Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich dicht beieinander und manchmal fallen sie auch zusammen: Mike Patton veröffentlicht sein neues Album „Mondo Cane”.

Wenig ist undankbarer, als eine Kritik zu einer neuen Mike Patton-Platte schreiben zu müssen. Es gibt nahezu nichts, was noch nicht über ihn gesagt wurde und es gibt fast nichts, was Patton noch nicht gemacht hat – zumindest im musikalischen Bereich. Danebengegriffen hat er dabei noch nie und selbst wenn, es wäre ihm egal. Er macht ohnehin nur noch das, worauf er Lust hat. Mike Patton gilt als Exzentriker und Provokateur, aber auch als musikalisches Genie und das ist der Autodidakt, der nie ein Musikstudium absolvierte, aber seine Alben vorher im Kopf durchkomponiert, zweifelsohne.

Bekanntheit erlangt der Kalifornier als Sänger der Crossover-Band Faith No More. Diese touren Ende der achtziger Jahre durch Kalifornien, als Patton ihnen ein Demo seiner Band Mr. Bungle in die Hand drückt. Die Band erkennt sofort sein Potential und macht ihn kurzerhand zum Sänger. Patton stellt sofort klar, dass er Mr. Bungle trotzdem nicht verlassen werde. Schon hier zeigt sich seine exzentrische Ader. Ein Medium reicht ihm nicht. Faith No More sind zu dieser Zeit bereits landesweit bekannt, aber mit Patton und dem Album „The Real Thing“ kommt der Durchbruch. Bis zum Jahr 1998 erspielen sie sich, als Erfinder des Alternative-Crossover, Legendenstatus, dann folgt die Trennung und die One-Man-Show Mike Patton beginnt.

Faith No More wird für Patton nur das Sprungbrett in die musikalische Freiheit sein: Er fühlt sich eingeschränkt von den Konventionen seines damaligen Labels und gründet im Jahr 1999, zusammen mit seinem Kumpel und ehemaligem Jello Biafra-Manager Greg Werckman, das Label Ipecac. Dies ist Pattons persönlicher Befreiungsschlag. Künftig schafft er es, Bands wie ISIS, Mondo Generator oder The Melvins von Ipecac zu überzeugen. Das Hauptaugenmerk und Aushängeschild des Labels sind allerdings seine eigenen Projekte – und die sind gleichermaßen vielfältig wie prominent besetzt: Er gründet zusammen mit Dave Lombardo (Slayer), Buzz Osbourne (The Melvins) und Trevor Dunn (Mr. Bungle) die Supergroup Fantomas. Mit dem ehemaligen Helmet-Schlagzeuger John Stanier spielt Patton in der Band Tomahawk. Für The Dillinger Escape Plan singt er 2002 ihr Album „Irony Is A Dead Scene“ ein, featured Sepultura und als Peeping Tom arbeitet er mit Norah Jones, Kool Keith und Massive Attack zusammen. Wenn Patton ruft, dann kommen sie und wenn er sich etwas vornimmt, dann macht er das auch – selbstredend dass Patton bei all seinen Projekten das Heft nie aus der Hand gibt. Es sind ja schließlich SEINE Projekte. Ob das Ergebnis dann avantgardistischer Jazz, Hardcore-Punk, oder seichte Popmusik ist, kann man dabei vorher nie genau sagen. Was allerdings immer feststeht, ist dass Patton sein gesamtes Herzblut investiert.

Am kommenden Freitag erscheint „Mondo Cane”, das neue Album des Ausnahmemusikers und wieder einmal macht er seinem Ruf alle Ehre. Diesmal hat sich Patton in den Kopf gesetzt eine Platte mit italienischen Popsongs der sechziger und siebziger Jahre zu machen. Hierzu hat er sich ein 30-köpfiges Orchester zusammengestellt und interpretierte die Songs mit seiner unvergleichlichen Stimme und in fließendem Italienisch neu. „Ich wollte durch moderne und abenteuerliche Interpretationen der Stücke zeigen, wie wichtig und lebendig diese Musik noch heute ist“, so Patton in einem Interview. Bereits bei seiner Solo-Platte „Pranzo Oltranzista“ hatte sich der Multilinguist von einem futuristischen italienischen Kochbuch begeistern lassen. Diesmal war angeblich ein italienischen Oldiesender Quelle der Inspiration. Jeden anderen Künstler würde man bei derart extravaganten musikalischen Ausflügen vermutlich für verrückt erklären. Mike Patton auch, allerdings ist man es von ihm nicht anders gewohnt und siehe da: Es funktioniert. Er schafft es, dieser Musik wieder Leben einzuhauchen, ohne dabei Gefahr zu laufen, in den Schmalztopf zu fallen. Wer das Video zur ersten Singleauskopplung „Il Cielo In Una Stanza” sieht, bemerkt schnell, dass sich Patton im Zentrum des Orchesters sichtlich wohlfühlt.

Ist es nicht der Kindheitstraum eines Jeden, nur das zu machen was einem Spaß macht? Die wenigsten können sich das erlauben. Mike Patton kann es und wenn dabei ein italienisches Popmusik-Album rauskommt, dann ist das eben so. Sì, perché no!

Christoph Berger

VÖ: 07.05. 2010

Label: Ipecac

Tracklist:

01. Il Cielo In Una Stanza
02. Che Notte!
03. Ore D’Amore
04. Deep Down
05. Quello Che Conta
06. Urlo Negro
07. Scalinatella
08. L’Uomo Che Non Sapeva Amare
09. 20 KM Al Giorno
10. Ti Offro Da Bere
11. Senza Fine