Wer Danko Jones nicht kennt, hat definitiv eines der heißesten Turbo-Trios unserer Tage verpennt. Naheliegend also, dass der gute Danko – selbst als somnambules Stehaufmännchen stetig auf (Hoch-)Tour(en) – dem neuen und vierten Album seiner Band den Titel “Sleep Is The Enemy” gegeben hat. Und spätestens mit dieser Platte, deren melodisches Eingängigkeitspotenzial dem schon immer vorhandenen und bewunderten Powerfaktor endlich ebenbürtig ist, penetriert der schallende Adrenalin-Rock Lock- und Weckruf des umtriebigen kanadischen Sängers und Gitarristen, Bandamensgebers, Diskjockeys und Autors nun auch die letzten Schlafmützenohren. Ohne schlechtes Gewissen stehle ich dem Meister dann bei unserem Treffen in einem Berliner Hotelrestaurant auch noch ein paar Augenblicke seiner kostbaren Zeit, die er sich als Gesandter im Dauer-Dienste des Rock’n’Roll selbstverständlich gerne und gesprächsfreudig auch nimmt.
Ihr rockt immer noch verdammt hart, aber gleichzeitig ist euer neues Album ziemlich melodiös und catchy ausgefallen. Ich glaube, man hört darauf mehr unwiderstehliche Hooks als je zuvor. Würdest du dem zustimmen?
Auf jeden Fall. “Born A Lion”, unsere erste richtige Platte, war ja fast eine reine Blues-Rock-Platte, und auf “We Sweat Blood” wollten wir einfach nur richtig heavy sein. Damals hatte ich ganz bewusst die Entscheidung getroffen, nicht ein weiteres Blues-inspiriertes Album zu machen, weil der Nachfolger einer Platte, die bereits schon viele Leute gehört haben, dich als Band wirklich festigt. Und ich wollte nicht, dass wir als Blues-Rock-Band wahrgenommen werden. Im August 2004 hat mich in Holland mal jemand gefragt, wie denn die neue Platte klingen würde. Ich sagte: “Keine Ahnung, sie wird genauso heftig wie die letzte. Nur eingängiger.” Und genau das haben wir jetzt gemacht.
Das aktuelle Plattencover sieht im Vergleich zu “We Sweat Blood” sehr lieblich und unschuldig aus. Habt ihr auch visuell bewusst einen Gegensatz gesucht?
“We Sweat Blood” war so in die Fresse, wir wollten das diesmal etwas zurückhaltender gestalten. Aber niemand hat bis jetzt das Innere gesehen… Wenn das so wird, wie wir es uns vorstellen, dann werden die Fotos im Booklet sehr morbide rüberkommen. Keine Fotos von uns, aber hoffentlich schön krank. Das Ganze sollte eben nicht so direkt sein wie bei der letzten Platte. Obwohl ich das Cover “We Sweat Blood”-Cover sehr mag, hat es wohl viele Leute sofort abgeschreckt, weil sie es für ein Judas Priest-Cover oder sonstwas gehalten haben. Deshalb schalten wir jetzt einen Gang zurück und geben uns ziemlich minimalistisch. Ich wollte, dass es wie eine ‘Impulse!’- (ein ehrwürdiges Jazz-Musik-Label aus den Sechzigern) Platte aussieht, es hat nämlich auch deren Farben: Orange, Weiß und Schwarz.
Machst du dir als Vollblut-Rockmusiker über solch visuelle Variationen eigentlich gerne Gedanken?
Na ja, das Cover ist so was wie das Einpackpapier einer Platte, und das soll natürlich genauso gut aussehen wie die Songs sind, die sich darauf befinden.
Da sieht es in beiden Fällen ja ziemlich gut aus für euch. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass “We Sweat Blood” vielleicht eher so etwas wie die Platte für die Jungs ist, während “Sleep Is The Enemy”…
Jedenfalls nicht die Platte für die Mädels ist. Wir sind ja nicht Bon Jovi geworden. Und es gibt keine Balladen darauf, alles Rocker. Aber wir wollten ja melodischer werden.
Selbst wenn du mal nicht auf der Bühne stehst, scheinst du dich 24 Stunden mit Musik zu umgeben und zu beschäftigen. Beeinflussen dich die Sachen, die du sonst so hörst, beim Songschreiben?
Beim letzten Album habe ich viel Metal gehört, vielleicht war das der Grund, warum ich damals härter werden wollte. Aber es ist ja trotzdem keine Metal-Platte dabei raus gekommen. Vielleicht werde ich unterbewusst von etwas beeinflusst, ja, aber ich habe auch eine genaue Vorstellung von dem, was diese Band ist und wie wir zu klingen haben. Wir werden niemals eine Elektronik-Platte veröffentlichen, auch wenn wir so etwas gerade viel hören würden. Niemals. Wir sind eine Rock-Band, das können wir am Besten und nur das möchte ich spielen: Rock.
Du hast trotzdem ein ziemlich eklektisches privates Hörverhalten, oder?
Ja klar, von Jazz, HipHop über Punk, Metal, Classic-Rock bis hin zu Death-Metal, höre ich alles. Ich liebe Death-Metal. Aber deshalb will ich nicht zwangsläufig auch wie eine Death-Metal-Band klingen.
Würdest du dich selbst immer noch als Fanboy kategorisieren?
Absolut, aber ich gehe nicht mehr zu so vielen Konzerten. Ich spiele ja selbst genug davon. Das ist wie sonntags ins Büro zu gehen. Früher bin ich oft ausgegangen, um Bands auszuchecken, aber das mache ich auch nicht mehr. Da höre ich lieber zuhause die CD. Rock-Clubs sind mir zu laut, verraucht und dann auch noch all diese Besoffenen dort. Das habe ich doch selbst jeden Abend meines Lebens! Wir touren immer, jeder Abend ist Freitagabend für mich. Das verstehen viele nicht, die mich ständig zu irgendwelchen Partys einladen wollen. Ich gehe lieber früh ins Bett, um meine Stimme zu schonen. Dann kommt meist die übliche Nummer: “Ich dachte du wärst ein Rock’n’Roller”, worauf ich den Leuten erstmal eine Standpauke halte. Die waren eben noch nie auf Tour und wissen nicht, dass wenn ich nicht meine acht Stunden Schlaf bekomme, meine Stimme am nächsten Tag total gefickt ist. Wirklich im Arsch. Als Gitarrist oder Drummer kannst du einen draufmachen, aber nicht als Sänger, und vor allem nicht, wenn man so singt wie ich.
Musstest du selbst durch eine harte Schule gehen, um diese Erfahrung zu machen?
Ja, ich habe auch schon Shows völlig angeschlagen gespielt. Das hat zum Glück niemand gemerkt, aber nach der Show bin ich dann von der Bühne und kollabiert. Das war bekloppt, und vor allem auch erschreckend, weil man auf Tour dann Konzerte absagen muss. Zum Glück war ich bislang nur einmal richtig krank und wir mussten drei Shows canceln. Eigentlich hätten es mehr sein müssen, aber darunter waren Konzerte, die seit Monaten ausverkauft waren, und das wollte ich den Leuten einfach nicht antun. Also lag ich so lange und oft wie möglich im Bett, wir haben keinen Soundcheck gemacht, man hat mich in den Club gefahren und ich lag dann dort im Umkleideraum auf der Bank. Als es dann aber “Showtime!” hieß, hieß das auch für mich “yeaaaahh!”, und ich habe alles gegeben – auch wenn ich danach nur noch ganz schnell weg wollte. So läuft das nun mal.
Ich schätze die Bühne ist nach wie vor dein absolutes Zuhause und Lebenselixier?
Manchmal will man nicht auftreten, weil man nicht in der Stimmung ist. Aber sobald man auf der Bühne steht, kickt es dich und du bist voll da. Für diesen Bühnenmoment lebt man ja, genau für diese anderthalb Stunden. Der Rest des Tages, die ganzen übrigen 22 Stunden, verbringt man ja nur mit Warten und Zeit totschlagen. Unser Soundmann bringt immer diesen Witz: “Ich mache den Sound für die Show umsonst, wenn ihr mich für die restliche Zeit bezahlt – für das ganze Rumhängen.” Aber es stimmt. Die ersten zwei, drei Touren ist das noch toll, aber wenn man das über Jahre hinweg macht, ist das einzige, was noch immer wieder aufregend und frisch für einen ist, die Zeit auf der Bühne. Die Leute realisieren das auch, wenn sie uns live sehen. Die wissen dann, dass wir auf der Bühne total aufgehen.
Text: Frank Thießies
No Comment