Er möchte anonym bleiben, seine Musik ist für ihn keine Musik und da wäre dann noch das Thema Bobybands: o F F Love ist ein Rätsel. Seine Intimität evoziert Distanz und Nähe im gleichen Maße. motor.de hat den geheimnisvollen Mann getroffen. 

Ein Doppelleben zu führen, ist kein Phantasma aus billigen Agentenfilmen mehr. Auch in der Popkultur möchte man fast von einem alten Schuh sprechen. Die Verschleierung oder Vermummung erreichte in meiner musikgeschichtlichen Wahrnehmung das erste Mal mit Daft Punk seinen Höhepunkt. Das Rätselraten über die wahre Existenz des Duos ist zwar längst abgeebbt, aber lange noch nicht beendet. Ein noch größeres Mysterium bildete die Identitätsfrage nach dem Mann hinter dem Kürzel Burial. Der Brite galt lange Zeit als eine Art Banksy unter den elektronischen Produzenten. Anonym, geheimnisvoll und zumeist medienscheu – die “Rolle” von Burial hat nun Holy Other übernommen.

Auch der Mann hinter o F F Love ist der Öffentlichkeit ein Fragezeichen, selbst wenn die Öffentlichkeit ihn bisher nur sporadisch wahrgenommen hat. Interviews über ihn sind nicht nur rar gesät, sie sind die absolute Ausnahme. Schon im März fühlten wir uns von der Distanz seines Debüts “Probably Love” angezogen – Minimalismus statt Perfektion sowie Emotionalität, die sich zur Zärtlich- und Verletzlichkeit selbst entschleierte. Auch wenn der Guardian seine Musik in die äußerst abstrakte Nische zwischen Akon und Aphex Twin einquartierte, ist selbst die Zuordnung zum Witch House nur bedingt treffsicher. o F F Love’s Tracks sind emotionale Brocken – jene, die sich aus einer inneren Zerissenheit speisen. Es sind persönliche Geschichten. Geschichten, die von Leid und Trauer handeln, von Trennungskummer, dem Gefühl, nicht immer allem zu genügen. Liebe spielt eine große Rolle, genauso wie Boybands.

Ausgerechnet in Hamburg treffe ich o F F Love, nicht etwa in Berlin, wo er lange Zeit gelebt hat. Er ist für das Dockville Festival gebucht – warum weiß er auch nicht so genau. Zum Interview erscheint er unverschleiert, sein Ying-Yang-Kopftuch kommt erst beim Auftritt wieder zum Einsatz. Mutig, aber Mut braucht o F F Love ohnehin, gerade wenn jemand mit wehleidigem Crooning und Autotune-Vocals eine entschleunigte Variante von R’n’B live performt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Seine höchst emotionalen Auftritte gefallen nicht allen. Er wurde ausgelacht, mit Eiswürfeln beworfen und mit einem Sexangebot verunsichert. Trotz des Interviews, das ein wenig Licht auf die Person hinter dem verschleierten Mann geworfen hat, bleibt o F F Love ein Rätsel. 

o F F Love – “Probably Love”

motor.de: Ich muss zugeben, ich bin lediglich aufgrund meiner Passion für die elektronische Pionierzeit auf dich aufmerksam geworden, denn dein Debüt ist beim Sublabel von m=minimal erschienen. Im Internet finden sich nur wenig Informationen über dich, demnach müssen wir wohl mit grundlegend beginnen. Woher kommst du?

o F F Love: Ich bin aus Frankreich, habe aber die vergangenen drei Jahre in Berlin gelebt. Im letzten Jahr bin ich dann nach London gezogen. Manchmal heißt es, ich bin Franzose. Dann wieder, dass ich Deutscher sei oder eben doch Brite bin. Ich denke alles ist richtig, es kommt halt darauf an, aus welcher Perspektive man draufschaut.

motor.de: Hast du dich in Berlin wohlgefühlt?

o F F Love: Obwohl ich die Jahre viel gereist bin, war es immer schön nach Berlin zu kommen. Berlin hat es mir sehr einfach gemacht, mich zuhause zu fühlen. Dort habe ich auch den Großteil meiner Musik gemacht. Im verganenen Juli bin ich jedoch nach London gezogen, auch wenn ich mich noch immer mehr von Berlin angezogen fühle.

motor.de: Warum hat es dich trotzdem nach London gezogen?

o F F Love: Ich arbeite dort.

motor.de: Du willst sicherlich nicht über deine Arbeit sprechen, dann lass uns einen Blick auf deine musikalischen Anfänge werfen. Oder gehen wir noch weiter zurück: wir war denn deine Kindheit?

o F F Love: (Lacht) Ich hatte eine ziemlich normale und schöne Kindheit, denke ich. Ich bin im ländlichen Raum in einem sehr kleinen Dort mit meinen zwei Schwestern aufgewachsen. Als ich 17 Jahre jung war, bin ich für das Studium nach Paris gezogen. Es ist komisch, weil mich gar nicht so viel mit Frankreich verbindet.

motor.de: Würdest du sagen, dass du festverankerte Wurzeln in der französischen Musik oder Kultur hast? 

o F F Love: Wenn ich ehrlich bin, höre ich eigentlich so gut wie keine französische Musik. Die erste 7-Inch, die ich gekauft habe, war von Vanessa Paradis [Ex-Freundin von Johnny Depp, Anm. d. R.]. Der Song hieß “Joi Le Taxi“, ein klassischer Popsong. Keine Ahnung, wie alt ich zu dieser Zeit war, aber ich war noch sehr jung (lacht).

motor.de: Wie sieht denn dein musikalischer Background aus? Zusätzlich zu deinem Album “Probably Love” gibt es auch einige Videos von dir, in denen du Boyband-Clips verlangsamt abspielst? Auch bei deinen Live-Auftritten sind sie zu sehen, das spielt also eine große Rolle.

o F F Love: Die meisten Menschen denken immer, dass es ein Joke sei. Scheinbar scheint es für einige schwer zu sein, eine Passion für diese Art der Musik zu verstehen. Mein erstes Konzert, dass ich besucht habe, war East 17. An meinem Geburtstag wollte ich mir damals auch die Backstreet Boys angucken, doch leider wurde der Auftritt abgesagt.

motor.de: Woher kommt diese Faszination?

o F F Love: Ich weiß es nicht genau, aber die Texte meiner Songs sind sehr direkt und simpel, ebenso wie Boybands-Lyrics, aber nicht als Joke, es ist Ernst gemeint. Der Song “close to u, i’m not” ist für mich ein klassischer Backstreet Boys-Song. Es klingt nicht gleich, aber ich sehe es so. Ich denke, ich mag diese Form der super cheesy Lyrics. Ich finde das nur meisten nicht kitschig, sondern nehme den Inhalt sehr ernst. Demnach adaptiere ich das irgendwie für mich, nur in meiner eigenen Art.

o F F Love – “My Love For You…Probably Love”

motor.de: Deine sehr direkten und straighten Texte passen aber gar nicht so sehr zum Sound. Dieser ist eher dunkel, düster und melancholisch.

o F F Love: Ja, das ist die Idee gewesen, diese Paradoxie einzufangen. Ich habe die meisten der Tracks geschrieben, als ich sehr traurig war. (Lacht) Wenn ich ehrlich bin, handeln die meisten Songs immer vom selben Thema. “close to u, i’m not” ist über einen Typen, in den ich verliebt war, er aber nicht in mich. Wir sind nur Freunde. Das ist auch der Grund, warum ich dieses Ding über mein Gesicht trage. Als mein erster Gig in Berlin anstand, hatte ich echt Angst, dass er kommen würde. Deswegen habe ich dieses Teil aufgesetzt. Ich denke, es war sehr dämlich (lacht).

motor.de: Könntest du deine Songs singen, wenn die Personen, über die du singst, im Publikum wären?

o F F Love: Nein. Wenn jemand im Publikum gewesen wäre, hätte ich nicht auftreten können. Das ist das Ding (überlegt). Es ist schwer, gerade bei den ersten Auftritten hatte ich gerade mal eine Handvoll Songs, andere lagen lediglich als Skizzen vor, es war demnach sehr dramatisch für mich. Auf einigen Konzerten habe ich weinen müssen, weil mich die Songs zu Tränen rührten.

motor.de: Manipulierst du deswegen deine Stimme, weil du damit eine Distanz zum Publikum aufbauen willst?

o F F Love: Genau, ich meine, es sind meine Gefühle und die Situationen, die passiert sind, sind mir passiert. Ich kann nicht wissen, wie es die Hörer auffassen und interpretieren. (Überlegt) Außerdem weiß ich nicht, wie ich singen soll.

motor.de: Aber das weißt du doch, weil du eben durch das Pitchen deine ganz eigene Stimme bekommst.

o F F Love: Das stimmt schon, es ist aber auch eine technische Frage. Diese Stimme, die ich erzeuge, passt auch besser zu der Musik. Bei den ersten Konzerten war meine Stimme dermaßen high-pitched, dass ich wie ein Mädchen klang. Das war wirklich schrecklich, es klang nicht menschlich. Jetzt ist es nicht mehr entschmenschlicht, wie Akon oder so.

motor.de: Kannst du dir vorstellen eines Tages traditionelle Pop-Song zu schreiben?

o F F Love: Ich habe seit diesen Songs eigentlich kaum neue Musik mehr gemacht, ein paar neue Arrangements für die Live-Shows. (Überlegt) Vor ein paar Monaten habe ich ein paar Dinge ausprobiert, die weit davon entfernt sind, Pop-Songs zu sein. Sie sind sehr, sehr einfach und repetitiv. Ich könnte mir zwar vorstellen Songs zu machen, die sich strukturell mehr am Pop orientieren, aber ich könnte keine glücklichen oder fröhlichen Songs schreiben.

motor.de: Wenn ich dir so zuhöre und ein wenig mehr über dich erfahre, bekomme ich das Gefühl, das “Probably Love” gar nicht richtig beabsichtigt war.

o F F Love: Ich hatte nicht wirklich vor, ein Album zu machen. Einige der Songs hatte ich vor vier oder fünf Jahren geschrieben. Zwei Jahre danach habe ich mich den Songs wieder zugewandt und sie verändert, in dieser Zeit habe ich auch ein paar weitere geschrieben. Ich habe sie einem Freund vorgespielt, er mochte sie, dann haben wir zusammen ein Song gemacht und das ging immer so weiter. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das alles zustande gekommen ist, aber eines Tages haben mich die Leute von m=maximal gefragt, ob ich ein Album bei ihnen veröffentlichen würde. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die Musik außer mit jemand hören würde. Ich finde die Songs sehr persönlich, und da hatte ich noch gar nicht über den Performance-Part gedacht.

motor.de: Auch wenn du bereits Support für Chairlift und Coco Rosie warst, trittst du in Berlin häufiger in kleinen Galerien auf. Ich habe dich mal bei einem Auftritt gesehen, da hast du auf mich sehr konfrontativ und provokativ gewirkt, was wiederum erneut im Widerspruch zur Musik steht, nicht wahr? 

o F F Love: Das habe ich bereits schon mehrmals gehört, was mich immer wieder verwundert, denn ich mache das nicht bewusst. Mir fällt das gar nicht auf, ich erzähle den Leuten meine Geschichten, aber ich möchte eigentlich nicht, dass sie mit mir interagieren.

motor.de: Und arbeitest du nun an neuen Sachen, planst du deine zweite Veröffentlichung, diesmal intentional?

o F F Love: Ich will auf jeden Fall mehr Songs schreiben, ein neues Album machen und auch mehr Shows spielen. Aber so arbeite ich einfach nicht, ich sitze nicht vor meinem Laptop oder vor dem Keyboard und mache einfach so (überlegt)

motor.de: …Musik?

o f f Love: Für mich ist das keine Musik, das sind eher Gefühle. Es sind meine Gefühle. Wie wenn jemand Tagebuch führt, das ist das intimste, was man aufschreiben kann. Weird ist nur, dass ich das auch noch auf die Bühne bringe.

Interview, Foto, Text: Sebastian Weiß