„Okay, Leeds mag gerade als Hype-Szenestadt gelten, aber ich glaube nicht, dass dies nur ein kurzlebiger Boom ist,“ sagt Jon Foulgar, seines Zeichens Sänger der Neo-Glamrocker Duels, unlängst in einem Interview. „Denn wenn man unsere Szene zum Beispiel vergleicht mit dem Manchesterhype in den frühen 90’s mit den Happy Mondays, Stone Roses etc, dann ist da doch ein ganz gewaltiger Unterschied: Es gibt keinen einheitlichen Sound. Zwar sind alle Bands eng miteinander befreundet, aber die Kaiser Chiefs machen was ganz anderes als die Cribs, auch die Long Blondes und wir machen unser eigenes Ding … und vor allem iForward, Russia! – die sind far out, man! Kennst du die? Ich bin totaler Fan, diese Band ist mal wirklich originell und innovativ!“
Jon hat nicht zu viel versprochen. Vor uns liegt „Give Me A Wall“, das Debütalbum der Szenedarlings aus Leeds. Und richtig, iForward, Russia! sind faaaaaar out. Maaaan.
Noch bevor man die CD eingelegt hat, fällt das Tracklisting auf: Diese Songs haben keine Namen, sondern Nummern. Das Quartett benennt seine Lieder nach der Reihenfolge, in der der jeweilige Titel erstmals aufgenommen wurde. So kommt’s, dass die erste offizielle Single von Ende 2004 „Nine“ hieß. Im Spätsommer 2005 kam die Doppel-A-Seite „Thirteen/Fourteen“, im Februar 2006 schließlich der erste UK-Top40-Hit für „Twelve“. Aaa-ha.
Gut, das kann man noch als Gimmick abtun. Aber es passt zu einer Band, die sich Anfang 2004 zusammen fand, um „etwas Neues auszuprobieren“ und die ihr lineup folgendermaßen angibt:
tom – voice, synth rob – bass katie – drums, shouts whiskas – guitar, shouts
Gesehen? Zwei Mitglieder für „shouts“. Die machen die Dinge wirklich anders.
Songstrukturen zum Beispiel. Sagen wir’s so: „Normale“ Bands schreiben Verse-Chorus-Middleeight-Lieder. A-B-A-B-C-B. Eine Songstruktur von iForward, Russia! sieht daneben etwa so aus: fwrTt#üh?gh!
Hektische Breaks. Splitter von Melodiehooks, die einmal und nie wieder auftauchen. Rhythmen, die Haken schlagen wie flüchtende Hoppelhasen. Oder wie drahtige Weltergewichtler.
Aber trotzdem, es rockt. Doch, man kann dazu tanzen. „Von der ersten Sekunde an fetzen die vier Mitglieder von iForward Russia! ineinander. Zerborstene, schlagartige Stiche aus Gitarre werden geschaukelt von der pumpendsten aller Rhythm Sections. Dies ist flüssiger Dance, maskiert als Punk. Die Band ist die Kugel mit den Nägeln am Ende einer gigantischen Keule, schärfer als Rasierklingen. Der Sänger in pausenlosen Zuckungen, hypnotisch, und so sehr er auch wehklagt und kreischt, seine Stimme läßt nie nach. Ein blitzschneller Kobold, ein perfekter Frontmann!“ schreibt ein begeisterte Live-Rezensent von Drowned In Sound.
„iForward, Russia! verschmelzen Disco Punk Party Floorfiller, epischen Post-Rock und ein Gekläff, das Stimmbänder zu Asche werden läßt“ schreibt www.joyzine.co.uk.
„Die Futureheads, ‚!!!’, At The Drive-In und The Cure gehen mit dem Pürierstab aufeinander los, in einem gigantischen Tee-Ei, das eine Wendeltreppe runterfällt” schreiben, äh, wir selbst.
Okay, so begeistert man andere Musiker. So wird man intern in Leeds zum Szenemittelpunkt.
Aber den „normalen Hörer“ stößt man vor den Kopf, erschreckt ihn, schlägt ihn in die Flucht. Richtig? Von wegen!! „Give Me A Wall“, das Debütalbum von iForward, Russia!, kommt zu uns mit der Empfehlung einer Top50-Platzierung in den UK-Albumcharts. Kommt zu uns mit famosen Kritiken der Britpresse, mit Berichten, man habe bei SXSW so richtig abgeräumt und der Ankündigung von Tourplänen auf dem europäischen Festland und in Amerika.
Fazit? Holt die Pürierstäbe raus – dies ist unausweichlich. iForward, Russia! sind einer der Sounds des Sommers.
V2
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