Bereits früh hat Steven Patrick Morrissey für sich erkannt, dass Glück ein dem Menschen verwehrter Zustand ist. Zufriedenheit, das höchste der Gefühle, verspürt er dieser Tage dennoch. Nach der einjährigen Produktion seines neuen Albums in Rom hagelt es für ‘Ringleader Of The Tormentors’ Begeisterungsstürme, und auch privat scheint La Dolce Vita Einfluss zu nehmen.
Die britische Band The Smiths feiert in den Achtzigern fünf Jahre lang immense Erfolge. Zwischen 1983 und 1987 veröffentlicht die Gruppe um die beiden eigentlichen Köpfe Johnny Marr (Musik/Gitarre) und Morrissey (Text/Gesang) 16 Singles und sieben Alben (davon enthalten allerdings nur vier komplett neue Songs, der Rest arbeitet mit Wiederveröffentlichungen, B-Seiten oder Live-Material). Neben The Cure und New Order werden sie zu den erfolgreichsten Inselexporten ihrer Zeit. 1987 erreichen The Smiths ihren Zenit, ‘Strangeways Here We Come’ (1987) wird neben ‘The Queen Is Dead’ (1986) eine ihrer besten Platten und das letzte reguläre Werk. Im September desselben Jahres führen musikalische Unstimmigkeiten zwischen Marr und Morrissey sowie Andy Rourke’s (Bass) Heroinabhängigkeit zum offizielle Aus. Alle vier Mitglieder verfolgen von nun an ihre eigenen Interessen, mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Dieser Tage erscheint Morrisseys achter Solo-Streich. ‘Ringleader Of The Tormentors’, was soviel heißt wie ‘Anführer der Gepeinigten’ und in Morrisseys Interpretation als ‘Anführer der Gang’ verstanden wird, überrascht Kritiker und Fans zu gleichen Teilen. Nach dem enormen Erfolg von ‘You Are The Quarry’ (2004) war die Frage durchaus berechtigt, ob der Nachfolger dem vorangegangenen Standard das Wasser reichen wird. Im Alleingang überzeugt Mozza vor allem mit ‘Viva Hate’ (1988), ‘Bonadrag’ (1990), ‘Your Arsenal’ (1992), ‘Vauxhall And I’ (1994), doch mit ‘Southpaw Grammer’ (1995) und ‘Maladjusted’ (1997) bewegt er sich eher im enttäuschenden Mittelmaß.
Wer auf eine Fortsetzung des eher leicht zugänglichen ‘You Are The Quarry’ hofft, wird zunächst ernüchtert sein. Erst nach mehrmaligem Abspielen erschließt sich die ganze Schönheit und Raffinesse der neuen Produktion. Mit ein wenig Hilfe von Tony Visconti, der bereits bei David Bowie oder T-Rex erfolgreich am Regler saß, muss sich das Ergebnis keineswegs verstecken. Morrissey greift bei der Themenauswahl wieder tief in sein altbewährtes Sammelsurium aus Tragik und Drama. Angriffspunkte finden sich, wie schon beim Vorgänger, in unterschiedlichen Motiven. In ‘Dear God, Please Help Me’ fragt er den Allmächtigen tatsächlich, ob er/sie/es bereits sexuelle Erfahrungen gemacht hat und bietet ihm, dem Herren der Schöpfer, Hilfe an. Wie freundlich. Weniger “wohlwollend” kritisiert er in ‘I Will See You In Far Off Places’ den Irak-Krieg und somit die Regierungen Bush und Blair. Nicht nur der Öffentlichkeit ist Mozzarella, wie er seit seinem Rom-Aufenthalt unter anderem gerne genannt wird, als großer Kritiker bekannt. Nun bat das FBI und der britische Geheimdienst MI5 zum Interview und Anlass war nicht das neue Album. Laut Il Mozalini sollte festgestellt werden, ob es Grund gibt, den fast 47-jährigen Briten als Gefahr für das System zu erachten. Anscheinend nicht.
Überraschend hoffnungsvoll gibt sich der geborene Pessimist auf einigen seiner neuen Songs. Exemplarisch steht ‘At Last I Am Born’ für eine nur geahnte Veränderung in Morrisseys Leben. Über Privates spricht der Meister nach wie vor nicht gerne. Es würde doch ohnehin niemandem helfen, läge er sein Liebesleben frei, so seine Logik. Und so spekuliert man weiter, wem wohl der Titel ‘To Me You Are A Work Of Art’ gewidmet ist.
Text: Ines Nurkovic
Heimat: morrisseymusic.com
true-to-you.net (Fanzine)
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