Optisch machen The Rakes rein gar nichts her. Vier verschrobene Gestalten aus London nippeln an ihrem Bier und geben sich der Hitze des Büros hin. Freundlich sind sie, und zuvorkommend obendrein. So gibt man sich heute also als neues ‘next big thing’. Der NME weiß es natürlich als Erster. Das alte Spiel halt. Aber Moment! Bei The Rakes können wir das getrost unterstreichen. Warum? Weil sie dreckig sind, weil sie dich an den Eiern packen, dir ordentlich Speed ins Gesicht pfeffern und das konsequent im Gleichschritt auf ihrem Debüt ‘Capture/Release’ durchziehen.
Arsenal spielt gegen Liverpool. Während der Flimmerkasten ohne Ton und ohne Tor weiter leise vor sich her summt, nehmen Gittarist Matthew Swinherton und Bassist Jamie Hornsmith ihre Plätze auf der Couch ein. Fußball interessiere sie eigentlich gar nicht. Aber man möchte ja im Pub “mitreden können”. Ein fröhliches Lachen schallt aus den Mündern der Beiden, und diese Aussage trifft den Nagel irgendwie auf dem Kopf. Mitreden, Beklagen, der Monotonie des Lebens entweichen. Und dabei dem New-Wave verfallen sein. Und auch wieder nicht. Während Bands wie Bloc Party oder auch Maximo Park dem New-Wave-Gedanken eher poppig begegnen, so treten The Rakes dem Ganzen eher mit erhobenem Mittelfinger entgegen. Zackiger, rumpeliger und mit einem Bein in der Gosse krächzt ‘Capture/Release’ aus den Boxen, und einen passenderen Albumtitel hätte das Quartett aus London eigentlich nicht finden können.
Erst heiß machen und dann wieder fallen lassen. Und dann das Ganze wiederholen. So funktioniert ‘Capture/Release’. Und während der NME schon ganz heiß auf die Neulinge ist, finden auch andere Leute sie interessant. Wie zum Beispiel Modemacher. Die wollen ihre Musik für Modeschauen benutzen, und das gefällt Jamie und Matthew: “Unsere Musik ist elegant und gleichzeitig aggressiv. Das passt, glaube ich, sehr gut zu einer Modeshow.” Gelacht wird viel während des Gesprächs, und der Gitarrist Matthew Swinherton versprüht dabei den Charme eines Englischprofessors. Sehr gebildet und reflektiert begegnet er den Fragen zum Debüt. Und auch dem derzeitigen Boom all der New-Wave-Bands steht er sehr nüchtern gegenüber.
“Wurde Eminem jemals ein Vorwurf gemacht, dass er sich am Achtzigerjahre-HipHop orientiert? Dass er Elemente von Public Enemy und all den anderen Bands einfließen lässt in seine Musik? Das interessiert doch auch keinen. Warum werden wir also die ganze Zeit auf New-Wave angesprochen? Derzeit herrscht einfach wieder vermehrt Interesse an diesem Genrem, und trotzdem unterscheiden wir uns doch alle noch voneinander. Jede Band hat ihre persönliche Nuance, und beim genaueren Durchhören sollte das auch jedem klar sein.”
Generell steht das Quartett – bestehend aus Alan Donohoe, Lasse Petersen, Matthew Swinherton und Jamie Hornsmith – äußeren Einflüssen sehr gelassen gegenüber. Denn im Endeffekt sind sie es, die es bis hierher geschafft haben: “Wir sind nicht nur eine von diesen Bands, die gehypt werden. Wir haben gute Songs und wir sind nicht nur ein Produkt der Presse. Wir haben sehr viel alleine erreicht. Wir haben gute Songs, unsere Shows sind gut und dann fing es langsam an, dass die Presse sich für uns interessiert hat.” Und für The Rakes prompt eine neue Klassifizierung gefunden hat. Der NME nennt sie “the post-punk Monkees”. Da lachen sie abermals. Und halten zugleich fest: “Die Leute vom NME verstehen was von ihrem Job, und wir fühlen uns demnach geehrt, dass sie unsere Musik gut finden.”
Text: Tanja Hellmig
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