Das Drechseln von Parolen und die Wiederholung von Standpunkten – das gilt es diesmal für Frank Spilker weitestgehend zu vermeiden. Was auf der letzten Platte der Hamburger Band Die Sterne noch spielerisch ausgetestet wurde, findet sich auf “Räuber Und Gedärm” so nicht wieder. Stattdessen lädt es dazu ein, sich mit aufgestütztem Kinn und gekräuselter Stirn im Spiegel zu betrachten. Während unter dem Tisch die Füße wippen.

Bei dieser Band weiß man nie, was einen bei der nächsten Platte erwartet. Und doch fühlt man sich immer gleich wieder zu Hause, hat man sie zum ersten Mal gehört. Die Sterne verweigern sich der Massenpsychose und sind doch die Band, die niemand nicht mag. Mit ihrem achten Studioalbum ‘Räuber Und Gedärm’ spielen uns die Hamburger wieder etwas anderes vor. Und bei ‘Reines Dynamit’ gleich mit Worten, die im deutschen Pop so noch nie gehört wurden:

“Christoph, sag doch mal zehn Lieder mit Dynamit, im Englischen.” Frank Spilker (Gesang und Gitarre) sieht ernst zu Christoph Leich (Schlagzeug) rüber. Der lacht und antwortet: “Na ja, TNT von AC/DC: ‘We’re dynamite/I’m dynamite’, zum Beispiel. Im Grunde genommen ein ganz altes Rock-Bild. Daher kenne ich es jedenfalls. Und noch aus einigen anderen Songs, die mir natürlich jetzt nicht einfallen. Vielleicht gibt es das auch im Chanson?” Jetzt lachen beide. Und Frank Spilker fährt fort: “Also Mr. Zehntausend Volt, dieses Bild gibt es auch noch. Und ich finde, es ist ja ganz ähnlich wie in unserer Single ‘Andererseits’. Da gibt es auch dieses Hin- und Herschwanken, das Sich-nicht-entscheiden-Können, die Frage: ‘Nehme ich Produkt A oder B?’. Es ist eine Selbstbewusstseinskrise, die dort beschrieben wird – und man holt sich da wieder raus mit: Du bist reines Dynamit! Eine ganz wichtige Rolle dabei spielt der Chor, finde ich.” Spilker grinst und schnippt mit den Fingern. Und schon seit Jahren schnippt er so mit einer gewissen tugendhaften Unerbittlichkeit – und seinem kritischen Blick auf die Gesellschaft – die Mädchen und Jungs auf die Tanzflächen der Republik.

Und das ist einzigartig. Funky, schlau und wenig selbstverliebt zu sein. Gerade in einer Zeit, in der das Befindlichkeitsfixierte doch etwas, na ja, ausverkauft wird: “Ach, gab es das nicht schon immer? Grundsätzlich ist es natürlich leichter, Liebeslieder zu verkaufen, und das kannst du auch im Laufe der Musikgeschichte verfolgen. Genau denselben Konflikt kannst du ja schon an der alten und neuen griechischen Komödie festmachen. Zunächst gab es die alte Komödie, die gesellschaftlich geerdet sein sollte. Und später folgte quasi als Gegenbewegung die neue griechische Komödie, die nur persönliche Beziehungen thematisierte. Es ist ein alter Konflikt und eine grundsätzliche Frage von künstlerischem Selbstverständnis.”

Frank Spilker spricht das so, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, sich in Interviews mit Pop-Musikern über genau solche Dinge zu unterhalten. Dann lächelt er, denkt nach und wirkt dabei so unfassbar interessiert an der Welt. Und schon immer spiegelte sich das in den Platten der Band wieder. Wie sie Lyrik und Rhythmus an der Wurzel packen und daran festhalten. In Worten wie diesen: “Die Zeit vergeht während Du anfängst zu verstehen/ Sie passiert nicht irgendwo, sondern auf deiner Haut, in Käfighuhnherzen und wenn du Pech hast unter Schmerzen/ Wer es versteht, dem geht’s meist auch nicht besser/ Die Zeit läuft ab und du bist immer noch irgendein Arschloch oder Besserwisser/ Und egal, wie viele Päpste sterben, es ist noch nicht vollbracht/ Du bist wohl immer noch nicht nah genug am Pol der Macht”.

Text: Rebekka Bongart