Kaum erstmals auf der Bühne und schon über den roten Teppich laufen, auf unzähligen Festivals spielen und alle Zeit der Welt im Studio haben – Leyan sind eine der Newcomer, die wohl alles richtig gemacht haben, oder zumindest vieles.
Die vier Herren aus Berlin haben in den letzten Monaten einiges Aufsehen erregt. Als Band, die mit ihrer Karriere eigentlich noch in den Kinderschuhen steckt, hat dieses Quartett schon jede Menge zu erzählen. Ihr Debüt “Dancing Sculptures” erschien im Juni diesen Jahres und hinter der Fassade des auf den ersten Blick rätselhaft erscheinenden Covers stecken jede Menge Geschichten. Die haben uns interessiert, daher haben wir Christoph, Marc, Damian und Ilir mal mit ein paar Fragen gelöchert, die euch diese Band ein bisschen besser erklären. Mit Zettel und Stift bewaffnet, gaben sie motor.de Auskunft über gelegentliche Vorzüge von Unterhaltungsfernsehen, chinesischen Zeitvertreib und Coldplay, die leider draußen bleiben müssen.
motor.de: Ihr seid gerade wieder in Berlin. Was macht ihr so zu Hause nach dem ganzen Festivalstress? Schon wieder auf die neuen Shows vorbereiten? Dreckige Wäsche waschen?
Leyan: Nachdem wir dieses Jahr auch einige große Festivals wie das Deichbrand gespielt haben, freut man sich natürlich auch wieder zu Hause zu sein. Aber eigentlich gibt es keinen Stillstand. Ausruhen können wir ja schließlich auch noch zu Weihnachten. Im Gegenteil: Durch die doch sehr positive Resonanz auf das Album und die tollen Livekonzerte, sind wir umso motivierter, die Dreckwäsche links liegen zu lassen und lieber gleich weiterzumachen. Wir haben uns jetzt in den Proberaum eingesperrt und bereiten die nächsten Shows vor. Außerdem ist jetzt schon die Zeit gekommen, um an neuen Songs für das zweite Album zu arbeiten. Es haben sich in den letzten Monaten viele Ideen angesammelt und so probieren wir gerade viel aus und es entsteht doch sehr vielversprechendes neues Material.
motor.de: Wie siehts mit einer eigenen Tour aus?
Leyan: Wir sind gerade fleißig dabei, unsere Dancing Sculptures-Tour 2012 zu planen, die im Februar starten wird. Viele Termine sind schon bestätigt und es kommen jede Woche neue hinzu. Insofern liegen also spannende Monate sowohl hinter als auch vor uns.
motor.de: Apropos “Dancing Sculptures” – im Juni erschien euer Debüt über Noizgate Records. Lasst uns mal an eurer Freude teilhaben. Was bedeutet für euch der Release?
Leyan: Obwohl wir bereits vorher zwei EPs in Eigenregie herausbrachten, ist das erste offizielle Album natürlich etwas wirklich Bedeutsames. Wir haben uns deshalb gemeinsam mit unserem Produzenten Jürgen Ecke recht viel Zeit gelassen, da wir nichts Halbes abliefern wollten. Es sollte kein Album werden, bei dem man beim Hören nur eine Ahnung davon kriegt, wohin die Reise gehen könnte. Es sollte eine klare und deutliche Ansage sein – genau das widerspiegeln, was Leyan ausmacht. Wir konnten Vieles austesten, haben ganze Recordings und auch einzelne Songs verworfen, bis endlich alles so war, wie wir es uns vorgestellt haben. Das war sicherlich ein Luxus, den nicht jede Band beim ersten Album hat, für den wir aber sehr dankbar sind und auch glauben, dass man diese Begeisterung und die Liebe zum Detail letztlich hören kann.
Leyan – “Nescience” (Live bei tape.tv) Mehr Videos gibt’s auf tape.tv!
motor.de: Das hat doch bisher schon ganz gut funktioniert. Euer Song “Nescience” hat es sogar ins Fernsehen geschafft und wurde in einem ZDF-Krimi gespielt. Wie passt das zusammen – Rock’n’Roll und Unterhaltungsfernsehen? Habt ihr euch damit wohl gefühlt?
Leyan: Auch wenn man vielleicht denkt, dass Rock’n’Roll und Unterhaltungsfernsehen nicht zusammenpassen, war es in diesem Fall schon eine besondere Sache, da “Nescience” nicht einfach so, wie es meist üblich ist, als Hintergrunduntermalung in den Film eingebaut wurde, sondern in der Filmhandlung eine tragende Rolle spielte. Auch wurden Motive des Songs immer wieder in die eigentliche Filmmusik eingebaut für die unser Produzent verantwortlich war. Man muss natürlich immer von Fall zu Fall entscheiden, wann man einen Song für etwas hergibt und wann nicht. Der Rahmen hat in diesem Falle aber einfach wunderbar gepasst, so dass es eine wirklich schöne Sache geworden ist.
motor.de: Sprechen wir kurz über das Artwork eurer ersten LP. Im Vodergrund des Covers stehen so genannte Tangram-Teile. Was hat es damit auf sich?
Leyan: Das Tangramspiel ist ein zweitausend Jahre altes chinesisches Legespiel und geht auf die Legende zurück, dass ein Mönch damit beauftragt wurde, in die Welt zu reisen, um auf einer Tontafel die Schönheit der Welt festzuhalten. Aber noch bevor er loszog, zerbrach ihm die Tafel in sieben Teile. Die Tafel wieder zusammenzusetzen, gelang ihm nicht, aber dafür entstanden bei dem Versuch unzählige Bilder, Muster und Gestalten. Der Mönch verstand, dass er nicht erst in die Welt reisen muss, sondern die Schönheit und Vielfalt der Welt auch in den sieben Teilen wiederfinden kann.
motor.de: Und wie ist daraus euer Cover entstanden?
Leyan: Das Standardcover “Band langweilt sich an alter Mauer” wollten wir nicht machen, daher sollte es etwas grafisches sein. Uns ist dann das Tangramspiel eingefallen, was uns die Möglichkeit gab, rein grafisch zu bleiben, aber gleichzeitig dem ganzen einen Inhalt, eine Bedeutung zu geben – nicht nur eine dekorative Tapete. Die Vorstellung, dass sich aus vielen Einzelteilen ein großes Ganzes zusammensetzt, hat uns fasziniert und wir haben uns darin, in allem was wir mit Leyan machen, wiedergefunden. Tangram ist einfach für uns die Versinnbildlichung unseres bisherigen Weges. Und auch inhaltlich spannen die Texte ja einen weiten Bogen, auch da geht es um das Suchen und Finden, um das Zerfallen und wieder neu bauen.
motor.de: Ihr bezeichnet euren Sound als “MadPop”. Wenn ihr eure Musik in fünf Wörtern beschreiben müsstet, welche wären das?
Leyan: Energetisch, eigenständig, mitreißend, überraschend, eingängig.
motor.de: Wo liegt die Wurzel “allen Übels” oder besser gefragt: Was war die erste Platte, die euch wirklich beeindruckt hat?
Christoph: Natürlich bin auch ich bandtechnisch mit den Klassikern groß geworden, allen voran den The Beatles. Aber ein Schock im positiven Sinne war der Song “Fake Plastic Trees” von Radiohead. Da taten sich ganz neue Welten auf, was sich dann auch in den Alben fortgesetzt hat. Mit fast jedem Song.
Ilir: Ich habe immer den Drummer Roger Taylor von Queen bewundert. Ich finde sein unglaublich musikalisches Spiel bis heute großartig und habe dahingehend viel von ihm lernen können. Auch Darren King von Mutemath hat mich mit seiner kraftvollen und einzigartigen Spielweise stark inspiriert.
Marc: Ich muss gestehen, auch wenn es völlig uncool sein mag, mich haben anfangs vor allem die Gitarrenhelden beeindruckt – von Van Halen und Steve Vai, über Stevie Ray Vaughn zu Metheny und Scofield.
motor.de: Ihr wart Sieger des “Köstritzer Echolot 2010” und durftet als erste Band überhaupt auf der ECHO-Aftershow Party auftreten. Die besten und schlimmsten Erinnerungen an diesen großen Abend sind welche?
Leyan: Als erste Band überhaupt auf der ECHO- Aftershowparty zu spielen, war natürlich eine Riesensache für uns. Gerade als Newcomerband hatten wir damit einfach die einmalige Chance, mit einem Mal ein Zeichen vor der versammelten Medienbranche abzugeben. Das war aber auch genau das Spannende, da sich das Branchenpublikum, das sich generell oftmals sehr abgeklärt gibt, natürlich nach vier Stunden Verleihung erst einmal auf das Buffet stürzt. Uns ist es aber zum Glück gelungen, die Leute wach zu halten und zum Zuhören zu bewegen.
Das Schlimmste für uns persönlich war sicherlich der Gang ganz zum Anfang über den roten Teppich. Nicht nur, dass wir das so nicht kennen und es ohnehin eine schon sehr komische Situation ist, noch schlimmer: uns kannte zu dem Zeitpunkt auch keiner, sodass dich plötzlich 100 Fotografen und Presseleute anschauen und sich fragen, wer Du bist und was zum Teufel Du hier eigentlich machst (lachen).
Leyan – “Promises”
motor.de: Diesen Sommer wart ihr bereits auf vielen Festivals am Start. Für nächstes Jahr dürft ihr euch ein Festival aussuchen, auf dem ihr spielt – auf welches würde die Wahl fallen?
Leyan: Ganz oben steht in Deutschland mit Sicherheit Rock am Ring, aber zum Teil haben gerade die kleineren Festivals das coolere Line-Up und wahrscheinlich würden wir es eher davon abhängig machen. Aber falls Herr Lieberberg anrufen lässt, sagen wir natürlich nicht nein. Ansonsten hätten wir natürlich auch nichts gegen ein Festival im Ausland. Das Glastonbury in England wäre beispielsweise eine feine Sache.
motor.de: Abschließend: Wenn ihr selbst ein Festival auf die Beine stellen müsstet, wen würdet ihr einladen und wer wäre definitiv nicht dabei?
Leyan: Wenn wir aus dem Vollen schöpfen können, dann dürften Mutemath, Pink Floyd, Tool und Bodi Bill nicht fehlen. Und da wir die Kohle haben, wären auch Radiohead, TV On The Radio und The National dabei. Und Rihanna für die Optik. Wenn er noch leben würde, dann dürfte auch das Esbjörn Svensson Trio nicht fehlen. Coldplay dürfen nach 2003 nur noch in den Zuschauerraum, aber nicht auf die Bühne (lachen). Und wenn das Budget dann noch reicht, sind wir auch mit von der Partie…
motor.de: Berühmte letzte Worte?
Leyan: Ein Zitat von Ozzy himself: “Sie sagten, ich würde dieses Buch nie schreiben. Zum Teufel mit ihnen. Hier ist es. Jetzt muss ich es nur noch schaffen, mich an irgendetwas zu erinnern.”
Interview: Carolin Hundt
No Comment