Es ist noch gar nicht lange her, da saßen ein Herr namens James Walsh und einer, der Ben Byrne gerufen wird, auf der Couch eines Berliner Nobelhotels und erzählten verschiedene Dinge. Lecker Essen gab’s auch, die Sonne schien. Was die Sache aber wirklich interessant macht, ist dass die beiden Mitt- bis Endzwanziger 50% einer britischen Band namens Starsailor darstellen. Diese nun legt mit “On The Outside” dieser Tage ihr drittes Album vor. Uiuiui – das “verflixte Dritte”? Keineswegs – zwischen Omelette und Chicken Wings hatte James Walsh unter anderem eine recht plausible Erklärung parat, warum gerade diese Platte dem Quartett kaum größere Sorgen bereitete…
Wollt ihr lieber erst aufessen?
Ben Byrne: Nee, ich kann essen und reden gleichzeitig!
Okay. Soweit ich weiß, habt ihr die Aufnahmen zum Album bereits im Mai fertiggestellt. Wie waren die letzten Monate für euch?
Ben: Oh, wir mussten die Platte immer und immer wieder hören – irgendwann verliert man völlig den Überblick…
James Walsh: Natürlich gibt es da immer noch Sachen zu tun, Feinheiten im Mix und außerdem haben wir das Video zu “In The Crossfire” gedreht. Hast Du es schon gesehen?
Nein, noch nicht.
James: Es beinhaltet eine Menge zerbrechendes Glas… sehr interessant. Yeah, jedenfalls sind wir seitdem mit der Werbung für das Album beschäftigt, haben das Artwork fertiggestellt – auf dem Cover, das hauptsächlich in leuchtendem Rot gehalten ist, wird ein Tor zu sehen sein…
Von außen, also “the outside”, nehme ich an…
James. Genau.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Alben, die Titel hatten wie “Love Is Here” oder “Silence Is Easy”, klingt “On The Outside” wenn auch nicht negativ, so zumindest doch… traurig?
James: Ich denke eigentlich, draußen, “on the outside” zu sein, hat uns gut getan. Bei den ersten beiden Alben standen wir sehr unter Druck, da wir uns damals gemeinsam mit Bands wie Travis und Coldplay im Zentrum einer Musikszene befanden, die sehr angesagt war. Die Veröffentlichung von “On The Outside” fällt in eine Zeit, in der sich die Aufmerksamkeit etwas von dieser Art Musik abgewandt hat. Jetzt ist es an Franz Ferdinand oder den Kaiser Chiefs, sich zu beweisen und den Erwartungen standzuhalten. Wir genießen es einfach, am Rande zu stehen und unsere Musik zu machen. Wir sind einfach sehr zufrieden mit der Platte und gleichzeitig sind wir uns sicher, dass sie die Leute schocken und überraschen wird! Die Platte ist eben einfach sehr gut, hehe… Die meisten Bands fallen nach den ersten Alben und dem ersten Erfolg erst mal in eine Art Tief – wir sind unserer Sache aber einfach treu geblieben.
Dies ist euer erstes Album, das ihr nicht in England aufgenommen habt – sondern in Los Angeles.
Ben Byrne: Ja, weil dort Rob Schnapf sein Studio hat. Wir fanden die Idee einfach gut, uns von allem Vertrauten erst mal etwas zurückzuziehen. Einfach uns in L.A. ein paar Monate nur auf die Platte zu konzentrieren. Es war eine tolle Zeit! Nur Tee und englische Süßigkeiten mussten wir importieren – oh, und die Fußball-Spiele fehlten uns auch!
Tim Buckley hattet ihr also dabei nicht im Hinterkopf? Schließlich habt ihr nicht nur eure Band nach einem Album von ihm benannt, sondern es gibt auch eine Platte von ihm, die heißt…
Ben: “Greetings From L.A.” – stimmt! Nee, da hatten wir gar nicht dran gedacht. Ist aber cool…
Auf eurer Website war ein wenig Klatsch und Tratsch zu lesen. Wie ihr zum Beispiel beinahe Stevie Wonder begegnet seid, oder wie euch Elijah Wood sein Fan-Sein offenbarte…
Ben: Stimmt, wir haben Elijah Wood getroffen. Das war auf einem Queens Of The Stone Age-Konzert. Ich glaube, Stel [James Stelfox, Bass] stand an der Bar rum und Elijah kam zu ihm und sagte, er sei ein großer Fan… Das war ziemlich cool!
Aber ihr habt keine Ambitionen auf den nächsten “Herr der Ringe”-Soundtrack zu kommen oder sonstwie mit ihm zusammen zu arbeiten?
James: Es wäre schon gut, wenn so was passieren würde… Für mich war das Highlight aber, dass Stevie Wonder im Nachbarstudio aufnahm. Wir haben uns reingeschlichen und zugehört. Seine Stimme ist makellos – nach all den Jahren bringt er’s immer noch…
Aber ihr habt den promischwangeren Standort nicht genutzt, den einen oder anderen Gastmusiker an Land zu ziehen?
James. Nein, tatsächlich haben wir versucht, zu unseren Wurzeln zurückzugehen – uns auf uns vier zu konzentrieren. Nur Rob [Schnapf] hat ein bisschen Gitarre gespielt.
James, du bist vor etwa einem Jahr nach Belfast gezogen. Hat sich das auf Dein Songwriting ausgewirkt oder die Zusammenarbeit der Band verändert?
James: Ich denke schon, denn Belfast ist eine sehr lebendige Stadt, im Umbruch begriffen. Es ist spannend zu sehen, wie es sich nach diesem jahrelangen Konflikt verändert hat. Es gibt aber auch noch einige Engstirnigkeit unter den Menschen, die eine friedliche Lösung ablehnen. Das alles hat definitiv meine Texte beeinflusst.
Der Song “Get Out While You Can” befast sich auch mit diesem Thema, oder?
James: Genau.
Hat sich die räumliche Entfernung vom Rest der Band als Problem herausgestellt?
James: Es ist gar nicht so weit, just across the water…
Ben: Wir kriegen das mit dem Proben noch ganz gut hin. James kommt einfach öfter mal für drei, vier Tage rüber. Dann schauen wir uns ein Fußballspiel an, machen etwas Musik – kein Problem.
James, Du hast gerade die Texte erwähnt, die Du ja auch schreibst. Wann genau zeigst Du sie dem Rest der Band – vor oder nach den Aufnahmen? Haben die anderen Mitspracherecht?
James [lacht]: Eigentlich erst, wenn wir aufnehmen – damit der Techniker weiß, was wann wo gesungen wird. Dann kriegen auch die anderen die Texte zu sehen…
Ben: Wir haben aber eigentlich nie etwas auszusetzen, nur hier und da wird mal ein Wort verändert.
James: Ich habe diesmal auch darauf geachtet, dass alle Texte Bedeutung haben und das Album in sich zusammenhängt, wohingegen das bei den ersten beiden Platten eher zufällig war.
Es scheint, als wären einige der Songs von Politik inspiriert. Daneben gibt es auch Themen wie die Frage der Identität – aber auch Liebeslieder…
James: Immer noch…. [lacht] . Ein wichtiges Thema für mich. Aber ich wollte den inhaltlichen Rahmen erweitern. “In The Crossfire” schrieb ich zum Beispiel, nachdem ich einen Bericht über den Irak-Krieg im Radio hörte, in dem immer wieder Frauen und Kinder schrieen und kreischten. Einige der Songs sind recht heavy, aber es ist ein Album, das “ein bisschen von allem” hat. Da gibt es Balladen und Groove und Rock.
Ein Song ist eher vom Text als von der Musik her “heavy” – “Jeremiah”
James: Auch hier war wieder ein Radiobericht die Inspiration: Es ging um einen Jungen namens Jeremiah Duggan. Dessen Mutter erzählte die Geschichte, wie er vor ein paar Jahren zu einer Kriegsgegner-Konferenz nach Deutschland eingeladen wurde, die sich als antisemitische Veranstaltung entpuppte. Und da er selber Jude war, stand er auf und widersprach – das nächste, was man weiß, ist dass er tot am Rand einer Autobahn gefunden wurde. Er starb unter mysteriösen Umständen und seine Mutter rief im Radio dazu auf, seinen Tod aufzuklären. Die Geschichte faszinierte mich.
Abschließend zu etwas erfreulicherem: James, Du bist kurz vor Beginn der Aufnahmen zu eurem zweiten Album Vater geworden…
James: Ja, meine Tochter heißt Niamh, das ist irisch…
…und nun, bevor ihr dieses Album aufgenommen habt, hat auch euer Bassist James Stelfox ein Kind bekommen…
James: Stimmt. Jetzt brauchen wir jemanden, der vor unserer vierten Platte Nachwuchs kriegt… [schaut Ben an]
Ben: Oh, nein… ich bin noch nicht so weit. Ich denke, Barry [Westhead, Keyboards] könnte der nächste sein…
James: Ja, es scheint eine Menge Liebe in der Luft zu liegen, wenn wir an neuen Songs arbeiten, hehe…
Text & Interview: Torsten Hempelt
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