Vor wenigen Jahren betritt mit der damals erst 15jährigen Joss Stone eine Art Soulstimmen-Wunderkind die Bühne der Musikwelt. In kurzem Abstand veröffentlicht sie zwei Alben; 2003 zuerst das lediglich aus Coverversionen (darunter nebst vielen Soul-Klassikern auch “Fell In Love With A Boy/Girl” von den White Stripes) bestehende “The Soul Sessions”, nur ein Jahr später das immens erfolgreiche “Mind, Body And Soul”.

Auf die Erfrischung folgt die Erschöpfung – Joss Stone reiste rastlos, fühlt sich kreativ unterfordert und bekommt Probleme mit den Stimmbändern.
Sie zieht sich zurück, verändert ihr persönliches und professionelles Umfeld – und veröffentlicht kurz vor Beginn ihres dritten Lebensjahrzehnts (am 11. April wird sie 20) ihr drittes Album, “Introducing Joss Stone”. Der Titel suggeriert einen Neuanfang – und die Vermutung stimmt, wie Stone im Interview beinahe ohne Punkt, Komma und Atempause zum Ausdruck bringt.

Joss Stone: Wie kann ich den Albumtitel am besten erklären, hm… Versetzt euch in die Lage meiner Produzenten, der Leute, mit denen ich zusammenarbeite, seit ich 14 bin. Dann stellt euch vor, ich als 14jähriges Mädchen gehe zu denen, und sage: “So will ich meine Platte haben. Ich will, dass die Beats so und so klingen, folgende Streicher-Arrangements will ich, dazu meine eigenen Texte – ach ja, und ich will, dass dieser oder jener das Album produziert.” Die hätten mir nicht zugehört, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und das zurecht: Ich hatte ja noch nicht eine einzige Platte verkauft. Also nahm ich diese zwei Alben auf, die nach den Ideen anderer Leute gestaltet waren – gut für sie, etwas ärgerlich für mich. Aber ich sang und hatte viel Spaß. Es gab jedoch immer wieder Lieder, die ich nicht singen wollte, weil ich sie nicht fühlen konnte. Und ich war zu sehr Feigling, um mich dagegen zu stemmen. Bis jetzt! Denn ich sagte zu meinen bisherigen Mentoren: “Ich liebe euch und alles – aber worum es im Leben gehen sollte, ist doch dies: glücklich zu sein! Und das ist es, was ich tun will! Wenn mich also dieser Job nicht mehr glücklich macht, dann werde ich aufhören, so einfach ist das!” Denn ich war unglücklich, müde, hatte Knoten auf den Stimmbändern und sah meine Freunde nie, weil ich nie zu Hause war – all das hätte ich liebend gern in Kauf genommen, wenn ich dafür die Musik hätte singen können, die mich glücklich macht! Also stellte ich sie vor die Wahl: Entweder sie ließen mich diese Platte so machen, wie ich wollte – oder ich wäre weg gewesen. Sie ließen mich, die Platte ist, wie ich sie wollte, wie ich bin – deswegen der Titel! Es ist eine lange Geschichte, ich könnte stundenlang weiter erzählen…

Auf dem Album lässt Du gleich zu Beginn allerdings jemand anders sprechen…

Vinnie! (Vinnie Jones, Ex-Fußballspieler, jetzt Schauspieler, u.a. “Bube, Dame, König, Gras”) Ich liebe ihn, und vor allem seinen Akzent! Er redet genau wie mein Bruder, ich hingegen hasse meine Sprechstimme – dieses Mischmasch verschiedener Einflüsse. Da ist etwas von meinem Devonshire-Heimatakzent, aber auch viel amerikanischer Kram, Cockney und Posh-English und noch einiges mehr… Bei dem Text, den Vinnie als Intro spricht, wollte ich klarstellen, dass ich keine Angst vor Veränderung habe – und finde, dass niemand sich davor fürchten sollte, in keinem Bereich des Lebens! Nicht nur in der Musik, auch in Mode, Wissenschaft und so weiter, ist doch Veränderung das, was das Leben interessant macht!

Vinnie Jones ist nicht der einzige Gast auf dem Album. Lauryn Hill zum Beispiel ist ebenfalls dabei. Wobei Du sie auf etwas ungewöhnliche Art und Weise für die Mitarbeit gewonnen hast…

Ja, ich habe ihre Mutter zwei Monate lang jeden Tag angerufen – die arme Frau, Gott segne ihre kleinen Baumwollsocken! Sie tat mir leid, aber ich ließ mich durch nichts aufhalten! Mein Bauch sagte mir, Lauryn Hill würde auf meinem Album mitmachen – und jeder sonst entgegnete, dass das auf keinen Fall passieren würde… Aber ich wollte wenigstens eine Antwort – und sei es ein “Nein” – von ihr haben. Zumindest versucht wollte ich es haben, sonst wäre ich ein Versager. Raphael (Saadiq, Produzent) war der erste, der nach einer Weile des Zweifels, einer Weile des starken Zweifels, einen Anflug von Vertrauen in diese Idee zeigte. Deshalb liebe ich ihn, deshalb war er der richtige für dieses Album. Und deshalb ist dieses Album so wichtig für mich. Die Leute werden sagen: “Oh, Du hast Dich verändert!” Aber das stimmt nicht! Die kannten mich vorher einfach nicht richtig! Mir kommt es vor, als würde ich dieses Album schon seit fünf Jahren in meinem Kopf hören – und endlich habe ich es geschafft, die Songs dort heraus zu bekommen, so wie ich sie will!

Text: Torsten Hempelt

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(REAL HI)