Nach fünf Jahren stehen Maritime an dem Punkt, an dem es wirklich ernst werden könnte: Den großen Erfolg einheimsen oder grundsolide weitermachen? Ihr neues Album “Heresy And The Hotel Choir” liefert die Antwort auf diese und weitere Fragen.

Davey von Bohlen hat ein Problem. Als Songwriter der College-Rock-Band Maritime trägt er eine große Bürde mit sich herum: “Ich selbst sehe mich nicht in der Rolle des Mittelstaatenpoeten. Allerdings sind unsere Hörer der Meinung, meine Lyrics könnten auch ohne die Songs bestens funktionieren. Finde ich persönlich gar nicht, denn wir sind eine Band, und nur deshalb bin ich überhaupt in der Lage, Texte zu verfassen”, erklärt der Frontmann zurückhaltend.

Diese Bescheidenheit zeichnet nicht nur Davey aus, sondern lässt auch seine Band Maritime so grundsympathisch wirken. Das aus Milwaukee stammende Quartett orientiert sich an den einfachen Dingen, anstatt in Größenwahn zu verfallen. “Seit meiner Geburt lebe ich hier und weiß, dass es keinen Grund gibt überheblich zu werden. Milwaukee ist eine Arbeiterstadt und sehr bodenständig. Wenn ich durch die Straßen gehe, kommt niemand an und klopft mir auf die Schulter – eher denken die Leute: Ey, der macht auch nur seinen Job! Das mag ich wirklich sehr.”

Auf seinen beruflichen Wegen musste Davey von Bohlen allerdings schon so manche Schlappe einstecken. Mit seiner ehemaligen Band The Promise Ring gelang dem smarten US-Amerikaner zwar der nationale Durchbruch, allerdings wollte die Begeisterung nicht auf das europäische Festland überschwappen. Folge: Die Plattenfirma distanzierte sich und neue Songs fanden keine Abnehmer mehr. “Diese Entwicklung hat uns damals sehr traurig gemacht, denn wir haben wirklich gerne mit The Promise Ring Musik aufgenommen. Allerdings zerstört ein solcher Prozess auch alle kreativen Kanäle innerhalb einer Band und deswegen war es dann irgendwann aus.”

Wer brachte in dieser Situation Abhilfe? Niemand geringeres als Tomte-Chef Thess Uhlmann. Sein Label ‘Grand Hotel Van Cleef’ entdeckte Daveys Nachfolgeband Maritime und nahm sie kurzerhand unter Vertrag. “Ich bin den Leuten von der Plattenfirma sehr dankbar für ihre Unterstützung. Sie haben mir und Maritime wirklich aus der Patsche geholfen.” Das 2004 erschienende Debüt “Glass Floor” konnte allerdings noch nicht jeden von der Qualität der Band überzeugen. Vielen war es zu schwer, denn die Songs wirkten durch die Lyrics oft sperrig: “Mit unserem Nachfolgewerk ‘We, The Vehicles’ wussten wir auch endlich, wo Maritime hin möchte und vielleicht haben die Leute das auch gespürt, keine Ahnung! Jedenfalls waren die Reaktionen überwältigend.”

Wie wichtig sind Tomte oder auch Kettcar für Maritime? Sie nahmen euch mit auf Deutschlandtour und sind bei uns wahre Indie-Helden.

Davey von Bohlen: Leider kann ich nicht aus dem Nähkästen plaudern. Nur soviel, ich war bereits mit Pearl Jam auf Tour und die wissen in Vergleich zu Thees wirklich nicht, was es heißt, richtig auf den Putz zu hauen. (überlegt) Bei den Konzerten war das sehr offene Publikum beeindruckend, wir hatten nie das Gefühl eine Vorgruppe zu sein.

Vielleicht dachten die auch: Was macht der Namensvetter von Dieter Bohlen auf einem Tomte-Konzert und waren obendrein überrascht, dass Maritime so gar nicht nach Modern Talking klingen?

Davey von Bohlen: (lacht) Das kann gut sein! Das Witzige ist, trotz des gleichen Familiennamens stehen wir in keinerlei Beziehung zueinander. Ich wusste auch lange Zeit nichts von der Existenz dieses Menschen. Inzwischen habe ich mich informiert: Der moderiert bei euch so eine Sendung wie “American Idol” und seine Haut ist wirklich faszinierend – soviel Sonne kann es in Hamburg doch gar nicht geben!

Nachdem Davey aufgeklärt wird, dass der Dieter inzwischen auf Malle seine Zelte aufgeschlagen hat, nimmt er einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche und kommentiert ausgiebig das neue, dritte Maritime-Werk “Heresy And The Hotel Choir“: “Dieses Album steht in einem gewissen Kontrast zu seinen Vorgängern. Auf der einen Seite sind die einzelnen Tracks immer noch sehr rocklastig, besitzen aber eine gewisse Opulenz. Wir haben diesmal mehr auf den Hintergrund geachtet und keine Angst gehabt die Gitarren mit Streichern zu untermalen. Es ging insgesamt leichter von der Hand, obwohl wir länger im Studio waren, als beim Vorgänger. Dies lag wahrscheinlich daran, dass Maritime inzwischen zu einer echten Band herangewachsen sind.”

Wo du gerade von Entwicklungen sprichst: Viele sehen in euch seit dem letzten Album “We, The Vehicles” einen neuen Stern am Indie-Himmel strahlen!

Davey von Bohlen: Wir schicken die neue Platte nicht mit irgendwelchen Erwartungen ins Rennen. Natürlich wünschen wir uns, dass die Leute sie ähnlich positiv empfangen wie den Vorgänger, ganz klar. Aber jetzt vom großen Durchbruch zu sprechen, empfinde ich persönlich als viel zu hoch gegriffen. So was passt nicht zu Maritime, nicht zu Milwaukee! (lacht)

Text: Marcus Willfroth