Ton Steine Scherben, Killer Barbies, Klaus Jürgen Wussow… Die Liste der Personen, mit denen er bereits arbeitete, macht deutlich, dass Berührungsängste definitiv nicht zu den Dingen zählen, die man Volker Sassenberg vorwerfen kann. Gemütlich sitzt der 37-jährige Produzent in einem Berliner Tonstudio, in dem er gestern noch Aufnahmen machte. Nicht jedoch mit verblichenen oder in letzter Zeit mehr durch ihre Klatschgeschichten als relevanten Tätigkeiten durch die Boulevardblätter tingelnden Showstars, sondern mit Schauspieler Alexander Beyer. Und aufgenommen wurde auch nicht für eine Musikproduktion, sondern für die von Sassenbergs Firma ‘Decision’ produzierte Hörspielreihe “Gabriel Burns”.
Eines wird sofort klar: Der Mann hat gute Laune. Wenn er redet, tut er das mit vollem Körpereinsatz. Hantiert, rutscht auf dem Stuhl herum und macht Witze. Gerade hat er erfahren, dass die Vorbestellungen des aktuellen Gabriel Burns-Outputs – der Soundtrack und eine neue Folge – den Einzug in oberer Regionen der deutschen Charts in Aussicht stellen. Dass das erklärtes Ziel war, gibt er unumwunden und sichtlich zufrieden zu.
Dabei kam er eher durch Zufall zum Hörspiel. Nach der üblichen Europa-Frühsozialisation durch “Winnetou” und “Klecksi, der kleine Tintenfisch” folgten Jahre der Abstinenz, in denen er sich kurzzeitig einem BWL Studium, in der Hauptsache aber der Musik widmete. Der zweite Kontakt mit dem Medium Hörspiel brachte dann Ernüchterung. “Irgendwie war das alles ganz schön scheiße geworden. Das war nicht mehr dasselbe”, bringt er seine damalige Enttäuschung auf den Punkt. Derart unzufrieden war es nur eine Frage der Zeit, bis man sich entschloss, besser zu machen, was andere nicht mehr zu Stande brachten.
Rocky Beach liegt an der Ostküste
Das erste Ergebnis dieser Anstrengungen war die 2001 gestartete, in Neuengland spielende Detektiv-Serie “Point Whitmark”. Verfasst von einem unter dem Pseudonym Bob Lexington schreibenden Autor, über dessen Identität Sassenberg auch heute noch nur nebulöse Andeutungen zu entlocken sind (“Das einzige, was ich dazu sagen möchte, ist, dass der Prophet im eigenen Lande nichts gilt”). Die noch recht offensichtliche Orientierung der Geschichten an den “drei Fragezeichen” bestreitet Sassenberg nicht, sieht diese aber einerseits als Verbeugung vor den Klassikern, zum anderen den Geschäftspraktiken der Branche geschuldet. Da ist er ganz Ruhrpottler, sprich Realist. “Das ist doch die einzige Möglichkeit, überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. In Musikfirmen arbeiten heute doch nur Wirtschaftsunternehmer. Das Schlimmste was du machen kannst, ist, da rein zukommen und zu sagen: ‘Ey, jetzt setzt euch mal, wir haben was, das gab`s noch nie’.” So was sagt Sassenberg aber nicht nur, so was verpackt er mit ausladender Gestik und verstellten Stimmen in kleine Ein-Mann-Theatervorstellungen. “Was die wollen ist immer das Gleiche. Die sehen, das ist erfolgreich und denken: Das machen wir auch. Uns ging es aber nicht darum, zum 28. Mal ‘Miss Marple’ zu machen. Wir wollten was Eigenes auf die Beine stellen. Und so was kannst du denen nur verkaufen, wenn du ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis hinbekommst. Wir sind ja quasi die Polen der Hörspielsindustrie. Wir versuchen echt, solche Produktionen zu Dumpingkursen möglich zu machen, weil es sonst gar nicht geht. Bei ‘Point Whitmark’ haben wir versucht, einen Mittelweg zu gehen, enthusiastischer und mit mehr Action. Klar ist das manchmal Kasperletheater, aber das soll so bleiben. Das ist ja `ne Kinderserie.” Nach einigen Anlaufschwierigkeiten bei ‘Edel’ erscheint die Serie nun über Kiddinx (der Heimat von Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen) und hat sogar Fans bei der Konkurrenz gefunden, outete sich doch jüngst Justus Jonas-Sprecher Oliver Rohrbeck als Fan.
Der Preis der Freiheit
Frei gestrampelt hat sich Sassenberg mit seinem zweiten Projekt, der Mysterie-Serie “Gabriel Burns”. Einer ambitionierten Fortsetzungsgeschichte, die sich bei verschiedensten Versatzstücken aus Science Fiction-, Horror- und Thrillerelementen bedient und eine gewollte Gratwanderung zwischen Anspruch und Trash darstellt. “Wir wollten das beides drin haben. Den Trash, aber auch Dinge, die den klassischen Hörbuchhörer, dem ein John Sinclair nicht ins Haus kommt, überzeugen. Niveau muss sein. Sowohl sprachlich, inhaltlich aber auch in Bezug auf den Aufbau”, formuliert Sassenberg die Vision der Serie und will weiter ausholen, wird aber von seinem Handy unterbrochen und muss erstmal einen seinen Nachbarn beruhigen, der sich beschwert, dass Laster einen Teil seiner an Sassenbergs Grundstück angrenzenden Weide umgepflügt haben. Bei Sassenbergs wird gerade gebaut.
Das Experiment “Gabriel Burns” jedenfalls scheint zu funktionieren. Die ursprünglichen geplanten Folgen wurden bereits von 14 auf 20 aufgestockt und sollen nicht nur die Auflösung der aktuellen Rätsel bringen, sondern auch das Fundament für weitere Minizyklen legen. Mehrere Auszeichnungen beim Hörspielaward und eine riesige Fanseite im Netz zeugen ebenfalls von nicht geringem Zuspruch. Von der Promotionabteilung bereits angekündigte Buch- und Computerspieladaptionen verweist Sassenberg nach der Beruhigung seines Nachbarn jedoch fürs erste ins Reich der Wunschträume.
Als Gratwanderung gestaltet sich auch immer der Anspruch zwischen Kunst und Kommerz, die sich für viele Hörer in der regelmäßigen Verpflichtung von “Starsprecher” abzeichnet. Stört den einen dabei mehr der allzu offensichtlich angestrebte Crosspromotion-Effekt, fällt anderen oft die eher mäßige Leistung von Bela B, Blümchen, Smudo und Konsorten auf, die besonders im Vergleich zum aus Synchronsprechern und Hörspielroutiniers bestehenden Ensemble deutlich wird. Doch auch hier macht sich Sassenberg keine Illusionen und spielt zur Verdeutlichung wieder Theater. “Das ist so, als wärst du Filmemacher und hast das Drehbuch deines Lebens geschrieben. Und dann kommt da ein Produzent und sagt: `Hör mal, ich geb’ dir die ganze Kohle, das wird ein super Film. Und die Hauptrolle, die spielt mein Sohn.’ Letztlich sind so was wirtschaftliche Entscheidungen. Auch die Sache mit den Gabriel Burns-Klingeltönen. Du bekommst heutzutage keinen Vertrag mehr, in dem sich die Firma nicht die Rechte für so etwas sichert. Die leben davon ja auch gut. Ich habe aber schon ein Auge drauf, was passt und was nicht. Mir ist wichtig, dass die ganze Angelegenheit Stil hat, und auch behält.”
Text: Moritz Honert
GABRIEL BURNS
Der Flüsterer (1)
Die Brut (2)
Experiment Stille (3)
Angst aus Eis (4)
Nachtkathedrale (5)
Die Totenmaschine (6)
Die Fänge des Windes (7)
Nebelsee (8)
Am Grenzgebiet (9)
Diesseits der Kuppel (10)
Welt der Dämmerung (11)
Die erste Erinnerung (12)
Die Kommission (13) (erscheint 27.06.05)
(Wird fortgesetzt)
POINT WHITMARK
Die Bucht der 22 Schreie (1)
Die rote Hand des Teufels (2)
Die Insel der letzen Rache (3)
Das Haus der vergifteten Bilder (4)
Tief in den nördlichen Mienen (5)
Das kalte Phantom (6)
Das Grab aus Wüstensand (7)
Am Berg der Nebelspinne (8)
Das Buch des Grauenjägers (9)
Der Schattenadmiral (10)
Die Nacht der ewigen Fliegen (11)
Im Bann der Todesmelodie (12)
Der Würfel des Hexenmeisters (13)
(Wird fortgesetzt)
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