Nach Trennung von Label und ihrem Freund schien es für Kate Nash an der Zeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. An erster Stelle stand die kreative Therapie.

(Foto: Bastian Fischer)

Seit Beginn ihrer Karriere musste Kate Nash lernen, dass man sich durchsetzen muss, egal was die Kritiker sagen. Das tat sie, stand zu sich selbst und hatte damit Erfolg. „Foundations“ wurde vor 5 Jahren entgegen der Erwartungen gleich ein Riesen-Hit, sodass man auch hierzulande so beeidruckt war und sich mit einer deutschen Möchtegern-Kopie glatt daran machte den Eurovision Song Contest zu gewinnen.

Kate Nash belies es nicht dabei und ging mit ihrem zweiten Album „My Best Friend Is You“ andere wege. Der girly Pop wurde rockiger und agressiver. Damit konnte das Publikum nur bedingt umgehen. Die großen Verkaufszahlen fielen aus und so lies Fiction Records sie letztes Jahr fallen. Als wär das nicht genug, ließ sie nach fünfjähriger Bezihung auch noch ihr Freund Ryan Jarman (The Cribs) sitzen – angeblich wegen psychischer Probleme. Lies sich Nash davon unterkriegen? Mit nichten. Selbsttherapie stand auf der Tagesordnung: Tapetenwechsel, Back to the Roots und den ganzen angestauten Müll rauslassen:

And I haven’t got a home / At least I thought I had Friend
Turns out I was just a joke / I’m holding on to what I’ve got
I’m trying to get just what I want / I’ll pick the pieces up tomorrow“ (Lyrics, 3AM)

Kurzerhand gründete sie ihr eigenes Label „Have 10p Records“ und produzierte die neue Scheibe in Eigenregie. Selbst ist die Frau! Und Girl Talk ist alles, nur nicht der selbe, alte Mist. Kate Nash hat erfolgreich das Image des One-Hit-Wonders abgelegt. Feministischer Punk steht jetzt auf der Tagesordnung. Sie versucht nicht dem alten Erfolg hinterherzurennen, sondern macht worauf sie Bock hat und ob das anderen gefällt, ist ihr erstmal egal. Motor.de hat sich mit ihr unterhalten:

motor.de: Dein drittes Album kommt jetzt raus und für mich klingt es nach großen Veränderungen, weil du eigentlich eher mit British Pop wie Adele oder Amy Winehouse in Verbindung gebracht wirst und jetzt brichst du davon frei.

Kate Nash: Die Songs auf „Girl Talk“ waren für mich eine emotionale Reinigung. Es fühlte sich an wie etwas, dass ich tun musste in Anbetracht dessen was ich in der Zeit durchgemacht hab. Ich bin durch eine ziemlich beschissene Zeit durch und hatte das Bedürfnis das rauszulassen. Ich hab früher mal für 2 Jahre Bass in einer Punk-Band gespielt und ich mochte diese Art des Songwritings und so hab ich das auf meine eigene Arbeit übertragen. Und das kam dann hier zusammen.

motor.de: Viele Leute mögen es ja nicht, wenn sich der Stil des Künstlers ändert, sondern wollen, dass er der Selbe bleibt, den sie kennen.

Kate Nash: Also ich denke „Made of Bricks“ und „My Best Friend Is You“ sind Alben die für immer existieren und ich nehm das ja niemandem weg. Aber es ist natürlich für Menschen zu wachsen und sich zu verändern. Es wäre eher seltsam wenn ich es nicht täte und in irgendeinem Zeit-Loop hängen und den selben Kram immer und immer wieder machen und die Leute dann damit langweilen würde.
Klar ist damit auch Imagewechsel verbunden. Ich habe einige Songs von meinem ersten Album mit 16 geschrieben und jetzt bin ich 25 – da ist es doch offensichtlich, dass man sich ändert. Ich hab viel gelernt; bin durch eine Reihe von Sachen durch – besonders im letzten Jahr. Und da willst du dich auch ändern, gerade wenn du Dinge über das Leben auf einem unschönen Weg lernst. Du brauchst eine neue Identität, weil du ein anderer Mensch geworden bist.
Es ist mir eigentlich egal, wenn dann Leute mit Veränderungen nicht umgehen können. Dann können sie sich immernoch die alten Alben anhören und brauchen die neuen nicht beachten.

motor.de: Das kling als wäre „Girl Talk“ eine klare Ansage?

Kate Nash: Ja ist es: Sei, was auch immer du sein willst und mach was auch immer du machen willst, solange du damit niemandem weh tust! – Ich denke es liegt so viel Druck auf den Leuten, wie sie auszusehen, zu klingen oder leben haben und das ist kompletter Bullshit. Man sollte immer gegen diese Regeln, die einem da aufgerückt werden rebellieren und aufhören zu versuchen sich in diese Celebrity-Kultur einzukaufen. Ich hab das aus erster Hand miterlebt und ich halte es für absolut langweiligen, übertriebenen Müll. Es hat einen negativen Effekt auf junge Menschen und die Art, wie sie über sich, ihre Körper und ihr Aussehen denken und fühlen.

motor.de: Hat das auch was damit zu tun, dass du dein Album in L.A. aufgenommen hast, einer Stadt, die für das Übertriebene und die Who-is-Who geradezu steht?

Kate Nash: Nun das Ding ist, dass ich L.A. sehr leibe, aber ich habe es früher auch gehasst, was daran lag, dass ich immer nur diese eine Seite gesehen hab, die du meinst. Ich war da immer nur in Hotelzimmern, Hollywood und irgendwelchen Konzertsälen und dachte mir am Ende des Tages, dass jeder dort ein absoluter Freak ist. Und plötzlich wurde ich von einer Schauspielmanagerin angesprochen und sie als einen großartigen Menschen kennenglernt. Ich verbrachte einige Zeit mit ihr und ihrere Familie in Echo Park. Dann hatte sie einen Autounfall und lag im Krankenhaus. Ihre Assistentin rief an und fragte mich, ob ich bei ihr wohnen wolle. Und so hingen ich viel mit ihr, ihren Freunden und deren Band rum und hatte plötzlich eine ganz andere Sicht auf L.A., weil ich auf einmal Freunde dort hatte. Als ich dann für die Aufnahmen wieder da war, hab ich einer riesigen alten Villa gewohnt. Zuvor hatte ich eine richtig beschissene Zeit durchgemacht und da war es so heilend den ganzen Tag in der Sonne mit netten Leuten zu sein und das Album in diesem alten Gebäude aufzunehmen. Das war eine der besten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Ich verstehe den Hass vieler Leute auf L.A., aber es kommt echt drauf an, welche Seite man sieht und ob man coole Leute trifft oder nur Arschlöcher. Hollywood finde ich zum Beispiel immernoch unheimlich.

motor.de: Wie sehr kümmern dich die Reaktionen der Presse oder des Labels in Bezug auf deinen Wandel?

Kate Nash: Nun mein Label hat mich letztes Jahr fallen lassen – das war… interessant. Aber im Nachhinein war das sogar besser für mich, denn jetzt bring ich das Album bei meinem eigenen Label raus und das deckt sich mit der ganzen Fuck-You-Einstellung der Platte. Für mich war das sehr aufbauend, das alles selbst in den Händen zu haben und härter zu arbeiten als je zuvor, aber dann einen noch viel größeren Erfolg in den Händen zu haben.
In Bezug auf die Presse… Ich hab gerade ein Projekt an einer Schule gemacht. Ich wollte junge Mädchen dazu bringen, Songs zu schreiben, enn es gibt wesentlich weniger weibliche Songwriter als männliche. Es war großartig mit Ihnen zu arbeiten, aber es gab eine große Menge an Selbstzweifeln zu überwinden: Sie hassen es, wie sie aussehen und sich geben nur weil die Medien ihnen erzählen, wie sie zu sein haben. Genau das wollte ich überwinden und es hat super funktioniert. Das bestärkt mich noch mehr in meiner Einstellung gegenüber der Presse, einfach zu sagen: Sagt was ihr wollt, ich gebe einen Scheiß darauf, wie ihr über mich denkt!

Interview: Matthias Ziegenhain
Text: Tim Hoppe
Foto: Bastian Fischer