Es ist schon erstaunlich, dass mit “Dive Deep” nun das mittlerweile sechste Studioalbum von Morcheeba in den Läden steht. Wirklich damit gerechnet hatte nämlich niemand mehr, schon gar nicht die Band selber. “Ich dachte nach dem letzten Album, wir wären endgültig Geschichte,” gibt Paul Godfrey unumwunden zu. “Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich jemals wieder Lust auf Morcheeba haben würde. Außerdem zog mein Bruder Ross nach Los Angeles, und eine Sängerin hatten wir auch nicht mehr.”

Gemeinsam mit Sängerin Skye waren die Brüder ab Mitte der Neunziger Jahre zu Stars der TripHop- und Chill Out-Szene avanciert und eroberten mit Alben wie “Fragments Of Freedom” und “Charango” schließlich auch die internationalen Popcharts. 2003 waren die persönlichen und musikalischen Differenzen innerhalb des Trios allerdings so groß geworden, dass man getrennter Wege ging und die Godfreys für das folgende Album “The Antidote” eine neue Frontfrau verpflichteten. Doch schon bei der Tour zur Platte war Daisy Martey nicht mehr mit von der Partie. “Es war eine wirklich schwierige Phase, denn ich war ein depressives Nervenwrack, das keine Ahnung hatte, was es eigentlich wollte,” erinnert sich Paul.

Einige Therapien und musikalische Experimente später aber folgte doch die Erkenntnis, dass das Projekt Morcheeba noch Potential barg. Für “Dive Deep” wurden dabei vor allem die Bandstrukturen verändert: Paul ist mittlerweile die treibende Kraft, sein Bruder Ross nur noch im Hintergrund tätig und gesungen wird ausschließlich von Gästen. Erstaunlicherweise klingt trotzdem fast alles wie früher: ein bisschen Folk, ein wenig Blues, eine Prise HipHop – und vor allem ganz viel softe Elektronik. Irritierende Psychodelic Rock-Experimente wie noch auf dem Vorgänger sucht man dieses Mal zum Glück vergeblich.

Morcheeba: Enjoy The Ride

Was die Gastsänger angeht, muss man sich an eine männliche Morcheeba-Stimme (Thomas Dybdahl aus Norwegen) noch gewöhnen, aber die renommierte britische Songwriterin Judie Tzuke und die Französin Manda wissen zu überzeugen. So klingen die 13 neuen Songs zwar weder cool noch besonders modern, aber alles in allem recht hübsch, entspannt und zusammen erstaunlich stimmig. Der betörende Charme der frühen Skye-Phase wird noch nicht ganz wieder erreicht, aber als angenehme Überraschung darf dieses Comeback auf jeden Fall verzeichnet werden. Für alle Beteiligten!

Patrick Heidmann