In den Neunzigern führten sie den New York-Hardcore auf die nächste Ebene. Jetzt feiern Life Of Agony ihr Zwanzigjähriges Jubiläum.
Über die Sinnfälligkeit von Live-CDs und -DVDs kann man sich sicher streiten. Ist es nötig, sich alle Songs der geliebten Band nochmal in den Schrank zu stellen? Wenn man auf besagtem Konzert war, kann diese Form der Wiederveröffentlichung sicher eine veritable Gedankenstütze sein und wenn nicht, dann doch trotzdem einen guten Eindruck davon vermitteln, wie man sich die Show der Band vorzustellen hat. Wenn man allerdings, wie im Fall der amerikanischen Alternative-Rocker Life Of Agony, den Konzertmitschnitt eines Gigs veröffentlicht, der ohnehin schon nur ein Album wiedergibt, dann ist eine solche Veröffentlichung zumindest fragwürdig. Gerade wenn man, wie die New Yorker, damit Gefahr läuft, durch das neue Album „20 Years Strong – River Runs Red: Live In Brussels“ mehr Live-Platten und Compilations veröffentlicht zu haben, als reguläre Studioalben. Sei’s drum. Wozu eine solche Release zumindest immer einen vortrefflichen Anlass gibt, ist das Schaffen der Künstler noch einmal Revue passieren zu lassen.
Ende der Achtziger Jahre entstanden Life Of Agony inmitten der New York Hardcore-Szene. Als sich der Sound des Genres in den beginnenden Neunziger Jahren verstärkt Einflüsse im Metal holte, trafen die New Yorker mit ihrem Debütalbum „River Runs Red“ exakt den Zeitgeist: Fast erdrückend riesige Gitarrenwände, schwere Schlagzeug-Parts und alles durchdringend die tiefe, tragende Stimme Keith Caputos, die wie keine Zweite die Texte über Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Weltschmerz zu vertonen wusste. Dass es sich gleich beim Erstling um ein Konzeptalbum über die letzten Tage eines Mannes handelte, der am Ende den Freitod als einzigen Ausweg sah, wiegt umso schwerer.
Life Of Agony – “Love To Let You Down”
„River Runs Red“ war nicht nur der Durchbruch für Life Of Agony, sondern ist im allgemeinen Verständnis bis heute das Opus Magnum der Amerikaner. Zwar brachten sie mit „Ugly“ noch einen passablen Nachfolger heraus, spätestens aber „Soul Searching Sun“ wurde in der Öffentlichkeit eher verhalten gesehen. Schon vor der Tour zum dritten Album verabschiedete sich Caputo von seiner Band und brach zu Solopfaden auf. Zwei Jahre später hatten dann auch die restlichen Mitglieder ein Einsehen, ohne ihn nicht mehr funktionsfähig zu sein und lösten die Band, eine Dekade nach ihrer Gründung, auf.
Zwei Konzerte in der Heimat New York waren es, die Life Of Agony – was Caputo vorher kategorisch ausgeschlossen hatte – 2003 erneut zusammenführte. Es dauert auch nicht lang, bis der Geist alter Tage Einzug hielt und sich die vier Musiker im Studio wiederfanden. Mit dem 2005er Werk „Broken Valley“ meldeten sich die Jungs nicht nur furios zurück, sondern manifestierten auch ein für alle Mal ihre Notwendigkeit in der Alternative-Rock-Landschaft. Von den Kritikern viel gescholten, gehört die Platte in ihrer Geradlinigkeit und Energie sicher zu den zwei Stärksten des Quartetts.
Life Of Agony – “Weeds”
Was in den Vereinigten Staaten absolut geläufig ist, dass Künstler bei Konzerten nur ihr größtes Werk in voller Länger performen, wird bei europäischen Musikliebhabern allgemein hin eher mit Skepsis gesehen. Nichtsdestotrotz schaffte es die „River Runs Red Tour 2009″ in die Bundesrepublik und traf auf begeisterte Fans. Daher ergibt sich auch der Name: Zur 2009er Tour befand sich die Band in ihrem (brutto) 20. Jubiläumsjahr.
Müssen sich Anhänger also das neue Live-Album der Band zulegen? Ja, denn neben dem namentlich erwähnten Album sind zusätzlich die Live-Versionen von „Weeds“, „Other Side Of The Story“, „Lost At 22“ und natürlich „Love To Let You Down“ mit an Bord. Des Weiteren wird die Live-DVD von 30-minütigem Bonusmaterial ergänzt. Was ist mit allen anderen? Klares Jein. Die Scheibe gibt einen guten Einblick in das Schaffen der New Yorker und zeigt die Band, auch 20 Jahre nach ihrer Gründung, noch in Top-Form. Die Bild und Tonqualität ist aber nicht herausragend und das Zusatzmaterial rechtfertigt es nicht vollends, sich die selben Songs ein zweites Mal ins Regal zu stellen. Für all jene, die nicht jeden Life Of Agony-Fitzel sammeln, gilt der gutgemeinte Rat: Kopfhörer auf, “River Runs Red” als Original in den Player und der puren NYHC-Geschichte lauschen.
Christoph Berger
VÖ: 23.07.2010
Label: I Scream Records
Tracklist:
01. This Time
02. Underground
03. River Runs Red
04. Through And Through
05. Words And Music
06. Bad Seed
07. My Eyes
08. Respect
09. Method Of Groove
10. The Stain Remains
11. Other Side Of The River
12. Love To Let You Down
13. Weeds
14. Lost At 22
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