Schimanski ist Duisburg, Duisburg ist der Pott und der Pott gilt gemeinhin als Schmelztiegel, aber nicht als der Nabel der Welt. Leo Can Dive kommen aus dem Pott und haben das Rock’n’Roll-Rad nicht neu erfunden. Punkt.

So einfach ist das. Angriffsfläche kenntlich gemacht und schon ist die Bahn frei für die schönen Seiten im Hause Leo Can Dive: “Diese ganzen Bilder aus den Schimanskifilmen und der dadurch gelenkte erste Eindruck täuschen, wenn man nur die schäbige Fußgängerzone, diese 99 Cent-Bar ‘Zensi’ am Hauptbahnhof oder Berichte über Mafiamorde sieht”,
erzählt Bassist André. “Duisburg ist dennoch eine wirklich grüne und natürlich auch bodenständige Stadt. Aber wem es hier nicht gefällt, der kann auch gut pendeln.”

Letzteres müssen Matze, Guido, Leo und André seit geraumer Zeit öfter. Vor ein paar Jahren sind sie selbst zum Studieren von Dinslaken aus in das Herz des Ruhrpotts gezogen, heute ziehen sie von einer Supportshow zum nächsten Festival: “Wir haben Shows mit Madsen gespielt, da hatten wir noch keinen Ton veröffentlicht. Diesen Sommer kamen dann die Support-Slots für die Kooks, We Are Scientists oder Louis XIV dazu. Am geilsten war es aber in Karlsruhe und natürlich Duisburg mit The Subways. Was für eine Live-Band!” Getreu dem Motto: Wenn die meisten Bands nicht bis nach Duisburg kommen, kommen wir eben zu denen.

Schuld daran sind letztlich Jochen Narf, mit dem Leo Can Dive in Dortmund vor zwei Jahren ihre EP ‘Gatecrasher’ aufgenommen haben sowie ihr heutiger Manager Oliver Kolb. Durch beide kam der Kontakt zu Virgin und der FKP Scorpio Bookingagentur zustande, die die deutsche Festivallandschaft mit Hurricane, Southside, Highfield u.v.m. maßgeblich mitbestimmt. Ein Schelm, wer bei der Kausalkette ‘Madsen – Major – prominente Shows ohne Ende’ an Pay to Play-Brecheisen-Marketing denkt. “Scorpio hat einfach Bock auf uns”, versichert André, “und Virgin war richtig hinter uns her. Die waren andauernd auf Shows, haben uns Leuten vorgestellt, ohne dass wir irgendetwas unterschrieben hätten und uns das Gefühl gegeben, dass wir dort gut aufgehoben wären. Das sind wir jetzt, und das zählt.”

Das Tempo der Weiterfahrt gibt ab hier das selbstbetitelte Debüt von Leo Can Dive an. Ein Easy Target, von dem Dave Grohl schon 1995 sang, ist es trotz aller Pop-Lastigkeit und Indie-Rock-Referenzen nicht geworden. Dafür sind Songs wie das treibende ‘Gatecrasher’ und ‘Go Ahead’, das “eher sarkastisch” an verflossene Liebschaften angelehnte ‘Emo Girl’ oder das anfangs recht gefällige ‘Amazing’ bei allen Vorwürfen einer gewissen Beliebigkeit letzten Endes schlichtweg: zu eingängige Ohrwürmer, ja.

Leo Can Dive, vier Jungs Mitte 20, die bisher hauptberuflich Studenten waren, sind mit den Foo Fighters aus der Pubertät entwachsen. Manche wollen als Einflüsse gleich Jimmy Eat World raushören, andere lassen die Kuh noch im Dorf. Wenn André, auf Vergleiche angesprochen, gesteht, dass es “bei uns zwei Lager gibt: ein amerikanisches und ein britisches”, so wird sich auch die Wahrnehmung dieses Debüts in zwei Lager aufteilen. Britisch klingt es unterschwellig durch die Bank weg, nicht nur offensichtlich wie bei ‘Just A State Of Mind’ oder der Glum-Rock-Anleihe ‘Maybe Somewhere Else’. Die einen gehen rocken und tanzen, die anderen bleiben misstrauisch in der Ecke stehen. Zucken werden die Armeverschränker früher oder später, Zuhören wird belohnt. Das ist dann der Moment, in dem niemand mehr Leo Can Dives kitzelnde Qualitäten abwinken kann.

Nur Mutti muss das noch jemand stecken. “Natürlich habe ich meiner Mama unser Album geschenkt und ihr das Video zu ‘Amazing’ vorspielen wollen. Leider war sie besorgter darum, ob ich genug Benzin im Tank habe und das Auto noch funktioniert.” Wie Eltern halt sind.

Text: Fabian Soethof

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