Ob Turbostaat, Muff Potter oder eben Trend, die Schöpfer der Motor FM-Hymne “Wir Haben Einen Auftrag” – im deutschen Punk-Under/Overground rumort es derzeit ganz gewaltig! Was diese neue deutschsprachige Generation Punkrock von den Urvätern wie Slime unterscheidet, ist eine weitaus größere musikalische Variabilität und ein, ähem, etwas tiefgründigeres Textverständnis. Auch bei den drei Pfälzern und dem einen Rheinländer von Trend geht es um weit mehr als nur “Bullen Sind Schweine”. Mit ihren in agressiv beißende Post-Hardcore-Riffs gegossenen sloganhaften Sarkasmen zeigen sie wie frisch und aufrüttelnd Punk auch über drei Dekaden nach den Sex Pistols noch zu klingen vermag. Und so hat Stefan Freisberg nun vermutlich bald ein Problem.

Der findet es nämlich “schon erstaunlich, was für Leute sich mittlerweile für mein Gejaule interessieren”. Und so ganz wohl ist dem Mann, der lieber Frontmann als Sänger genannt werden will (“weil Sänger hieße, dass ich singen kann – was nicht der Fall ist”) bei der ganzen Sache nicht, widerspräche doch ein größerer Erfolg seinem zunächst vielleicht etwas antiquiert erscheinenden Punkrock-Verständnis: “Ob Trend zum Trend werden sollten?”, räsoniert er über die nahe liegende Frage. “Ich glaube nicht. Wir fühlen uns eigentlich ganz wohl in der Nische. Man hat einen gewissen Anspruch an Exklusivität. Ich denke nicht, dass es toll ist, wenn man vor 10.000 Leuten spielt wenn man genau weiß, dass man mit einem Großteil dieser Leute gar nichts zu tun haben möchte.” Grundsätzlich sei bei Boris (Bass, Gesang), Peter (Gitarre, Gesang), Stolle (Schlagzeug) und dem im Kreis der Band nur Fezer genannten Freisberg selbst zwar “jeder eingeladen”. Aber wenn zum Beispiel “so Beamtentypen” oder “Lehrer von früher” kommen, wäre das dem selbsternannten “Landei” aus der Nähe von Koblenz “nicht so Recht”.

Und damit das gar nicht erst passiert, haben sie jetzt vorgebaut. ‘Bereit’, der Opener des aktuellen Trend-Albums ‘Navigator’ ist mit vor Hohn strotzenden Textzeilen wie “ich bin bereit, hab aber heute keine Zeit, ich bin bereit zum Selbstmordattentat” nun wirklich nicht geeignet Verwaltungsangestellte für den Sound des Vierers zu begeistern. Doch auch für alle “die uns schon in den Hitparaden gesehen haben”, gibt es mit dem an US-Hardcore-Acts aus dem Dischord-Umfeld geschulten Werk erstmal einen “vor den Bug“: “Die neue Platte ist krass produziert und verschließt sich allgemeinen Hörgewohnheiten. Wir wollten Tabula Rasa machen. Was das Textliche betrifft, bin ich zwar schon daran interessiert, Hintergründe auszuleuchten, da auch mir nicht alles passt. Auf der anderen Seite bin ich aber immer noch viel zu sehr Punker, um das bierernst und politisch korrekt zu handhaben”, bekennt der bekennende Fußball-Nerd und im Zivilberuf als Sportjournalist Tätige.

So macht dann auch ein Reizwort wie ‘Selbstmordattentat’ im musikalischen Kosmos von Trend durchaus Sinn: “Den Punker sieht man mir zwar äußerlich nicht an – ich trage keinen Nietengürtel, haben keine gefärbten Haare – aber plumpe Provokation muss sein, daran hab ich Spaß, Musik soll anecken, reiben, die Leute aufhorchen lassen.” Mit einem Satz: Bei Trend wird ein Wort großgeschrieben, das im Punkrock zwar Tradition hat, in dessen heutiger oft konformistisch und spießig Form aber nur noch selten Anwendung findet: Verweigerung. Das tut einer Szene gut, die Punk oft nur noch als Musikstil interpretiert, nicht aber als Lebensphilosophie. Wenn das altmodisch sein soll, bitte schön! Aber ehrlich und wichtig ist es in jedem Fall.

Text: Torsten Groß