‘Ode To The Sun’, so der Opener von Dredgs drittem Album ‘Catch Without Arms’, deutet es schon an: Lichtwogen durchfluten den Raum, während eine schwerelose Melodie sich unaufhaltsam in hymnische Sphären schwingt und uns dieses strahlende Loblied des emotionalen Gitarrenrocks mit einer wohliger Wärme hinterlässt. Abgerückt vom extravagant Experimentellen suchen Dredg auf diesem Album vermehrt die Grundfarben des Pop-Malkastens, um sie mit jedem Song neu zu finden und sorgsam zu vermischen. Das Resultat ist stets unwiderstehlich eingängig, genauso wie auch unbeschreiblich eigenständig.
“Wir sind immer noch irgendwo in einer kleinen Nische”, beurteilt Stimme Gavin Hayes den Status seiner Band bezüglich ihrer konsequenten Schubladenverwehrung. “Sind wir eine Indie-Band oder ein Mainstream-Act, sind wir eine Rock-Band oder sind wir dafür zu soft? Wir legen uns eben nicht gerne fest.” Somit bleibt es natürlich auch nicht nur bei der Musik als favorisierte kreative Ausdrucksform – allesamt, übrigens alte Schulfreunde aus der Highschool, hegen und pflegen die ganze Palette der feinen Künste. Während also die Instrumentalsektion von Dredg, quasi als Nebenbeschäftigung, den Independent-Streifen ‘Waterborne’ musikalisch untermalt hat, ist Gavins zweite große Passion seit jeher der bildliche Ausdruck mit Farbe und Pinsel. Und die lebt er nicht nur mit Bassist Drew in gelegentlichen Ausstellungen ihrer Werke aus. “Mein lyrischer Ansatz entstammt der Malerei. Ich male und zeichne schon sehr lange. Ich denke, Worte zu bilden, ist ähnlich wie Objekte und Formen auf eine Leinwand zu bringen.” Wie könnte man sich also am besten ein Bild von ‘Catch Without Arms’ manchen, wenn doch all die abgegriffenen Genredefinitionen vergebens erscheinen? Natürlich, mit Farben und Formen. “Unsere neue Platte ist sehr orange. Ich finde unsere Musik hat immer einen grünen Unterton, etwas Organisches, oder auch Braunes. Die neue Platte hat mehr Orange und Gelb drin, zur Aufhellung. In Bezug auf die Form denke ich, dass sie ähnlich organisch ist, kreisförmig, aber dann auch mal zackig. Allerdings ohne richtig scharfen Kanten.” Kunstvoll, aber wohltuende ungekünstelt und frei von verkopfter Abstraktion, liegen Dredgs Stärken somit im harmonisch-gefühlvollen Konsens des großen Pop-Moments, ohne dabei dessen gängigen Strukturschablonen zu folgen. “Die einzige Limitierung, die wir uns auferlegt haben, war Songs zu schreiben, die energetischer sind und einer Live-Situation besser gerecht werden. Das war das Einzige, was wir vorher diskutiert haben. Manche Melodien sind poppig und catchy, aber die Texte sind eben nicht der typische Chart-Kram.” Genauso wenig wie die Melodien für eine Fahrstuhlfahrt taugen. Stichwort Halbwertzeit. Anstatt in den allzu seichten Gefilden kontemporärer Kurzlebigkeit zu fischen, versucht Gavin derzeit lieber, das Mysterium überdauernder musikalischer Meilensteine zu ergründen. “Mich faszinieren Songs, die seit 30 oder 40 Jahren erfolgreich sind. Was macht sie zu solchen Dauerbrennern, warum sind sie immer noch so erfolgreich? Ich studiere das gerade musikalisch und textlich, und versuche, ihr Geheimnis herauszufinden.” Ob Dredg es auf ihrem neuen Album geschafft haben, den einen oder anderen Klassiker in spe unterzubringen, kann und will Gavin zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht beurteilen. Für meine Teil wage ich jedoch die Prognose, dass jeder Jäger und Sammler exquisiten Song-Materials mit ‘Catch Without Arms’ einen sehr guten Fang macht. Und ob nun potentieller Evergreen oder auch nicht, die Zeichen der Farbsymbolik stehen hier zumindest auf Hoffnung.
Text: Frank Thießies
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