Für ihr drittes Album mit Steve Bays am Mikrofon nahmen Hot Hot Heat eine milde Kurskorrektur vor: Anstelle des bislang von der kanadische Band bekannten überbordend hektischen Euphoriegepurzels treten auf dem programmatisch betitelten “Happiness Ltd.” zunehmend elegische Betrachtungen und Erzählungen von des Menschen ewiger Suche nach dem großen Glück in den Mittelpunkt. Man ahnt: Bays ging es zuletzt nicht immer gut.

Hot Hot Heat waren die heißblütigste Versprechung des Indie-Rock-Jahrgangs 2002: Das Debüt der Band, “Make Up The Breakdown”, enthielt zehn kraftstrotzende überschwänglich kieksende Pop-Songs voller Emphase. Blutrot zerplatzende Seifenblasendramen waren das, die den hormonell bedingten Herzschmerz des ersten großen Verliebtseins, vor allem aber den Absturz danach zu erklären und somit abzufedern vermochten. Ein steter lindernder Quell für verwirrte Seelen, der Endorphine wallen und Herzen vor Aufregung einen Schlag aussetzen ließ außerdem. Und dann waren Hot Hot Heat ja auch mit die ersten, in deren öffentlicher Rezeption ständig von der bis zu diesem Zeitpunkt vermutlich nur den Wenigsten aus der so genannten “Zielgruppe” bekanten Post-Punk-Band Gang Of Four zu lesen war. Damals galten die Kanadier einen langen juchzenden Sommer (sowie den folgenden melancholischen Herbst) lang als stärkste Geheimwaffe der ehemaligen Nirvana-Plattenfirma ‘Sub Pop’.

Inzwischen wissen wir, dass die vierköpfige Truppe die damals in sie gesetzten Hoffnungen zumindest kommerziell nicht erfüllen konnte. Eine Entwicklung, an der, so steht zu vermuten, die mangelnde Live-Präsenz der Band sowie die mindestens diskussionswürdige Frisur von Sänger Steve Bays nicht ganz unschuldig sind. Jedenfalls gingen Hot Hot Heat im großen Indie-Rock-Jahr 2005 mit ihrem famosen Zweitwerk “Elevator” unverständlicherweise komplett unter. Dass das neue Werk, “Happiness Ltd.”, nun zwei Jahre danach von introspektiven Betrachtungen und einer allgemeinen Katerstimmung dominiert wird, lässt sich indes nicht mit Frustration über fehlende kommerzielle Beachtung erklären. Bereits beim letzten Gespräch erklärte Bays, ohnehin keinen gesteigerten Wert darauf zu legen, einer eventuell nur kurzlebigen Szene zugerechnet zu werden und verwies auf eigene musikalisch Vorlieben auch jenseits von Post-Punk. Jetzt sagt er: “Es wäre ein Leichtes gewesen, ein weiteres ‘Make Up The Brakdown’ aufzunehmen, aber das haben wir ja schon gemacht.”

Tatsächlich zeichnet der älteste und langweiligste Grund der Welt verantwortlich für miesepetrig anmutende aktuelle Songtitel wie “Good Day To Die”: Steve Bays – ach Gott! – wurde von seiner Freundin verlassen. Das geschieht uns ja bekanntlich allen von Zeit zu Zeit und man sollte meinen, dass es in diesen Tagen von schlimmerer Pein zu berichten gebe. So ist man zunächst geneigt, das Werk als unerträglich selbstmitleidigen Gefühlskitsch zu verdammen – wären da nicht abermals diese raumgreifenden Melodien. Ihnen verdankt die Introspektive, die selbst reflektierte Standortbestimmung des Steve Bays ein erhabenes, universal gültiges Moment.

“Nach der Trennung hatte ich an allem die Lust verloren, selbst an der Musik, und befand mich in einer gefährlichen Abwärtsspirale”, erzählt der inzwischen wieder halbwegs zuversichtlich wirkende Sänger. Und bestätigt: “Inzwischen geht es mir besser. Es war gut, die Möglichkeit zu haben, über diese Dinge sprechen und schreiben zu können – eine ganze Weile war das unmöglich -, und einfach nur Zeit verstreichen zu lassen.” Die Niedergeschlagenheit verlangte freilich nach einer musikalischen Entsprechung, nach Moll-Akkorden, Grautönen und trotzdem immer noch genug Kraft und Intensität für das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Ein Weg, der nicht automatisch gefunden wurde. Zunächst war man bei den Proben zum Album noch wie gewohnt vorgegangen. “Wir arbeiteten bereits einige Wochen an der Platte und hatten eine Menge typisches HHH-Zeug aufgenommen – und auf einmal kamen diese Songs. Ich kann dir auch nicht sagen woher, aber plötzlich hat sich alles zusammengefügt.”

Die beiden besten Songs eröffnen und beschließen “Happyness Ltd.”: Der Titelsong selbst, mit seiner verzweifelten, sich selbst in einem befreienden Akt in einen triumphalen Refrain rettenden Strophe, und schließlich die elegische Schmachtballade “Waiting For Nothing” – als endgültiges Epitaph auf die Schatten der Liebe. Dazwischen gibt es immer wieder Momente, da will man diese Musik nicht mögen in ihrer Vorhersehbarkeit, ihrem Kalkül, ihrer ungebremsten Kommerzialität. Momente, in denen Hot Hot Heat große Gefühle mit Kitsch verwechseln. Dann ist es die Emphase, das Sentiment in der Stimme von Steve Bays, der etwas zu offensichtlich auf Radio-Airplay schielende Format-Popper wie “So So Cold” vor der Banalität rettet.

Schließlich und endlich ist “Happiness Ltd.” auch ein gutes Argument in der ewigen Diskussion, weshalb Indie-Bands zu großen Plattenfirmen wechseln. Denn natürlich gab es die ebenso alten wie überflüssigen Ausverkaufs-Vorwürfe auch hier. Ein geradezu verschwenderisch mit seinen Mitteln agierendes Werk, das unter Zuhilfenahme von zahlreichen Produzenten – bei fast jedem Song arbeitete die Band mit einem anderen – entstand, und so nur bei einer großen Firma realisiert werden konnte. Ein Alles-geht-Album mit opulenten Streichern, üppigen Arrangements, feudalen Chören und satten Sounds. Wenn man ins Radio und überhaupt überall hin will, dann bitte so.
Dass der Band noch einmal ein derartig großer Etat zur Verfügung gestellt, sie nicht abgeschrieben wurde, erklärt sich laut Bays nicht zuletzt mit Sparmaßnahmen in anderen Lebensbereichen: “Man kriegt von der Plattenfirma ja einen Vorschuss und kann dann selbst entscheiden, wie viel davon man in die Produktion stecken will. Und wir haben das Geld eben komplett für die Platte genommen und zusätzlich noch eine Menge selbst finanziert. Den Vorschuss müssen wir natürlich irgendwann zurückzahlen und unsere Konten sind ebenfalls völlig leergefegt. Aber über diese Dinge mache ich mir keine Gedanken, das würde mich nur bedrücken. Ich meine, in ein paar Jahren, wenn ich etwas älter bin, werde ich nicht darüber nachdenken, wie viel Geld ich im Jahre 2007 verdient habe, sondern ob ich damals der Stimme meines Herzens gefolgt bin und die Platte gemacht habe, hinter der ich wirklich stehen kann.” Am Ende des Tages sind Hot Hot Heat eben immer noch Überzeugungstäter.

Text: Torsten Groß