14 Monate im Studio? Für eine Band wie Linkin Park ist das lange. Ziemlich lange sogar. Vielleicht wollten die Nu-Metal-Superseller aus L.A. diesmal alles richtig machen. Ein richtiges Studioalbum musste es werden (Das letzte – “Meteora” – erschien bereits 2003). Kein weiteresLive-, Remix- oder Kollabo-Album, das nur altbekannte Songs im altbewährten Sound noch mal aufwärmt, bis sie völlig zerkocht sind…
Das Ergebnis “Minutes To Midnight” liegt jetzt backfrisch in den Regalen. Und es sieht aus, als hätten sich die 14 Monate unter der Regie von Produzentenlegende Rick Rubin tatsächlich gelohnt. Obwohl… Wirklich “revolutionär” wie es der Pressetext suggeriert, ist es eigentlich nicht geworden. Aber immerhin ein deutlicher Schritt weg von ausgelatschten Pfaden. Weniger Raps, weniger Technikgewichse, weniger Wiederholung. Dafür mehr Härte, mehr Melodie, und vor allem: Mehr Abwechslung. Wäre nicht die Stimme von Frontmann Chester Bennington – man könnte meinen, es wäre mehr als eine Band auf dem Album vertreten…
Gitarrist Brad Delson und Rapper/Keyboarder Mike Shinoda sehen darin vor allem eine Leistung Rubins, der es mit mildem Druck geschafft hat, die Band vor völliger Bewegungsstarre zu bewahren.
Brad: “Meteora” war eigentlich mehr eine Weiterführung von “Hybrid Theory”. Wir wollten als Songwriter wachsen. Mit “Minutes To Midnight” wollten wir den totalen Neuanfang wagen. Als wir Rick zum ersten mal trafen, hat er uns regelrecht ermutigt, alle Beschränkungen zu vergessen.
Mike: Früher lief es oft so ab: Wir schreiben elf Songs. Dann merken wir “Der elfte klingt anders als die anderen.” Also werfen wir ihn weg. Oder wir versuchen ihn so zu bürsten, dass er wie die anderen klingt. Retrospektiv war das ein falscher Weg. Auf “MTM” haben wir die Stücke diesmal nicht gleichgeschaltet, damit sie alle zusammenpassen. Denn wir wussten – wenn sie alle für sich selbst funktionieren, dann würden sie auch zusammen funktionieren.”
Schon erstaunlich, dass ihnen das erst jetzt aufgefallen ist. Muss man erst einmal 37 Millionen Platten verkaufen, bevor man sich mal an eine kleine Reform wagt? Shinoda überlegt kurz und kratzt sich dabei seinen asiatisch-spärlichen Dreitagebart.
Mike: Eine Menge Leute haben uns gesagt: “Ändert bloß nicht euren Sound! Ihr macht eine Menge Leute glücklich mit dem, was ihr tut. Es ist sehr lukrativ. Warum also etwas ändern?” Aber unserer Meinung nach hatten wir den alten Sound so weit es ging ausgereizt. Er war einfach durch an diesem Punkt unserer Karriere.
Apropos “Alter Sound”: Es ist schon auffällig, wie sehr “Minutes To Midnight” davon profitiert, dass sich Rapper Shinoda diesmal stark zurücknimmt (Nur noch zwei Rap-Parts!) und Chesters enormer Stimme das Feld überlässt. Kratzt das nicht am Ego, wenn man sieht, dass die Songs besser werden, wenn einer den Mund hält? Mike sieht das gelassen.
Mike: Tatsächlich stammt eine Menge von dem, was Chester singt, eigentlich von mir. Es war etwa vor einem Jahr – da war Chester irgendwie blockiert. Was er auch schrieb – er warf es sofort wieder weg. Irgendwann bekam er einige von meinen Texten zu sehen und meinte sofort: “Das ist es was sagen will! Lass mich das singen!” Er begann sich Ideen von mir zu nehmen und umzusetzen. Irgendwann haben die Jungs angefangen Witze zu reißen, dass ich mich auf diesem Weg langsam selbst aus der Platte herausschreibe. Aber ich wollte es so. Wenn ich versucht habe, etwas drüber zu rappen, klang es meistens unpassend!
Bleibt zum Schluss noch die Frage ob man sich inzwischen wieder mit ‘Warner Music’ vertragen hat. Schließlich hatte Linkin Park 2005 noch Schlagzeilen gemacht mit der Ankündigung, den Vertrag mit dem Medienmulti zu kündigen, weil dieser sich bezüglich Promotion nicht genügend für seinen “Goldesel” ins Zeug legen würde.
Brad: “Wir hatten sehr starke Meinungsverschiedenheiten mit ‘Warner’ zu dieser Zeit. Aber wir waren in der Lage, das Auge in Auge zu klären. Ich muss ihnen auf jeden Fall viel Respekt dafür zollen, dass sie uns soviel Zeit für die Aufnahmen gegeben haben. 14 Monate, Mann! Sie haben uns erlaubt zu experimentieren, und zu keinem Zeitpunkt gesagt: “Ihr müsst jetzt fertig werden!”
“Dabei…”, und da muss er grinsen, “hätten sie allen Grund gehabt, nervös zu werden”.
Text: Matthias Pflügner
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