A Perfect Circle reihten sich in den Kanon all jener Künstler ein, die eindeutig gegen George Bush Stellung bezogen. Mit “eMOTIVe”, dem am Vortag der US-Wahl erschienenen Cover-Album aus Versionen bekannter Protestsongs.
Gebracht hat es auf den ersten Blick nicht viel – Bush ist bekanntlich wieder “in the house”. Das nun auch noch die abermals politisch motivierte DVD/CD-Box “aMotion” mit unveröffentlichten Videos und Remixen bekannter A Perfect Circle-Songs von Massive Attack, Danny Lohner und anderen erscheint zeigt jedoch: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die “Zusammenstellung von Songs über Krieg, Frieden, Liebe und Habsucht” ist vielleicht sogar nun aktueller denn je. Wir sprachen mit Billy Howerdel.

Was war die Idee, das Konzept hinter “eMOTIVe” und “aMotion”?
Zunächst gab es da nur den Plan, ein weiteres Album zu machen. Dann jedoch kam Maynard (James Keenan, A Perfect Circle-Sänger) mit der Idee, ein Protest-Album aufzunehmen. Es schien uns eine gute Idee zu sein, dies mit Coverversionen bekannter Protestsongs zu tun, die keiner von uns erwarten würde. Die Herausforderung für uns war es, diese Songs in unseren musikalischen Kontext zu überführen – eine völlig neue Herangehensweise. Wir wollten die Leute überraschen. Bisher arbeiteten wir ja nicht mit so eindeutigen Aussagen, und die Stücke, die wir ausgewählt haben, versetzten uns in die Möglichkeit, politisch Stellung zu beziehen – mit Texten, die jeder kennt.

Songs wie “Imagine” oder Marvin Gayes “Whats Going On” wurde vor über 30 Jahren geschrieben, sind aber immer noch erschreckend aktuell. Werden wir denn niemals lernen?
You dig it. Rückblickend scheint es sogar, dass die Situation heute schlimmer ist, als die Zeiten, in denen diese Texte geschrieben wurden, es waren.

Aber ist es nicht ein Problem von Protestsongs, dass man nur die Leute erreicht, die sowieso politisch links stehen? Dann wäre nur dem eigenen Gewissen Genüge getan…
Nein, das glaube ich nicht. Wir haben schon eine Menge negative Reaktionen für diese Platte geerntet. Eine Menge Leute, von denen man vielleicht meint, sie stünden politisch links, wollen gar nichts von diesen Dingen hören. Mein persönlicher Ansatz wäre es normalerweise übrigens auch nicht, eine solche Platte aufzunehmen. Musik dient für mich keinem konkreten Zweck, sondern ich höre sie, um mich aus dem Alltag auszuklinken und mich in ihrem Klang zu vergraben. Wenn ich mich politisch informieren will, tue ich das über andere Medien wie das Radio. Aber auch wenn wir jetzt vielleicht schlechte Kritiken kriegen, sage ich ganz klar eines: Jeder, der nicht versteht, dass wir gerade eine Phase von äußerster politischer Bedeutung erleben, ist ein Idiot. Und da muss man eben auch musikalisch einmal deutlicher werden.

“Imagine” war für mich in der Originalversion eigentlich immer eine hoffnungsvoller Song. Bei euch aber klingt es jetzt extrem düster und eher hoffnungslos.
Ja, bei uns wird automatisch alles düster, wir können nicht anders (lacht). Nein, ich denke einfach, dass die Bedeutung von “Imagine” in unserer heutigen Zeit eine andere ist als 1971, als Lennon es schrieb. Das haben wir versucht umzusetzen. Die Situation sieht ja leider derzeit nicht besonders rosig aus. Diese symphatische Naivität, die die Hippies ja in politischen Fragen teilweise hatten und sich auch erlauben konnten, ist leider nicht mehr angebracht. Dafür sind wir doch heute viel zu gut aufgeklärt, wir wissen, was für eine Scheiße hier läuft.

Ist die Situation denn hoffnungslos?
Es sieht manchmal so aus, aber wenn ich wirklich einmal meine Hoffnung verlieren würde, könnte ich mich ja auch gleich umbringen. Allerdings habe ich auch keine Vorstellung, wie wir aus dieser Scheiße rauskommen sollen. Da liegt eine Unmenge an Arbeit vor der ganzen Welt, und ich hoffe, dass wir noch erleben dürfen, dass diese Arbeit endlich angegangen wird. Wir haben viel zu lange herum gesessen und zugeschaut, jetzt muss wieder gehandelt werden.

Ich war kürzlich in Washington D.C. und habe dort auch mit Befürwortern der amerikanischen Außenpolitik geredet. Was mich erschreckt hat, war die Tatsache, dass diese Leute mit einer absoluten Kaltschnäuzigkeit zu verstehen gegeben haben, dass es für sie gar keine Rolle spielt, ob die Bush-Administration wegen der Massenvernichtungswaffen im Irak gelogen hat oder nicht. Sie fanden die dortigen Öl-Vorkommen seien Kriegsgrund genug. Außerdem sei es gut für das amerikanische Selbstvertrauen, dass Bush im Gegensatz zu seinen Vorgängern endlich Ernst gemacht habe, indem er Hussein aus dem Amt gejagt hat.
Solche Statements sollten nicht als die vorherrschende Meinung in Amerika beschrieben werden, das wäre verheerend. In einigen Staaten ist diese Einstellung vielleicht populär, aber ich habe noch niemanden so etwas sagen hören. Es darf niemals und von niemandem gutgeheißen werden, dass wir tatsächlich aus wirtschaftlichen Interessen in den Krieg gezogen sind. Ich weiß gar nicht, was ich machen würde, wenn mir jemand sowas sagen würde. Wahrscheinlich würde ich die Kontrolle verlieren und Gewalt anwenden.
Mich nervt sowieso dieses ganze Geschrei wegen des Öls. Ich meine, die Pläne für Autos, die durch alternative Brennstoffe betrieben werden, liegen in der Schublade. Wir müssen sie nur endlich populär machen und den Widerstand der Automobilindustrie-Lobbyisten brechen. Das wäre mal eine Aufgabe für einen amerikanischen Präsidenten, statt Krieg zu spielen.

Die Ästhetik der beiden Videos zu “Imagine” und “Counting Bodies Like Sheep To The Rhythm Of The War Drums” könnte eindeutiger nicht sein und erinnert mich in Teilen an George Orwells “1984”. Denkst du, dass die Entwicklung in den USA und Westeuropa in die Richtung von Orwells Szenario einer durchleuchteten und entrechteten Gesellschaft gehen könnte?
Das ist natürlich eine ständig präsente Angst. Ganz so weit sind wir aber noch nicht, auch wenn Elemente davon längst etabliert sind. Aber immerhin haben wir ja noch ein Rechtssystem und die freie Meinungsäußerung. Und vor allem: Widerstand ist möglich und lohnenswert. Doch lass’ mich eines zu den Videos sagen: Speziell mit dem “Imagine”-Video bin ich nicht besonders glücklich, dass war Maynards Ding. Das ist mir einfach zu explizit. Ich ziehe es vor, meine politische Meinung nicht so autoritär und plakativ zu platzieren. Wenn du mich fragst, sage ich dir, wie ich denke. Aber ich würde zum Beispiel niemals ein so eindeutiges Anti-Bush-Statement wie diese Videos machen wollen. Das hat für mich etwas von Bevormundung. In dieser Frage haben Maynard und ich vollkommen gegensätzliche Standpunkte, aber das ist auch okay. Man muss ja nicht immer einer Meinung sein.

Würdest du dich und Maynard denn als Freunde bezeichnen?
Auf jeden Fall. Unsere Freundschaft war die Basis für diese Band. Nun ist es natürlich nicht so, dass wir ständig miteinander abhängen, da wir beide wenig Zeit haben. Wir sehen uns eigentlich nur, wenn es um A Perfect Circle geht.

Anstatt auf Tour zu gehen, wollt ihr euch in der nächsten Zeit verstärkt politisch engagieren. Was kommt danach?
Mit A Perfect Circle ist erstmal Pause. Maynard wird sich wieder Tool zuwenden, und ich möchte endlich die Arbeit an meinem Solo-Album abschließen. Zurzeit bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Produzenten, jemand der mich wirklich weiterbringen kann. Die Musik für dieses Album ist sehr viel erhebender und positiver als die Sachen, die ich für Perfect Circle schreibe. Ich denke, da werden einige Leute überrascht sein.

Text: Torsten Groß