Wenn es darum geht, in allen Details Sex und Gewalt zu beschreiben, sind Rapper gerne mit expliziten Texten dabei. Anders sieht das hingegen bei politischen Themen aus. Hier eine deutliche Stellungnahme zu erhalten, ist wesentlich schwieriger. Da reicht dann schon eine Zeile über George W. Bush, um als Aktivist durchzugehen. Auch Flipsyde erlauben sich auf ihrer CD ‘We The People’ einen Kommentar zum amtierenden Präsidenten, doch ihre Kritik betrifft auch andere gesellschaftliche Probleme. So heißt es z.B. in ‘Train’: “I had a dream that everything wasn’t the way it seemed./ Martin was the President and Malcolm the VP./ Bush wore a rubber and W was never born./ We never bombed Nam and never went to Desert Storm.”

Schön, dass das mal (wieder) gesagt wurde. Trotzdem sind Rapper Piper, Sänger Steve Knight, Gitarrist Dave Lopez und DJ D-Sharp nicht der Meinung, dass jeder sein Anliegen so eindeutig formulieren muss. “Wir benutzen selber viele Metaphern, aber wenn uns etwas am Herzen liegt, sprechen wir das auch mal direkt aus. Deswegen möchte ich auch niemanden dafür verurteilen, wenn er statt gegen ein konkretes System lieber gegen Babylon angeht. Da würde ich Reggae-Künstlern nicht vorschreiben, was sie zu sagen haben. Bob Marley ist für mich einer der wichtigsten Künstler überhaupt. Letztens hat Steve auch einfach unseren Song ‘No More’ in ‘No Woman No Cry’ übergehen lassen. Da waren alle begeistert. Wir wollen die Leute einfach inspirieren. Mal machen wir das eher abstrakt, mal sehr spezifisch. Je nachdem, wie wir uns gerade fühlen.”

Ein gutes Beispiel für Formulierungen, bei denen ruhig mal gefragt werden könnte, was damit denn eigentlich gemeint ist, haben Flipsyde ja gerade mit ihrer Single ‘Someday’ abgeliefert. Darin heißt es nämlich im Refrain: “Someday we gonna rise up on that wind, you know./ Someday we gonna dance with those lions./ Someday we gonna break free from these chains and keep on flyin’.” Mit den Löwen tanzen? ‘Iron Lion Zion’ à la Bob Marley? Bezieht sich das auf Afrika? Doch wenn Flipsyde nach ihren Texten gefragt werden, erklären sie diese ungern im Detail. “Was wir uns dabei gedacht haben, muss nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was der Hörer sich denkt. Vielleicht sind z.B. die Ketten, die einen gefangen halten, einfach irgendwelche Drogen. Jemand anderes denkt vielleicht an Armut. Einmal hat mir eine Frau gesagt, die an Krebs erkrankt ist, dass sie ‘Someday’ sehr berührt hat und sie es sogar auf ihrer Beerdigung gerne spielen würde. Da war ich selber überrascht, dass ein Stück eine solche Bedeutung für jemanden entwickeln kann.”

Jedoch kann es auch schon mal passieren, dass ein Stück nicht die Bedeutung erfährt, die es eigentlich haben sollte. So bezieht sich z.B. ‘Angel’ nicht auf irgendwelche Frauen, sondern auf die Mütter der Flipsyde-Jungs. Doch ob die das auch wissen, ist Piper sich nicht so sicher. “Daves Mutter spricht z.B. nur spanisch und versteht den Song daher gar nicht. Meiner Mutter ist der Rap meistens zu schnell, um ihn zu begreifen. Und Steves Mutter hört überwiegend christliche Musik. Daher weiß ich gar nicht, ob sie das Stück überhaupt kennt. Ich weiß aber, dass ihnen die Musik gefallen hat. Das ist schon okay so, denn wir wollen damit auch einfach allen Müttern in der Welt danken!”


Diese positive Grundhaltung ist es auch, die Flipsyde von den meisten anderen HipHop-Gruppen abhebt. Wobei natürlich auch hinzukommt, dass sie mit ihren gitarrenlastigen Tracks eher wie Linkin Park als wie die G-Unit klingen. Aber der wichtigste Unterschied ist natürlich das Ziel, das sie mit ihren Liedern verfolgen, wie Piper erklärt. “Wir wollen die Leute zum Nachdenken bringen. Sie sollen wieder fühlen und kommunizieren. Das ist genau das, was wir mit und in unserer Gruppe tun. Ich bin ein schwarzer Mann aus Oakland, Steve ist ein weißer Mann aus Alabama und Dave kommt aus Chile, also von der anderen Seite des Äquators. Wenn wir zusammenkommen, verstehen wir den anderen. Wir lernen von einander. Das reflektiert auch unsere Musik. Du solltest wissen, wer du bist und gleichzeitig andere Menschen respektieren. Wir hoffen einfach, dass andere Leute unserem Beispiel folgen!”



Text: Holger Köhler