lebens wieder entdeckt, ein Abklatsch der Michael J. Fox-Komödie „Doc Hollywood“ ist.

Sprechende Autos sind allerdings nicht das einzige cineastische Kuriosum dieser Woche, denn schließlich sind da noch die „Snakes on a Plane“. Monatelang gab es im Internet einen Hype wie ihn die Filmwelt noch nie gesehen hatte. Und alles nur wegen des Titels,
der so schön gradlinig und trashig gleichermaßen ist. Das ging soweit, dass der Regisseur noch Szenen nachdrehen ließ, weil ihm so gut gefiel, was einige Online-Fans Samuel L. Jackson in den Mund gelegt hatten: „I want to get the motherfucking snakes off this motherfucking plane!“ Letzten Endes hält der Titel übrigens, was er verspricht: der Film ist schlicht, ergreifend und hemmungsloser Trash.

Auch „Friends With Money“ lässt schon auf dem Plakat erahnen, worum es geht. Alle Freundinnen haben viel Geld und tolle Jobs, nur Jennifer Aniston alias Olivia nicht, die sich als Putzfrau durchschlägt. Mehr Handlung ist eigentlich nicht in dieser Dramödie, in der vor allem permanent geredet wird. So ganz weiß Regisseurin Nicole Holofcener nicht, wo das alles hinführen soll, weswegen der Film irgendwann einfach aufhört. Das stört aber kaum, denn die Dialoge haben viel Esprit und mit Frances McDormand, Joan Cusack und Catherine Keener gibt’s gleich drei der tollsten Schauspielerinnen unserer Zeit zu sehen. Da fällt dann nicht einmal Frau Aniston störend auf.

Eine weitere Leinwand-Diva beehrt derweil den italienischen Film „Die Hausschlüssel“ mit ihrer Anwesenheit: Charlotte Rampling. Zwar ist sie in dem Vater-Sohn-Drama nur in einer Nebenrolle zu sehen, erlebt aber auf ihre älteren Tage eindeutig ein zweites Karrierehoch. Nach „Basic Instinct 2“ und „Lemming“ ist das schon ihr dritter Film in diesem Jahr, der vierte folgt in zwei Wochen.

Die Schauspieler in „Sehnsucht“ von der deutschen Regisseurin Valeska Grisebach haben dagegen gar keine Karrieren, denn sie sind Laien und standen zum ersten (und vermutlich) einzigen Mal vor der Kamera. Teilweise sieht man ihnen das auch an, doch der ebenso sensiblen wie spröden Anmut dieser stillen Schönheit von Film tut das keinerlei Abbruch. Insgesamt wird im ganzen Film vermutlich weniger gesprochen als die merkwürdigen Autos in „Cars“ oder die Frauen in „Friends With Money“ in fünf Minuten von sich geben, aber ich bin sicher, dass genau das der Sinn der Sache ist.

Wo wir gerade bei ambitioniertem Kino sind: „Water“ von Deepa Meehta will ebenfalls künstlerisch anspruchsvoll sein – und dazu auch noch politisch. Beides gelingt ihr auch halbwegs und natürlich ist es erschütternd zu sehen, wie man in Indien (bis noch vor kurzem) mit Witwen umgegangen ist. Doch in der Hälfte des Films baut die Regisseurin plötzlich auf Pathos im Bollywood-Stil, ohne sich auch an Tanz und Gesang zu wagen, wodurch leider irgendwann Ethno-Kitsch und Langeweile die Oberhand gewinnen.

Bleibt noch echte Politik, in Amos Gitais Dokumentarfilm „News From Home“, in dem er mehr oder weniger direkt den Nahostkonflikt kommentiert. Oder echte Kunst, denn 20 Jahre nach der Premiere kommt „Caravaggio“ wieder in die Kinos, das faszinierende Biopic des erstaunlichen britischen Regisseurs Derek Jarman. Ein aussagekräftiger Titel, ein sehenswerter Film und definitiv ohne benzinschluckende Animationsfiguren. Also nichts wie los ins Kino – und zwar mit Vollgas!

Text: Patrick Heidmann