Nach ihrem Blitzbesuch Anfang Februar verschlägt es die Madden-Zwillinge Benji und Joel in Kürze erneut nach Deutschland. Diesmal haben die ganzkörpertätowierten Pop-Stars nicht nur die Akustikversionen alter und neuer Hits im Gepäck, sondern auch den an Verstärker gestöpselten Rest der Good Charlotte-Bande. Nach dem Erfolg von Bands wie Fall Out Boy oder Panic! At The Disco gilt es für die fünf nun, mit der neuen Platte “Good Morning Revival” ihre Pole-Position im Tal des weichgespülten Schmuse-Punk zu verteidigen. Das sollte klappen.

Jungs, ihr kommt aus armen Verhältnissen, findet im Punk von Rancid oder Social Distortion eure Bestimmung und führt heute ein Leben auf der Hollywood-Überholspur: Partys, Promi-Freundinnen, schicke Karren. Wie vereinbart ihr frühere Ideale mit eurem heutigen Status als Celebrities?
Billy Madden: Wir haben uns einfach menschlich weiterentwickelt und sind keineswegs mehr so radikal und aggressiv wie früher. Ich denke, das passiert ganz automatisch, wenn man älter wird. Egal, ob man Geld hat oder nicht.
Joel Madden: Außerdem fahren die Leute, die uns heute für unseren “Verrat am Punk” angreifen, in fünf oder zehn Jahren sowieso alle Volvo und kümmern sich um ihre Kids. Denen ist es doch egal, was aus uns wird. Deshalb ist es uns auch schnuppe, ob es die aufregt, wenn wir eine Ballade oder einen Pop-Song schreiben. Würden uns solche Meinungen limitieren oder beeinflussen, dann hätten wir ein Problem.

Meint ihr, ihr fahrt irgendwann auch mal Volvo?

Benji: Vielleicht, ist ja ein sicheres Auto. Aber eigentlich bin ich mehr der Mercedes-Typ.
Joel: Ich stehe auf Cadillacs, den Klassiker. Elvis fuhr fast nur Cadillac! Unser Gitarrist Billy hat sich gleich einen maßschneidern lassen – alles schwarz.

Ziemlich düster sah es auch für euch aus, als ihr an den Songs für die neue Platte gearbeitet habt. Was war los?
Benji: Wir waren in L.A. und haben versucht, neue Songs zu schreiben, aber das hat irgendwie nicht geklappt.
Joel: Wir waren zu sehr abgelenkt. Hollywood hat eine Menge zu bieten, und wir waren einfach zu krass unterwegs. Fast jeden Abend eine Party, ständig haben wir irgendwo aufgelegt…
Benji: Wir sind DJs, quasi “nebenberuflich”.
Joel: Das hat uns auch zu einigen Songs auf “Good Morning Revival” inspiriert: Der Track “Take Your Hands Off My Girl” entstand nach einem Abend im Club, als mich wieder mal so ein Idiot dafür anmachte, dass sich seine Freundin bei mir einen Song gewünscht hat. Manchmal ist es echt ätzend, sich mit solchen Typen auseinandersetzen zu müssen.

Ihr seid schließlich nach Kanada geflüchtet, um dort in Ruhe arbeiten zu können. Wie hätte das Album geklungen, wenn ihr in L.A. geblieben wärt?
Benji: Genauso wie das letzte. Es wäre “The Chronicles Of Life And Death” Teil Zwei geworden.
Joel: Das wäre fatal gewesen.

Wieso?
Joel: Weil wir den anderen Bands immer einen Schritt voraus sein müssen. Ich meine, wir haben unser Genre so weit gepusht, dass Bands wie Fall Out Boy sich problemlos entfalten können.
Benji: Genau, und haben dafür die Fresse hinhalten müssen.
Joel: Das dankt uns zwar keiner, aber es beruhigend für uns zu wissen, dass wir unser Ding durchgezogen haben und damit anderen Bands helfen konnten.

Wie würdet ihr denn den Vibe von “Good Morning Revival” zusammenfassen?

Benji: Das Album ist über Liebe und Verständnis und damit eine Platte, die “erwachsener” ist als unsere vorigen Scheiben. Wenn du so willst, dann repräsentiert das Album die Entwicklung von Jungs zu Männern.
Joel: Wenn man jünger ist, reagiert man automatisch aggressiv – sogar auf Erfolg. Mit “Young And Hopeless” wurden wir quasi über Nacht berühmt, und im Nachhinein muss man sagen, dass der Erfolg für uns zu früh kam. Wir konnten ihn gar nicht genießen, wir wussten gar nicht, wie wir mit ihm umgehen sollten.
Benji: Also haben wir um uns geschlagen, ob verbal oder mit der Faust; einfach, um den Druck abzubauen.

Macht ihr euch manchmal Gedanken, wie und vor allem wie lange Good Charlotte noch bestehen kann?
Joel: Klar. Ich meine, wir sind älter geworden und haben auch außerhalb der Band Verpflichtungen: Beziehungen, Grundstücke, Seitenprojekte oder Jobs. Das hatten wir früher, als wir fünf Monate am Stück im Van durch Amerika eierten, natürlich nicht. Wir müssen uns heute einfach besser organisieren, Kalender abgleichen und anständig planen, dann bekommt man Band- und Privatleben auch locker unter einen Hut.
Benji: Wenn es Good Charlotte irgendwann nicht mehr geben sollte, dann nur, weil wir uns bewusst geworden sind, dass unsere Zeit vorbei ist und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wir werden nicht die Typen sein, die mit 40 in irgendeiner Bar vollgekokst über dem Tresen hängen, den alten Zeiten nachtrauern und hoffen, dass beim Resteficken noch eine Braut für sie übrig bleibt. Sowas gibt’s, und das ist doch nur noch traurig.

Text: Florian Hayler