Vor gut drei Jahren klingelte Jets ‘Are You Gonna Be My Girl’ nicht zuletzt aufgrund eines Telefonfirmen-Werbespots in aller Ohren und sorgte ebenso wie das dazugehörige Debütalbum ‘Get Born’ für ein erstes aufmerksames Aufhorchen. Schon damals bestachen die Australier nämlich mit der Fähigkeit, nicht nur ordentlich abzurocken, sondern auch gefühlsbetontere Klänge glaubwürdig rüberzubringen. Seitdem spielten die Australier im Vorprogramm der Stones genauso wie in dem von Oasis, waren dazu noch ausgiebig in eigner Sache in der Weltgeschichte unterwegs und liefern mit ‘Shine On’ nun einen Nachfolger ab, der das gelungene Debüt in kompositorischer Reife gar noch flugmeilenweit überragt.
Auch wenn sich Jets bisherige Karriere von Pub-bespielenden Down Under-Dogs zu internationalen Stadionrockern anmutet wie frisch aus dem Rock’n’Roll-Berühmtheits-Bilderbuch, ist die Entstehungsgeschichte des großartigen neuen Albums allerdings von einer schmerzlichen familiären Tragödie gezeichnet. So mussten Sänger/Gitarrist Nic Cester und sein Schlagzeugspielender Bruder Chris nämlich den verfrühten Tod ihres Vaters beklagen.
“Während unseres letzten Jahres auf Tour wurde bei unserem Vater Krebs diagnostiziert. Er verstarb vor gut zwei Jahren. Es hat lange gedauert, damit fertig zu werden, wir waren echt am Arsch danach. Insbesondere wenn du währenddessen noch ein Jahr auf Tour unterwegs bist und mit dem Wissen leben musst, dass er jeden Tag dahinscheiden könnte”, erklärt uns Nic bei unserem Besuch in Los Angeles, dem Entstehungsort des neuen Albums und der Wahlheimat von Bruder Chris. Nicht-Familienmitglied und Gitarrist Cameron Muncey erinnert sich jedenfalls ebenso deutlich an eine für alle in der Band ziemlich schwere Zeit. “Wir waren alle ziemlich betroffen. Klar war es für Chris und Nic am schlimmsten, aber es war alles so übel, dass wir uns gegenseitig nicht mehr anschauen konnten, ohne dass es uns komplett runter gebracht hat.” Allein der kathartischen Kraft der Musik verdanken Jet den Ausweg aus der Krise, wie Nic unumwunden zugibt. “Niemand wollte überhaupt irgendetwas machen. Es war schon schwierig, überhaupt wieder zusammenzukommen und sich hinzusetzten, um Songs zu schreiben – keiner hatte Bock. Aber ironischerweise war das genau der Weg, wie wir gelernt haben, darüber hinwegzukommen und es ad acta zu legen. Dieses Album hat uns dann letztendlich wieder zusammengeschweißt und uns einen neuen Sinn gegeben.” Und was für einen! Während das Titelstück von ‘Shine On’ als Tribut an Nics und Chris’ Erzeuger noch direkter Beleg geleisteter Trauerarbeit ist, ist der Rest der Platte ein Geniestreich aus einem Guss, ein Hochgenuss für alle Freunde des großen klassischen Rocks, majestätischer Harmonien und Melodien und einer erdig ehrlichen Authentizitäts-Aura. “Als wir für die erste Platte ins Studio gegangen sind, haben wir einfach nur das eingerockt, was wir vorher schon für lange Zeit in den Pubs gemacht haben. Aber letztendlich war es unsere Pub Rock-Platte. Was ja cool ist, diese ganze Garagen-Rauheit. Diesmal wollten wir aber einen Schritt weiter gehen und haben uns gefragt, was man noch so alles machen kann. Das einzige, was uns von vorne herein klar war, war, dass der Sound diese massive Trag- und Reichweite haben sollte.” Die hat er allerdings, weshalb inklusive der intimeren Momente des Albums ‘Shine On’ auch klingt, als wäre es den Stadien dieser Welt auf den Leib geschrieben. Das sieht Cameron ganz genauso. “Auf jeden Fall. Das erste Album war eben stark von unserer damaligen Situation und Umgebung beeinflusst. Da haben wir in Melbourne vor 100 Leuten gespielt. Jetzt war unser Ziel, einen Sound zu projizieren, der groß genug ist, um damit ein verdammtes Stadion zu füllen.” Auch wenn dieses imaginäre Stadion im Nu ausverkauft sein dürfte, kann man Jet bei ihren Arena-Ambitionen keinesfalls Ausverkauf vorwerfen. Mag das neue Album vielleicht für manchen etwas von besagter Garagen-Rauheit vermissen, so sind Jet einstellungsmäßig immer noch äußerst geerdet und in keinster Weise abgehoben. Die Jungs sind einfach nur Fans guter Musik und haben ein extra großes Herz für die Klassiker, ob sie nun Beatles, Stones, The Who oder auch The Band heißen. Neben einer Demosession auf Barbados verschlug es Jet nämlich im Vorfeld der Albumaufnahmen genau aus dieser Legenden-Leidenschaft heraus ins ferne Massachusetts. “Wir waren eigentlich nur auf Grund unserer Leidenschaft für The Band dort und dachten, es wäre cool, mal so im Herzen von Amerika auf Wurzelsuche zu gehen. Wir haben uns sogar alle extra solche Schnurrbärte wachsen lassen. Leider war uns als Australiern nicht bewusst, dass die Temperaturen dort bis -10 Grad runter gehen. Nach Barbados war uns das sehr schnell zu scheiße-kalt. Darauf waren einfach wir nicht vorbereitet”, erklärt Nic lachend. Und in Anlehnung an The Bands wohl bekanntesten Song ‘The Weight’ lässt sich für Jet abschließend nur konstatieren, dass sie mit dieser Platte nicht nur die Bürde des schwierigen zweiten Albums voll und ganz gemeistert haben. Nicht nur geschichtsbewusste Rock-Liebhaber dürfen jetzt endlich wieder strahlen.
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