Die Kaiser Chiefs wollen noch immer “die neue Band” sein und ziehen durch eine Marketing-Innovation viel Aufmerksamkeit auf ihre neue Platte. Was Bassist Simon von solchen Strategien hält, erzählt er uns im Interview.

(Foto: Danny North, Universal Music)

Die Kaiser Chiefs gründeten sich 2003, veröffentlichten ihre erste Platte “Employment” zwei Jahre später und haben seitdem noch drei weitere Alben auf dem Buckel. Bei dem im Juli diesen Jahres erschienenen “The Future Is Medival” hat sich das Quartett aus Leeds eine besondere Strategie einfallen lassen, um nicht nur mit ihrer Musik, sondern eben auch mit innovativem Marketing auf sich aufmerksam zu machen. So konnte sich jeder selbst seine Playlist zusammen stellen. Zehn aus zwanzig Songs konnten ausgewählt werden, das Cover selbst konnte aus bestimmter Grafik-Elemente zusammengebastelt werden. Im Endeffekt hatte man die Möglichkeit, die Platte für schlappe 7,50 Britische Pfund zu erhalten und auch noch seine eigene Version des Albums für je einen Pfund zu verkaufen. Nicht vernachlässigt werden sollte jedoch die damit geschaffene Überschattung der Musik an sich. Oder ist das vielleicht sogar ein Mit-Grund für das Marketing-Konzept, um eben nicht nur durch Musik Aufmerksamkeit zu erreichen? Wir haben den Versuch unternommen, Bassist Simon Rix über die neue Platte zu auszufragen.


motor.de: Wir steigen mal mit eurem neuen Album “The Future Is Medieval” ein. Ihr habt das auf eine neue Art und Weise verkauft. Und es war die Idee eures Sängers Ricky, richtig?

Simon: Heutzutage wollen die Menschen Platten so günstig wie möglich kaufen. In Großbritannien kosten Alben in der Woche, in der sie erscheinen, vielleicht drei Pfund. Ricky wollte, dass Plattenkaufen wieder etwas an Wert gewinnt. Er wollte es für die Leute interessant und spannend machen. Es gibt zwar noch tausend andere Gründe, aber der wichtigste für uns war eben auch, dass wir drei stinknormale Platten veröffentlicht haben und nun etwas Neues machen wollten. Etwas, dass wir zuvor noch nicht getan hatten. Wir wollen die Spannung nicht nur gegenüber den Fans halten, sondern auch unter uns.

motor.de: Könnt ihr eigentlich sehen, welche Songs am meisten herunter geladen werden?

Simon: Anfangs ja. Aber dann hat jemand unser System gehackt. Besonders gemocht haben wir das nicht – wir haben das als sehr unhöflich empfunden. Wir haben das ganze System jetzt gesichert, sodass keiner von außen darauf zugreifen kann, deswegen können wir die Zahlen für jeden einzelnen Song leider nicht mehr verfolgen. Vielleicht können wir es dann erfahren, wenn wir am Ende die Maschine abschalten.

motor.de: Also habt ihr nicht wirklich einen Einblick diesbezüglich.

Simon: Ich sollte mich wirklich mal genauer damit beschäftigen. Es ist auch nicht wirklich ein Format, in dem es um Singles geht, daher ist es ohnehin schwierig, etwas über einzelne Songs zu sagen. Es war eigentlich echt toll, so viel Aufmerksamkeit für diese neue Verkaufsstrategie zu bekommen. Aber sie hat eben auch Nachteile. “Problem Solved” wurde beispielsweise als einer der meisten Songs heruntergeladen, die Sache ist eben die: Man hat nur 30 Sekunden Zeit, sich in einen Song reinzuhören, dementsprechend werden auch eher die schnelleren, rockigeren Nummern gewählt, die einen noch eher fangen als jene Tracks, die ein paar mal mehr angehört werden müssen, um zu gefallen.

motor.de: Passiert es denn, dass ein Publikum mit einem Song manchmal nicht so viel anfangen kann? Nach was sucht ihr denn die Tracks aus, die ihr dann bei Konzerten spielt?

Simon: Es gab tatsächlich Leute, die sich die Platte zwei mal herunter geladen haben, um auch alle 20 Songs abzudecken. Trotz der vielen Downloads kaufen die meisten Fans unser Album noch immer im Laden, deshalb wählen wir für unsere Setlist mal hier und da andere, aber meistens eben die Tracks, die auf der Platte sind.


Kaiser Chiefs Sänger Ricky Wilson (Foto: Elli Eberhardt)

motor.de: Ich nehme an, “The Future Is Medieval” ist nicht wirklich ein Konzeptalbum, da man aufgrund des Verkaufsformats keine Geschichte durch die Songs spinnen kann.

Simon: Ein wirkliches Konzeptalbum ist es in der Tat nicht. Das einzige Konzept war eben die Art, wie wir es verkaufen wollten. Obwohl sich einige Titel dennoch inhaltlich ähneln – es geht oft um das Leben in der Stadt und in urbanen Zonen. Ein paar Songs sind auch trauriger, wegen Nicks Vater [Anm.d.Red.: Nick Hodgson, Drummer der Kaiser Chiefs. Sein Vater leidet unter Demenz.]. Es gibt also schon so etwas wie zentrale Themen, aber das war nicht als äußerer Rahmen oder als Konzept angedacht.

motor.de: Sind die Kaiser Chiefs denn noch eine Singles-Band oder mittlerweile eher eine, bei der Alben im Ganzen besser wirken?

Simon: Ich persönlich finde unsere Alben im Ganzen gut, vor allem unser erstes. Das Problem ist, dass insbesondere unsere zweite Platte “Yours Truly, Angry Mob” von der Single “Ruby” überschattet wurde. Es war der erste Song auf dem Album und dann hat es kaum einer bis zum Ende durchgehört. Das ist sehr schade.

Kaiser Chiefs – Ruby


motor.de:  Könntet ihr euch denn auch vorstellen, einmal ein Konzeptalbum zu schreiben?

Simon: Ja und nein. Die Songs, die wir schreiben, sind abwechslungsreich – mal schnell, mal langsam, mal akustisch. Sie haben nicht alle einen einheitlichen Klang. Man könnte sich das aber schon mal überlegen und das so lange durchziehen, bis es uns langweilt. Wahrscheinlich wird das nur zwei Songs dauern.

motor.de: Meinst du, dass man nach einigen Alben als Musiker ermüdet vom Touren und Songs schreiben und allem, was eben in einer Band dazugehört?

Simon: Ich meine nicht, dass die Bands selbst das so empfinden.

motor.de: Es gab aber schon etliche Musiker, die dem Druck nicht standhalten konnten und dem Tourleben müde geworden sind. Hältst du das wirklich für ausgeschlossen?

Simon: Ich denke, dass es eine großartige Sache ist, in einer Band zu spielen. Es ist aber eben auch Arbeit, vielleicht erschöpft die harte Arbeit einige Musiker. Vielleicht weil es nicht ganz so ist, wie sie es sich vorgestellt haben. Das einzige, was ich mir vorstellen könnte… Jede Woche erscheinen neue Alben. Wir haben zwar damals auch davon profitiert, aber jeder schaut immer auf die neuen Bands. Welche der nächste coole Act wird. Dann kauft man eben das erste Album und das war’s dann, also der Verkauf von den Platten nimmt immer weiter ab. Das ist auch der Grund, warum wir mit “The Future Is Medival” etwas Neues versucht haben. Um den Leuten zu zeigen, dass wir noch immer innovativ und interessant sind.

Kaiser Chiefs – Kinda Girl You Are

motor.de: Ricky hat vor Kurzem gesagt, dass er sich um die Zukunft von Gitarren-Bands sorgt. Inwiefern ist er darum besorgt?

Simon: Das Problem ist, dass Bands auch von dem Geld leben müssen, wenn sie tagtäglich musizieren. Das ist nicht immer leicht, vor allem zu Beginn. Du brauchst Unterstützung, um Konzerte geben zu können, vor allem finanzielle. Normalerweise übernimmt das deine Plattenfirma, aber wenn du keine hast, ist es schwierig. Außerdem geben Menschen immer weniger Geld für Musik aus. Ricky meint aber, dass irgendwo fünf Jungs in einer Garage sitzen und die nächste große Band werden. So entsteht eben Punkrock. Auch damals, als man sich bei Pearl Jam, Nirvana und so weiter fragte, warum eigentlich amerikanische Bands den Markt bestimmen, waren da auch plötzlich Oasis.

motor.de: Apropos Oasis: Die waren ja angeblich eine große Inspiration für eure Musik. Was hältst du denn von dem Streit der beiden Gallagher-Brüder, der quer über die Medien und seit neustem auch über Anwälte ausgetragen wird?

Simon: Mal abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher bin, ob die beiden das nur tun, um sich im Gespräch zu halten, haben sie doch schon immer gestritten. Das war schon zu den Anfängen von Oasis so. Wahrscheinlich muss das so sein, wenn zwei Brüder in einer Band sind. Ich finde das allerdings trotzdem sehr schade, dass die beiden nicht miteinander auskommen. Trotzdem waren Oasis in der Tat immer ein großer Einfluss und natürlich auch Quelle der Inspiration für die Kaiser Chiefs. Auch sie waren mal klein und haben sich dann in Stadien gekämpft.

motor.de: Seht ihr euch denn in etwa fünf Jahren auch noch im Kampf darum, in großen Hallen spielen zu können?

Simon: Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe natürlich, dass wir noch weitere fünf Jahre zusammen Musik machen. Es ist freilich etwas verrückt, sich selbst die Zukunft vorauszusagen. Aber wir haben in den letzten Jahren Musik gemacht, von daher kann ich mir gut vorstellen, dass wir das leicht für die nächsten Jahre könnten – ein paar weitere tolle Alben und Songs schreiben. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass wir ganz woanders landen könnten. Vielleicht lande ich auch mal in einer anderen Band… Wir würden natürlich ausschließlich Gitarren-Musik machen (lacht).

Elli Eberhardt