Niemand hat damals nach mehr geschrieen, nicht einmal leise gefragt. War ja auch genug da. Weltverbessertexte schossen aus weit geöffneten deutschen Indie-Garagen, dass einer daran mehr als satt werden konnte. Doch trotz all der Kettcars und Tomtes bekam man mehr. Am Ende wollte man gar mehr, denn das, was da wartete, war eigentlich nicht mehr, sondern endlich mal weniger.
Im Sommer des vergangenen Jahres lieferten Bosse, ein mutig zusammengewürfeltes Kollektiv aus Bestandteilen der längst leblosen Heyday und Uncle Ho sowie einem Songwriter Axel Bosse, der sich nach der Trennung von seiner Braunschweiger Jugendband aufs Wesentliche konzentrieren wollte – transparente Musik. Lieder, die nicht unnötig endlose Diskussionen anzetteln sollten, was denn nun letztlich besungen wurde, sondern vielmehr deutliche Ansagen beherbergen. “Ich möchte klare Worte, die aber trotzdem noch berühren können. Ich habe keine Lust, mich hinter Metaphern zu verstecken.” Frisch frisiert von Beatsteaks-Mischer Moses Schneider, erscheint nun Bosses zweiter Gang ‘Guten Morgen, Spinner!’, welcher gezielt persönliche Glücksmomente des Bandkopfes zu eingängigem Gitarren-Pop avanciert.
Stücke wie ‘Bei Costas’, eine krachende Ode an die Feierabend-Schenke im Trainingsort Wuppertal, schaffen mit patziger Dichtung und rücksichtslos polternden Gitarren genügend Raum, um zwischendurch immer mal wieder im Tagträumer-Gestus besinnlich zu werden. “‘Frankfurt/Oder’ ist schon mit einem kleinen Augenzwinkern an meine Frau und ihre Eltern geschrieben. Mein Lieblingssong auf dem Album. Er ist einfach so wahnsinnig auf den Punkt geworden. Außerdem wollte ich schon immer mal in einem Lied ‘Bockwurst’ singen!” Mit besagtem Stück Fleisch und reichlich Kartoffelschnaps vom Schwiegerpapa, findet sich der Protagonist im tristen und mit Gartenzwergen übersäten Vorgarten der Kleinstadt wieder. Und genießt. Das tat auch Kollege Sven Regener, Element Of Crime-Chef und Schöpfer von Herrn Lehmann, als er jene stilsichere Ballade zu Ohren bekam. “Er kannte uns gar nicht, aber zwei Stunden, nachdem wir ihm den Song geschickt hatten, stand er wie eine eins bei uns im Studio und hat eines seiner melancholischen Trompetensoli dazu eingeblasen. Das war ein absoluter Ritterschlag.” Spätestens beim Gastspiel des prominenten Poeten sollte den Herren Bosse klar geworden sein, dass in Sachen deutscher Rock-Musik mehr als lediglich der Klassenerhalt möglich ist.
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