Mit Strip-Tänzerinnen am Haken und der Spielfreude aus Gründungstagen stellten Jane’s Addiction beim exklusiven Gig im Roxy Theatre, L.A. eins unter Beweis: Auch 2010 können die Wegbereitern des Grunge-Rock noch schockieren. motor.de war bei dem Konzert der besonderen Art vor Ort…

Los Angeles, Sunset Strip. Die 1,5 Meilen des Sunset Boulevards zwischen Hollywood und Beverly Hills sind seither als legendäres Pflaster für Nachtclubs und Prominenz berüchtigt. Die einstige Hochburg von Glücksspiel und illegalem Alkoholausschank ist längst Synonym für die sündige Glitzerwelt der kalifornischen Metropole geworden – Kaum verwunderlich, dass man dort mit Hustler Hollywood nicht nur das größte Erotikgeschäft der USA findet, sondern auch jene Rockschuppen, welche die Musikgeschichte vor einigen Dekaden entscheidend geprägt haben. So hat das “Whisky a Go-Go” nicht nur den leicht bekleideten Tänzerinnen zu ihrem Namen (und Käfigen) verholfen, sondern diente auch Rockgöttern wie den Doors oder Led Zeppelin als Sprungbrett. Nur wenige Meter weiter findet man direkt neben dem Rockstar-Imbiss Rainbow, das ebenso ehrwürdige Roxy Theatre, in dem Jane’s Addiciton 1987 ihr selbstbetiteltes Debütalbum Live einspielten.

Nach langen Jahren der Bühnenabstinenz und einer alles anderen als langlebigen Reunion, gab es lange Zeit nur wenige Gelegenheiten in den Genuss einer Live Performance zu kommen, insbesondere wenn die Band in der Stadt der Engel eine ihrer exklusiven Secret-Shows spielte. Immer noch ein exklusiver Auftritt –  ohne große Geheimnistuerei – wollte man diesmal hauptsächlich für die Fans da sein. Nur wenige Tage zuvor wurden – ganz zeitgemäß – einige Tickets über Twitter & Co verlost. Doch  allen, die weder zur Prominenz, noch zu den glücklichen Gewinnern zählten, blieb nur eine Wahl: Schlange stehen und hoffen, dass die Restkapazität ausreicht um auch tatsächlich reingelassen zu werden. Die hartgesottesten Fans verbrachten bis zu 16 Stunden vor den verschlossenen Türen des “Roxy’s”, dass nur etwa 400 Besucher fasst.


Wie es sich für Hollywood gehört, ließen sich auch einige Stars blicken, sodass man im VIP-Bereich auf Billy Corgan, Tom Morello oder Duff McKagans Ehefrau Susan Holmes treffen konnte. Der ehemalige Guns N’Roses Bassist stand neben einer kurzen Premiere auf Perry Farrells 51ter Geburtstagsparty zum ersten Mal für ein komplettes Set mit den drei Gründungsmitgliedern auf der Bühne. Jane’s Addiction hätten zweifelsohne keinen adäquateren Ersatz finden können, denn Duff fügt sich nicht nur äußerst homogen in das Bandgefüge ein, sondern entspricht dem Spirit der Band und des ’Strips’ wie kein Zweiter.

Doch zunächst die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge: Der Vorhang öffnet sich. Vor einer faszinierenden Kulisse aus Lichtern und religiösen Motiven beginnt eine bizarre Mischung aus Burlesque-Strip und Fetisch-Show, in der eine rothaarige Schönheit genussvoll lange Nadeln durch ihre Zunge und Wangen bohrt. “Nothing’s Shocking?” Falsch, denn Sie und ihre nicht weniger ansehnliche Partnerin schweben kurz darauf ruckartig über der Bühne – mit Haken im Rücken am eigenen Fleisch aufgehängt. Zeitgleich fällt ein weiterer Vorhang und Jane’s Addiction eröffnen mit “Whores” ein fulminantes Set aus Hits und frühem Songmaterial.

Jane’s Addiction – Live @ Roxy Theatre L.A.

Auch während dem unmittelbar folgenden „Ain’t No Right“ schwingen die Tänzerinnen zwischen den Köpfen der Rock-Ikonen umher, denen die Begeisterung für diese Art der Bühnendekoration förmlich ins Gesicht geschrieben steht. Besonders Farrell posiert mit dieser einmalig selbstverliebten Dekadenz und sinniert mit der Weinflasche in der Hand in Prachtform: „I don’t keep track, i just keep going“. Voranschreitendes Alter und exzessiver Heroinkonsum haben der Ansehnlichkeit der Helden paradoxerweise kaum geschadet – Perfekt zurechtgemacht präsentieren Perry, Dave und Duff ihre Waschbrettbäuche, während der schlichtere Perkins hinter seinem Drumset vor Spielfreude fast zu explodieren scheint.

Die provokante Mischung aus Sexualität und religiöser Symbolik schuf auch schon mit dem Cover der ersten Scheibe ihre ganz eigene Ästhetik, die man mit den dauerpräsenten Damen ebenso perfekt inszeniert wie das Klangbild der Truppe: Neben Navarros herausragender Gitarrenarbeit und Farrells charakteristisch hallgetränkten Vocals, brilliert besonders das rhythmische Fundament des Quartetts. In Stücken wie „Ted, Just Admit It…“ tritt der Bassgroove besonders eindringlich hervor und macht unmissverständlich klar, wie sehr McKagan mit Perkins und dem Rest der Band harmoniert. Jane’s Addiciton, Duff und der Sunset Strip gehören einfach zusammen. In einer solchen Intensität und intimen Atmosphäre spürt man den L.A.-Zeitgeist längst vergangener Tage.

Im Hinblick auf den Stellenwert des Roxy Theatres für den ’Strip’ und die Band, erhalten Perry Farrells finale Worte, gegen Ende des einstündigen Konzerts, eine besondere Bedeutungsschwere: „Tonight felt like the good ol’ days!“

Bericht + Photos: Matthias Ziegenhain