(Fotos: Andreas Hornoff)

Die Nerven der Indiepunks von Matula aus Hamburg liegen schon blank, das Album steht kurz vorm Stapellauf ins Meer der Öffentlichkeit und so viel Aufmerksamkeit im Vorfeld gab’s noch nie. Die Vorabsingle „Schwarzweißfotos“ gab bereits den Ton an, der sich durch das gesamte Album ziehen wird. Es wird übrigens „Auf Allen Festen“ heißen und am 21. Februar erscheinen. Im Gespräch mit Sänger Thorben bestätigt sich der angenehm realistische Blick auf die Dinge, seien sie politischer oder musikalischer Natur, den man auch in den Texten rauslesen kann. Dieser Anflug von Nüchternheit vermischt sich „Auf Allen Festen“ wieder mit einem gewissen pathetischen Schwung in Text und Sound zu der gewohnten Matula-Mixtur, die einem eigentlich nur sympathisch sein kann und sich schon seinen verdienten Platz in Punkrockdeutschland erspielt hat. 

 

Ihr habt vor euer neues Album „Auf Allen Festen“ noch eine EP geschoben, die unserer Meinung nach nicht minder großartig ist, als das Album. Nach welchen Kriterien habt ihr da ausgewählt?

Wir wollten 11 Songs auf dem Album haben und wir dachten, dass alles vielleicht zu nah aneinander ist, dass sich vielleicht drei Songs doch ähnlicher sind, als es der Platte gut tut und man größere Abstände schaffen kann. Von der Stimmung her sehe ich die Songs in Blöcken, wir haben uns gedacht, dass es nicht gut wäre, wenn dann ein Block Überhand gewinnt. Die Paraden, den Makler und den „Punker“ nennen wir den, also Der Präsident des Vereins auf der EP, da haben wir gedacht, dass zwei davon reichen würden und so ist das dann auch mit dem anderen gewesen.

 

 

Habt ihr eine gewisse Formel zum Songschreiben, wenn am Ende, wie du sagst,  relativ ähnliche Songs rauskommen? Liegt das sozusagen einfach in den Fingern?

Naja, Popsongs haben ja im Allgemeinen einen relativ ähnlichen Aufbau. Strophe, Bridge Refrain usw. Ich weiß nicht, ob wir da jetzt eine Faustregel haben, wir gucken einfach, was geil kommt und ob der Refrain genug knallt oder ob der noch eine Hinleitung braucht, das ist also eher pragmatisch. Intros haben wir auch gerne!

Wir haben aber dieses Mal im Vergleich zu den alten Alben darauf geachtet, dass alles kompakter ist. Dass man sagt, okay, wir haben jetzt drei geile Sachen drin, da muss man nicht noch fünf weitere bringen, da weiß wieder keiner mehr, was wir wollen.

 

Du hast eingangs erwähnt, dass euch diese Platte organisatorisch mehr einspannt, als die davor. Ich gehe trotzdem davon aus, dass ihr das nebenbei macht, ihr geht sicherlich euren normalen Berufen nach.

Ja, das ist richtig, klar wir verdienen kein Geld damit, aber es ist schon eine Nebensache, die mehr Zeit einfordert, als andere.

 

Was macht ihr denn so neben der Musik? Darf ich das fragen?

Klar, ich find eh Interviews besser, die persönlich werden. Also wir machen folgendes: Unser Schlagzeuger ist bei einer Tischlerei, einem Familienunternehmen. Ich studiere Sonderschullehramt, schreibe gerade meine Masterarbeit und arbeite vier Mal die Woche in einer Schule. Der Guitarrero macht gerade sein Referendariat, ist also auch Lehrer und der Basser arbeitet bei der Telekom und macht so Servicekram. Der Punker in der Familie!

 

Angenommen, die Möglichkeit bestünde, würdet ihr es dann überhaupt cool finden, das „Hobby zum Beruf zu machen“? Würde man sich damit vielleicht die Leidenschaft kaputt machen?

Das ist natürlich eine schwierige Frage, die auch utopisch ist und sich uns nie stellen wird.

 

Jetzt mal Butter bei die Fische: Hättet ihr da Bock drauf?

Nee, wenn man ehrlich ist, hat man das vielleicht vor acht Jahren gedacht, bis man verstanden hat, dass man die falsche Musik macht und vielleicht auch die Zielstrebigkeit, oder eher das Talent oder so fehlt. Aber die Musik ist halt einfach die falsche! Wir haben auch alle Bock auf das, was wir beruflich machen. Ob man das jetzt dafür aufgeben würde… Ich weiß auch nicht, wie das aussehen sollte, man kann ja schlecht 300 Konzerte im Jahr in Deutschland spielen. Da müsste man arschviel Platten verkaufen. Reizvoll wäre natürlich, angenommen, man würde Geld verdienen, ein Gleichgewicht zu finden, zwischen Musik und Job. Ich glaube, wenn man nur noch Mucke macht, dann hat man auch irgendwann nichts mehr zu erzählen. Worüber soll man noch schreiben.

 


Ihr seid eine Hamburger Punkband und natürlich muss ich jetzt auf das tolle Gefahrengebiet und die Rote Flora eingehen. Habt ihr euren Proberaum denn im ehemaligen Gefahrengebiet?

Nein, den Proberaum nicht, aber ich wohne an der Grenze, also innerhalb dieser Zone. Vor meiner Tür haben die Bullen immer geparkt.

 

Und wurdest du auch kontrolliert?

Nein, erstaunlicherweise nicht, vielleicht liegt das auch daran, dass ich gerade meine Masterarbeit schreibe und nicht so oft rausgegangen bin. Aber es hat schon viele gegeben, die kontrolliert wurden.

 

Ja? Sind die tatsächlich in voller Montur herumschwadroniert und wie man sich das so vorstellt?

Ja, wie auf einer Demo halt, komplett in Montur, so zwanzig dunkle Gestalten an einer Hausecke, das ist schon gruselig. Und halt nicht nur an einer Ecke!

 

Wie habt ihr die Geschichte um die Flora aufgenommen?

Zum einen fand ich es extrem gut, dass vor Weihnachten diese Demo stattfand und so viele Leute am Start waren. Ich hatte das aber auch nicht anders erwartet. Im Detail stelle ich natürlich in Frage, ob die Demo beendet wurde, weil die Demonstranten irgendetwas falsch gemacht hatten, außer halt einfach loszugehen und das war manchen Berichten zufolge auch eine Stunde später als angekündigt. Die Polizeiführung hat die Demo ja quasi mit der Begründung gestoppt, dass die Demo noch nicht losgehen sollte und die Leute einfach losgerannt sind. Hast du diese Youtube-Videos gesehen?

 

Ja, ein paar zumindest.

Da war ja jetzt nicht so wirklich jemand und diese Knaller kommen auch erst ins Spiel, als die Demo gestoppt wurde. Ich glaube das wurde schon ziemlich zugespitzt und der Senat hatte sich da glaube ich ein wenig verpokert. Die wollten die harte Kante zeigen und alles im Keim ersticken. Selbst die Hamburger Morgenpost, das ist ja hier das Klatschblatt, selbst die hat irgendwann betitelt: 1 Mio Kosten für den gesamten Einsatz, gefunden wurden 15 Klobürsten, zwei D-Böller und zwei Basilikumtüten, die für Gras gehalten wurden.

 

Habt ihr schon mal in der Flora gespielt?

Ja, drei Mal, unter anderem die Releaseshow für unser Album Kuddel. Ich war da letztens gerade wieder bei einem Konzert, Turbostaat war das glaub ich, da waren auch Fettes Brot, das war schon ganz gut. Ich finde es gerade ganz ruhig, ich weiß nicht ob das mit den laufenden Verkaufsgesprächen zu tun hat. Ich habe im Moment schon das Gefühl, dass das in die richtige Richtung geht, die Polizei hat ihr Fett weggekriegt…

 

Ach, meinst du? Ich habe den Eindruck, dass eher die linken Demonstranten in der Öffentlichkeit wieder völlig ins sinnlose Krawalltouristen-Spektrum gepresst wurden. Von linker Seite kommt dann sofort, dass die Polizisten sofort grundlos die Demo abgebrochen hätten usw. Wie weit nehmen euch solche Diskussionen als Band mit? Vor allem wenn man da wohnt, stelle ich mir vor, dass einen so was mitnimmt.

Im Sinne von: „Sind wir eine politische Band?“

 

Ja!

Die Frage, wie weit man das als Band verarbeitet, ist natürlich eine andere, aber mir persönlich geht das schon sehr nahe, denn alles, was an diesem Stadtteil Sternschanze noch gut ist, ist sozusagen die Flora. Wenn die fällt, kann man das hier total vergessen! Ich habe erst neulich bei Facebook irgendwas gesehen, da hatte jemand eine Zeichnung fotografiert, die ugf. besagte: „Hamburg muss bunt sein, sonst ist es wie München.“ oder so, das fand ich gut auf den Punkt gebracht. Und abgesehen davon sind wir ja alle mit der Flora großgeworden und aufgrund dieser Struktur rundherum, das waren ja alles Dinge, die mich bewegt hatten, nach der Schule herzuziehen.

Was soll denn das, die Flora dicht machen und ein H&M hinbauen? Von daher ist man schon angekotzt und das dann der Protest dagegen, mit welchen Mitteln auch immer, darin resultiert, dass man sich irgendwie rechtfertigen muss, wenn man durch die Straßen geht, weil überall Polizei rumsteht, dann ist das natürlich eine absolut absurde Sache und die muss man auf keinen Fall hinnehmen. Wenn dann noch solche Geschichten wie dieser „Angriff auf die Davidswache“ dazukommen, das wirkt ja nur noch lächerlicher, wenn der Steinwurf auf ein mal drei Straßen weiter war. Da hat man auch auf den späteren Demonstrationen gemerkt, dass die Polizisten selbst kein Bock mehr hatten, als dann „Lügner“-Rufe in ihre Richtung kamen.

Das wird sicher ein Thema, was in der Band noch kontrovers diskutiert wird…

Wenn die Stadt wirklich das Ding kaufen sollte, wonach es ja aktuell aussieht, das wär schon mal ganz gut. Aber dann  muss man sich natürlich mit irgendwelchen Sicherheitsvorschriften auseinandersetzen, Brandschutz und so was, die sind ja denn verantwortlich. Vielleicht muss dann Miete gezahlt werden und die Stadt renoviert das, mal gucken.

Ihr habt begleitend zu der Platte ein Hörspiel veröffentlicht. Es geht unter anderem um Tourerlebnisse, die auf 2006 datiert sind, daneben gibt es Anekdoten von den aktuellen Aufnahmen zu „Auf Allen Festen“. Empfehlt ihr den Leuten, das Hörbuch ergänzend zu der Platte zu hören oder ist das „nur“ ein nettes Gimmick am Rande?

Das Ganze ist schon sehr konzeptionell. Auf der einer Seite geht es darum, uns einen Anstrich zu geben, auch dem, was man bis jetzt gemacht hat. Dann ist es ja auch ein kleines Studiotagebuch, auf der anderen Seite. Das Konzept war, dass es ein Motto gibt und dazu zwei Geschichten. Gegenwart und Retrospektive, das bedingt sich ja auch gegenseitig. Touren, Proben, Kneipenabend … das waren nur wir vier sozusagen.

 

 

Um noch ein bisschen politisch zu werden. Es geht ja im Song Monstrum – ganz grob und in meiner Wahrnehmung – um die junge Generation, die die Jobs macht, die sie cool findet, sich dabei aber ausbeuten lässt und eventuell auf der Strecke bleibt. Beim Makler danach geht es um die DIY-Geschichte und das da vieles vielleicht doch nicht so gut ist, wie es aussieht. „Brief und Siegel spenden Lebensgefühl“ und so… Es sieht so aus, als würde es – zumindest in diesen Songs – darum gehen, dass die Werte von gut und böse, die wir irgendwie mal im Kopf hatten, Major gegen Indie usw, teilweise aufgelöst sind. 

Du hast eigentlich schon die Steilvorlage geliefert. Was der Textgeber (Bassist Stefan) anregen will, ist, dass man einfach genau hinguckt, was man da gerade abfeiert oder hypet. Sei es DIY, Major oder Indie und, dass es um die Musik gehen soll! Wenn sich jetzt ein kleines Label hinstellt und irgendwas abhypet, wobei der Fokus aber total verschoben wird, zu irgendwelchen Promo-Effekten, so künstliche Hypes halt.

Wie können wir das denn ändern? Mehr auf die Musik achten?

Das ist sehr schwer zu ändern, das muss man ehrlich sagen, wir machen ja selber im Prinzip das Gleiche, wir preisen unsere Musik ja auch an und machen irgendwelche Quatsch-Aktionen, so wie jetzt dieses Hörbuch, um eben Leute auf die Musik aufmerksam zu machen. Wichtig ist halt, ob man’s macht, um seine Musik loszuwerden oder ob man’s macht, weil man gesehen werden möchte. Wir machen Musik. Punkt. Aber wir sind keine Selbstdarsteller oder Vertreter einer Subkultur oder was weiß ich. Man kann nicht DIY machen, nur weil man denkt, man ist dann cooler als sonst wer.

 

Dein letzter Satz hat diesen Standpunkt glaub ich gut auf den Punkt gebracht!

Also einfach machen und dann nicht so viel drüber reden, dass man’s macht. Guck dir doch mal so eine Hardcore Show an, wo das Publikum um die 20 ist. Cappy schief, Tunnel hier, Tattoo da, das ist ja mehr Modeschau als Konzert! Wo kommt das her, wie funktioniert das eigentlich? Auch den Präsidenten des Vereins kannst du textlich genau so dort ansiedeln.
Vielleicht hast du da mehr Raum dagegen anzugehen, als bei ’nem Chef, der dir Kohle gibt. Aber dieses Profilierungsgehabe und Leute, die das Bedürfnis haben, sich über andere zu stellen, hat man fast überall!

Ein paar abschließende Kurzfragen: Welche Platten hörst du gerade auf Dauerschleife?

Ich höre gerade die neue Against Me! Dann die neue Iron Chick, das ist so melodischer Punk. Außerdem die neue ClickClickDecker, ansonsten die neue Modern Life is War. Ich kenn’ die ganzen Namen der Platten gar nicht, Spotify ist die Hölle.

 

Du singst direkt im ersten Song: „Da kann doch Peter nichts dafür“. Wer ist denn Peter?

Tja, das ist natürlich eine fiktive Person, die sozusagen irgendetwas mit dem, der da spricht gemacht hat.

 

Ist generell das Gros der Texte also eher fiktiv oder doch Storytelling aus dem Leben?

Nee, es ist schon eher letzteres. Beim besagten Peter zum Beispiel weiß derjenige schon, dass er gemeint ist.

(Marc Augustat)