Wenn die Markthalle Neun ein Label wäre, wäre sie ein Indie Label mit eigener Streaming Platform.
Die Halle in Kreuzberg ist nämlich nicht nur ein riesiger Fressparkour, sie ist ein Entrepreneurship pool für Handwerk und Lebensmittel. Ein niedrigschwelliger Ort zum Ausprobieren von Nischenprodukten nachhaltiger Lebensmittelkultur.
Zwischen ambitionierte Newcomer Köche mischen sich hier einfache Expats, die sich das Heimweh von der Seele kochen. Jeder Stand bietet einen neuen Remix der Kochkulturen und wer hungrig ist, schafft es, durch so einige durchzuprobieren. Selbst der Aldi von nebenan wurde erhalten, um den Einkäufern den Zugang zum hochwertigen Angebot der Markthalle zu ermöglichen. Denn Bernd Maier von der Markthalle Neun weiß nur zu gut: Essen will gelernt sein – und die saftigen Burger beim Breakfst and Vinyl Market machen es ohnehin niemandem einfach, dabei elegant auszusehen.
Wenn Essen Musik wäre, dann wäre der Vinyl and Breakfast Market die nerdigste Platten- und DJmesse Berlins.
Denn dieser Markt bringt Food- und Musiknerds an einen Frühstückstisch – und es wird probiert was das Zeug hält. Die Idee der Markthalle als Ort der Begegnung aller musikalisch-kulinarischen Sinne lag für den Initiator Heiko vom Groove Magazin quasi auf der Hand. Musik und Essen gehören ohnehin zusammen – in der Markthalle Neun als geheime Kantine des Groove ist die Kombi fast schon zum Alltag geworden.
Wir als Musikmagazin waren natürlich dabei und wir haben viel über Essen und ein wenig über Musik gelernt.
CHICHA & CEVICHERIA & PISCO BAR
Ceviche ist das electronic Progressive und den Trendfoods und darf daher natürlich in der Markthalle nicht fehlen. Die Jungs von Chicha sind noch unsigned, planen aber, demnächst ein Restaurant aufzumachen. Die Markthalle Neun bietet ihnen den perfekten Ort, um die Leute an kaltgegarten Fisch und Quinoa Salat heranzuführen – auch zum Frühstück.
liquid drum n base – dann arbeitet man schneller:
Mr. Susan
Hier gibt es koreanischen Reisbrei mit Zeug und deutschem Einschlag. Klingt komisch, schmeckt aber großartig. Stefan, der ex Geschäftsführer aus dem Würgeengel, und seine koreanische Freundin Susan sind leidenschaftliche Köche und zaubern hier alles unter dem Motto: Nom… Nom… Burp. Dabei hört Susan gerne Fusion Sounds zur Fusion Küche: von Showtunes über Hip Hop und Country kommt bei ihr alles auf den Plattenteller – und natürlich singt sie lauthals mit. Quasi sinnlich durch und durch. Stefan ist für Hip Hop – das lenkt nicht zu sehr ab, bringt ihn aber in den Cooking-Flow.
Die beiden lieben Essen und haben über den Stand in der Markthalle das nötige Selbstbewusstsein gefunden, ein eigenes Restaurant zu starten. Wir sind gespannt auf Susans Musical Darbietungen am Herd – und plädieren für eine offene Showküche!
KÜSTLICHKEITEN
Bei Küstlichkeiten gibt es nicht nur lustige Wortspiele, sondern auch Holländische Zuchtaustern. Die wurde irgendwann in’s Wattenmeer eingeschleppt und verdrängt seitdem die heimische Auster. Bei Ebbe, Zitat: „eskalieren die Austern an den Felsen“ und werden von den Jungs von Küstlichkeiten eingesammelt. Luxusfood zum erhalt der Biodiversität – Hedonismus kann also manchmal auch die Welt retten. Schmeckt nicht ganz so salzig und schleimig wie normale Austern – und wenn man Glück hat, erwischt man ein Monsterviech.
Musikalisch geht es sehr organisch bei Küstlichkeiten zu. „Es sind nur wir und die Austern – Musik ist total nicht mein Ding“. Der Soundtrack zum Essen ist daher: das knacken der Schale und das Rauschen des Meeres.
BLACK DELIGHT KAFFEERÖSTEREI
Cold Extraktion ist das neue Ding unter den Baristas – und der Geschmack will gelernt sein. Michael Mrozek hat uns auf’s Neue gelehrt: Essen ist Erziehungssache, genau so wie Musik. Der kalte Kaffe, den man hier bekommt, ist definitiv kein Chartpop. Trotzdem haben wir „Cold Drip“ hier lieben gelernt – und zwar mit Tonic, Orangensaft und Zuckersirup auf Eis. Bordieu wäre stolz auf uns.
Anschließend hat uns Michael von Black Delight gestanden, dass auch er sich an neue Sorten immer wieder herantasten muss. Das ist ja letztlich auch der Spaß an solchen Heiß/ Kaltgetränkexperimenten.
Auch in Sachen Musik ist man hier durchaus tolerant. Von deep house über Elektro bis hin zu Atari Teenage Riot ist alles dabei. Den Kaffee von Michael gab es 2012 sogar auf der Fusion. Natürlich auch in warm, was mindestens genau so lecker ist.
Nichts desto trotz kriegt Cold Drip bei uns einen festen Platz als potentiell bester Festivalbegleiter – dafür braucht man schließlich nichtmal eine Thermoskanne.
Buns Mobil
Buns Mobil war ursprünglich ein waschechter Foodtruck, der aus Gründen der Praktikabilität einer Attrappe weichen musste. Die netten Französinnen verkaufen beim Breakfast and Vinyl Market Vinyl Platten für ein befreundetes Label und machen einen großartigen – das klingt jetzt wirklich pervers: Brunchburger. Wir haben ihn probiert und uns mit pochierten Eiern, Sauce Bernaise und 4 Stunden gegartem Bacon beschmiert. Die Sauerei war es definitiv wert.
Dresden in Kreuzberg
Als Dresden in Kreuzberg seinen ersten Stand auf dem Breakfastmarket eröffneten, waren sie innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft. In Kombi mit Vinyl läuft es mindestens genauso gut, denn Tim Lanwerd, der Standchef und Eigentümer der dazugehörigen Bar, ist der beste Saft DJ, den wir kennen. Er ist eigentlich Fruchtgroßhändler und steckt sich auf dem Markt alles in den Mund, was saisonal ist und interessant klingt. Beim Saftmischen bewegt sich Tim zwar im Genre des Weizengrases, ist jedoch offen für jeden Input von außen: „Das ist wie beim Auflegen. Am Anfang legst du immer die Platten und Musikrichtungen auf, die dir gefallen. Irgendwann bist du aber an dem Punkt angekommen, wo du neuen Input brauchst und dich verändern musst, weil du dir selber irgendwie als Einheitsbrei vorkommst. Dann fängst du an mit neuen Musikrichtungen und trotzdem bleibst du deinem Konzept irgendwie treu“. Wir haben gelernt: beim Saftmischen ist man oft zur Flexibilität gezwungen – und muss sich dabei verdammt gut mit Lebensmitteln auskennen. Wenn es zum Beispiel wenig Obst auf dem Markt gibt, hilft man sich hier mit Trockenfrüchten, Johannisbrot oder Grünkohl. Bei solchen Experimenten braucht es jedoch viel Know How um die Zutaten richtig zu verarbeiten. Am Sonntag durften wir deshalb an Ananas Salbei riechen (und lernen, dass es sowas gibt) – das Saftmischen überließen wir trotzdem Tim.
Im Ernst, nicht nur Tim, sondern auch sein Stand kann was. Laut Bernd von der Markthalle Neun kriegt man hier den einzigen Drink mit „Popeye-Effekt“. Außerdem hilft er wohl gegen Prostatakrebs im Endstadion (der absurdeste Funfact des Tages, aber hey, ist doch mal was!). Dresden in Kreuzberg setzt dafür auf ganz frisch gepresstes Weizengras, weil Chlorophyll oxidiert und somit in Pulverform seine Superheldenkräfte verlieren würde.
Alles gut und schön, als es dann zur Sache ging, waren wir doch etwas skeptisch. Weizengras (das echt wie richtiger Rasen aussieht!) mit Spargel und Apfel – aussehen und klingen tat das Ganze wie das kulinarische Kontrastprogramm zu unseren vorherigen Burgerorgien.
Aber im Ernst: Tim weiß was er tut. Die Säfte bei Dresden in Kreuzberg schmecken großartig – und das sagen wir nicht nur, um euch zu gesunder Ernährung zu bewegen, versprochen.
Kame.Berlin
Bei der japanischen Bäckerei sieht die Auslage wie beim Bäcker um die Ecke aus. Von Eclair bis Rosinenbrötchen ist alles dabei, nur dass alles tausend Mal besser schmeckt. Wer sich etwas mehr Experimente zutraut, wagt sich an die Brötchen mit Misofüllung oder Bohnenpaste, egal welche Variante – man kann hier grundsätzlich nichts falsch machen.
Das deutsch-japanische Paar arbeitet aktuell daran, die erste japanische Bäckerei in Berlin zu gründen und sich damit ein bisschen Heimat zurück zu holen.
Im Rahmen des Breakfast and Vinyl Markets kann man hier auch japanischen Schlager kaufen, der allein schon aufgrund der Cover in keiner Vinylsammlung fehlen sollte.
Beim Kochen halten sich die zwei allerdings, ganz im Sinne ihrer Gebäckauslage, lieber an musikalische Experimente im bekannten Gewand. Aber hört selbst und lasst euch dabei zum Misobrötchen inspirieren.
J. Kinski
Wer Rinderfilet mit Dinkelbuns und Vanille-Trüffel Mayo zum Frühstück isst, der fühlt sich sicher ein wenig dekadent. Bei Kinski ist das aber definitiv OK – denn hier ist alles tausendmal nachhaltiger als das Eibrötchen zuhause. Die Jungs kaufen ganze, nicht mehr melkfähige Kühe von ausgesuchten Biohöfen und verarbeiten sie dann komplett. Das Dinkelmehl wird extra für das Burgerbrötchen gemahlen und direkt verbacken, damit keine Zusätze notwendig werden. Auch der Rest ist nicht nur Bio, sondern Demeter – und wir wussten bis heute noch nicht einmal, dass es da einen Unterschied gibt.
Wen das noch nicht von der Großartigkeit des zweiten Brunchburgers auf unserer Liste überzeugt hat, sollte die Jungs mal nach ihrem gastronomischen Hintergrund fragen, denn musikaffin sind Kinski auch noch. Die Köche kommen eigentlich aus der Technoszene und hatten sogar einen Techno Club in Jena. Mittlerweile haben sie den Bar gegen den Küchentresen ausgetauscht. Techno hören sie beim Kochen aber noch immer.
Frisches Butter Naan – feste Größe auf Streetfood und Breakfast Market, Bio Zutaten
reisen mit dem Stand rum.
City Slang
Die Jungs von City Slang kommen auf dem Breakfast and Vinyl Market endlich mal dazu, Menschen, die keine Ahnung von ihrer Musik haben, zu erklären was sie machen: „Auf Plattenbörsen sind dann schon eher Leute, die genau wissen, was sie wollen oder zumindest ziemlich Ahnung von der Materie haben. Das hier an einem Sonntagmorgen ist das tatsächlich ganz interessant. Ich hatte heute Gespräche, die in etwa so waren als würden meine Eltern hier her kommen, die wahrscheinlich noch immer glauben, ich würde in einer Bank arbeiten, und ich müsste denen dann erklären, was wir eigentlich machen. Da kommen dann so Fragen wie: „Wie klingt das eigentlich?“ Und plötzlich fragst du dich, oh Gott, nach was klingt das, das die kennen?“
Wer die Auflösung will, der sollte dringend mal den City Slang Stand besuchen. Die Jungs haben mittlerweile nicht nur „was zum nebenbei hören“, sondern können euch sogar Musikempfehlungen nach kulinarischen Kriterien geben. Wir dürfen euch schonmal verraten: zu Rotwein empfehlen sie Nixon und beim Aperol Spritz würden sie Caribou kredenzen.
Ihre Essensauswahl treffen die Jungs privat danach, welche Musik sie dabei hören möchten. Am Liebsten essen sie aber Pasta in allen möglichen Variationen.
Monkeytown
Bei Monkeytown agiert das komplette Label ähnlich wie die Markthalle Neun: durch die Mischung von bekannteren mit unbekannteren Künstlern führt es seine Hörer über Vertraute Sounds an neue Künstler heran. Moderat und Modeselektor als große musikalische „Anker“ bieten damit einen niedrigschwelligen Zugang zu Newcomer wie Dark Sky, Fjaak oder Robert Koch.
Wer sich hier „nur ein Modeselektor T-Shirt“ kaufen will, dem werden Probierhäppchen angeboten, die nicht selten musikalische Horizonte erweitern. Von hartem Tool Techno bis Dubstep, zurück zu House kann man hier alles finden. Kulinarisch ist man bei Monkeytown Freund von Risotto mit hartem, schnellem 90er Techno. Achso und bei Kaminfeuer sollte man Marcel Dettmann hören, ist klar.
Liebe Grüße aus der Affenstadt:
Native Instruments informiert beim Breakst and Vinyl Market als berliner Unternehmen über ihre Produkte und gibt Einblick in den Produktionsprozess, der vor dem Pressen der Vinyl oft stattfindet. Auch hier freut man sich über ein ganz neues Publikum und hofft, den ein oder anderen zum Homeproducing zu inspirieren.
Native Instruments haben längst begriffen: Gastronomie und Musik sind feste Größen, die zusammengehören – nicht zuletzt aufgrund der vielen Artist Dinners, die die DJs rund um den Globus in den verschiedensten Restaurants einnehmen. Mit der Traktor’s Cookery School hat NI selbst ein Format, das die Künstler ihre kühnsten Foodie Fantasien ausleben lässt.
„Producing transportiert ein ähnliches Gefühl wie das Kochen – und wenn man sich zum Beispiel den Kaffeestand hier anguckt, können wir doch rein Equipment mäßig echt einpacken. Es gibt da immer so Trends – aber Food and Music gehört mittlerweile wirklich zusammen“.
Native Instruments hört am liebsten: Jazzradio
Der Breakfast and Vinyl Market ist als Serie geplant und wir freuen uns schon wahnsinnig auf das nächste Mal. Bleibt dran, wir schreien wenn es soweit ist!
Text: Viktoria Renner
Fotos: Marvin Jockschat
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