Im Interview spricht Plan B über seinen Soul-Alter Ego Strickland Banks, seinen Antrieb und über seine Kindheit ohne die richtigen Turnschuhe. 

Vor drei Jahren haftete an Ben Drew alias Plan B noch das Bild des Gangsta-Rappers: Bomber-Jacke, aggressive Texte, nächtliche Eskapaden. Nach seinem Album “Who Needs Action When You Got Words” mit Geschichten über Drogen und Gewalt wurde Drew gar als “britischer Eminem hochstilisiert. Dieses Jahr veröffentlichte der 26-Jährige mit „The Defamation Of Strickland Banks“ ein Konzeptalbum, für das er in die Rolle des Motown liebenden Sängers Strickland Banks schlüpfte und Hip-Hop erstmal in den Hintergrund rückte. Seiner makellosen, hohen Stimme sei Dank, ist Plan B auf einmal zum neuen Stern am britischen Soulhimmel avanciert. Die britische Antwort auf Eminem ist plötzlich das männliche Pendant zu Amy Winehouse

Die Story des Albums: Der extrovertierte und arrogante Promi Banks wird zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs bezichtigt und landet trotz aller Unschuldsbekundungen vor Gericht und am Ende im Gefängnis. Daraufhin wird er zur Zielscheibe der Klatschblätter und zum Buhmann der Nation. Im Knast widerfahren dem Star erniedrigende Dinge, worauf das vormalige “Arschloch” beginnt, zu einem besseren Menschen zu reifen. Eine Moral, die sein Erfinder selbst vorlebt: Mittlerweile ist Drew ein ernsthafter Musiker, vielgefragter Schauspieler, sowie Autor von eigenen Drehbüchern.

Was Ben Drew in seinem Leben stets angetrieben hat und was er gemacht hätte, wenn der Erfolg nicht gekommen wäre, verrät er uns im Interview.

motor.de: Ben, Du bist Sänger, Schauspieler, Drehbuchautor. Unlängst hast Du dich als “Tarantino des Pop” bezeichnet. Wie konkret kann man sich die Gedankenwelt von Plan B vorstellen?

Plan B: Ich liebe es, dunkle Geschichten zu erzählen, beispielsweise wie auf meinem ersten Album. Mit meiner neuen Platte will ich aber auch eine andere Seite von mir zeigen. Die Leute kannten mich halt nur als wütenden, aggressiven Rapper. Nun wollte ich ein Hip-Hop- und Soulalbum veröffentlichten, um meine beiden Seiten gegenüberzustellen und zu belegen, dass ich immer noch das mache, was ich schon immer gemacht habe. Meine Ambition ist gewesen, diese beiden Platten zur selben Zeit zu veröffentlichen – das war allerdings unmöglich. Deswegen haben wir zuerst die Soulplatte auf den Markt gebracht, die Hip-Hop-Platte folgt nun auch bald.

motor.de: Auf Deiner 2006er Platte bist Du ja noch straighter Rapper gewesen. Wie hast Du über die Jahre deine Gesangsstimme entdeckt?

Plan B: Eigentlich war ich ja schon immer beides. In der Öffentlichkeit nahmen mich natürlich alle erstmal als Rapper wahr. Ich habe ja gesungen bevor ich anfing mit Rappen! Nun singe ich halt wieder. Der Grund, warum ich den Leuten meinen Gesang lange Zeit nicht gezeigt habe, war, dass ich sehr unsicher mit meiner Stimme gewesen bin. Als ich angefangen habe, zu singen, hatte ich ja keinerlei Training. Vor ein paar Jahren habe ich dann aber meine Tonart gefunden. Das hat es mir natürlich leichter gemacht, Songs zu singen, die ich vorher nicht singen konnte. Danach wurde ich selbstbewusster, was meine Stimme angeht. Für dieses Album war das auch sehr hilfreich, da nun alle Songs in der Tonart geschrieben sind, die zu meiner Stimme passt.

motor.de: Bei was fühlst Du dich jetzt wohler? Beim Singen oder beim Rappen?

Plan B: Keine Ahnung, Mann. Das ist so, als müsse man sich entscheiden, ob man nun mit einer Brünetten oder einer Blondine fxxxen will! (lacht)

motor.de: Gab es Leute, die Dir das mit der Soulnummer übel genommen oder Verrat gewettert haben?

Plan B: Scheiß drauf! Solche Leute langweilen mich! Das sind solche Typen, die das ganze Leben nur den einen Weg gehen, nicht wachsen und nicht offen für neue Sachen sind. Ich kenne Leute, die hören sich nur Drum’n’Bass an … aber, na ja … verpisst euch! (reckt den Mittelfinger in die Luft) Weißt du, ich liebe Drum’n’Bass, Dubstep, Soul, und Reggae. In zehn Jahren könnte es ja wieder eine ganz neue Musikrichtung geben – und wenn sie gut ist, dann gefällt sie mir halt. In der Musik sollte man nie jemanden genau definieren. Die einzige Definition, die ich bei mir gelten lasse, ist die, dass ich ein Geschichtenerzähler bin. Das ist das wichtigste bei mir. Stichwort Geschichtenerzähler: Das Erzählen hat mich ja auch zum Drehbuchschreiben gebracht. Im September werde ich bei einem Film Regie führen. Ich habe immer das Bedürfnis in mir, Storys zu erzählen.

Plan B – She Said (LIVE)

motor.de: Stichwort Story – wie viel Deiner fiktiven Strickland Banks-Geschichte steckt in Dir?

Plan B: Wenn man in den Medien steht, auf vielen Kanälen läuft, dann endet man als Celebrity. Viele solcher Leute haben dann Probleme, mit dem Berühmtsein umzugehen. Leute, die nicht damit umgehen können, werden zum Arschloch, besorgen sich Bodyguards, geben keine Interviews und so weiter. Ich habe viele Leute kennengelernt, wo ich mir sage: So wie die möchte ich nicht sein! Strickland Banks ist genau so einer. Er macht sich viele Feinde, die Menschen mögen ihn nicht, die Presse hasst ihn. Alle wollen ihn kaputtmachen. Wenn man mich jetzt fragt, wieviel von ihm in mir steckt, dann kann ich sagen, dass wir am Ende alle in der Lage sind, so wie er zu sein. Denn der Knackpunkt an der ganzen Geschichte ist ja: Nur weil er wie ein Arschloch handelt, muss er ja noch lange nicht schuldig sein und im Gefängnis landen. Die Story beleuchtet quasi seinen Kampf und seinen Versuch der Wiedergutmachung für die ganzen Eskapaden. Er kommt das erste Mal in eine Situation der Ungerechtigkeit, wo alle gegen ihn sind. Er lernt dann, eine bessere Person zu werden.

motor.de: Also versuchst Du auch teilweise, mit der Yellow Press abzurechnen… 

Plan B: Wie ich schon sagte: Ich bin durchaus in der Lage, mich mit Strickland zu identifizieren. Jeder kann in eine ähnliche Situation wie er kommen. Mit den Dingen, die ich momentan mache, sei es die Musik oder das Drehbuchschreiben, versuche ich, eine bessere Person zu werden. Das ist sicherlich ein großer Test. Denn was mit Strickland Banks passiert, wiederfährt ja auch mir momentan etwas. Ich werde langsam erfolgreich, Leute nehmen mich wahr und mögen mich. Und dann schreibt irgendjemand totalen Quatsch in die Zeitung und jeder glaubt es. Sonntags geht man dann ruhig die Straße entlang und jemand pöbelt einen an…

motor.de: Du hast also auch schon schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht…

Plan B: Na klar! Man schrieb schon diffamierende Dinge über mich. So ist das halt. Manchmal schreiben Leute totalen Scheiß, ohne dass es die Menschen wahrnehmen. In der Folge machen die jeweiligen Medien das Ganze noch viel größer – und daraus entstehen dann Lügen. Die Öffentlichkeit denkt am Ende: „Irgendwas muss da ja dran sein.“ So fängt der Mist immer an…

motor.de: Du hast ja bereits angekündigt, demnächst eine Reggae-Platte zu machen…

Plan B: Genau, nach dem Hip-Hop-Album, dass nun bald kommt, würde ich gerne ein Dubstep oder ein Reggae-Album machen. Einmal im Leben möchte ich Reggae machen – es muss nur der richtige Zeitpunkt dafür kommen. „The Ballad Of Belmarsh“ ist erst einmal die Fortsetzung der Strickland-Banks-Story.

motor.de: Verrätst Du uns, wie es dann mit Strickland weitergeht?

Plan B: Das kann ich natürlich nicht verraten (schmunzelt). „What You Gonna Do“, der letzte Song auf dem aktuellen Album, endet ja mit einem Cliffhanger für den Hörer: „You can set me free or bang me up“, heißt es da. Wer wissen will, wie es danach mit Strickland Banks weitergeht, soll sich „The Ballad Of Belmarsh“ kaufen.

Plan B – No More Eatin’

motor.de: Ben, in deiner Jugend soll ja nicht immer eitel Sonnenschein geherrscht haben. Denkst du, dass du heute derselbe Ben Drew oder Plan B wärst, wäre dieser Hintergrund nicht gewesen?

Plan B: Ich bin als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Wir hatten zwar ein Haus, sie war auch berufstätig, aber Geld hatten wir nicht so viel. Ich war mal auf einer bürgerlichen Sekundarschule außerhalb von London. In meinem ersten Jahr dort war ich quasi der „arme Junge“, der nicht die allerbesten Schuhe hatte. Dann kam ich wieder zurück nach London und die Leute aus den Wohnsiedlungen hatten plötzlich die besseren Schuhe und Videospiele! Deren Eltern gingen nicht arbeiten, sondern bekamen das Geld von der Regierung. Dann hielt ich mir immer vor Augen: „Deine Mutter besitzt ein Haus, aber du kommst in die Schule und siehst aus wie ein Landstreicher!“ Ich hatte ja kein schlechtes Leben. Meiner Mutter war ja gebildet genug. Wäre ich nun in privilegierteren Umständen aufgewachsen, mit diesen ganzen materiellen Sachen, dann denke ich, hätte ich diese am Ende nicht genug zu schätzen gelernt.
Aber klar, ich habe natürlich von solchen Sachen geträumt. Wenn man den Traum von etwas hat, dann kann man seine Phantasie nutzen und wird kreativ und künstlerisch. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich sehr viel gezeichnet, die ganze Zeit. Ein Beispiel: Ich hatte mir als kleiner Junge mal Turnschuhe von Nike gewünscht, konnte sie aber nicht bekommen. Ich habe die Schuhe dann einfach gemalt und meine eigenen Versionen kreiert. Oder: Irgendwann bin ich Fußballfan geworden und wollte unbedingt ein Trikot von Arsenal haben. Das konnte mir meine Mutter aber auch nicht kaufen. Das Trikot habe ich dann einfach auf ein Blatt Papier gemalt. Wenn man also etwas nicht hat, dann wird man unfassbar kreativ und bekommt viele Ideen. Das alles hat mich soweit gebracht, das ist bis heute mein Antrieb. Das Ding an der ganzen Sache ist: Zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich mir alles leisten – aber ich will nichts von alldem. Ich gebe einen Scheiß darauf. Ich bin nicht materialistisch. Ich bin einfach stolz darauf, zu solch einer Person gereift zu sein. Es geht am Ende nur darum, was hier drin ist (zeigt auf seinen Kopf) und hier drin ist (klopft auf seine Brust).

motor.de: Mal rein hypothetisch: Was würdest Du jetzt machen, wenn der Erfolg nicht gekommen wäre?

Plan B: Ich würde wieder Drogen verkaufen.

motor.de: Wirklich?

Plan B: Wahrscheinlich ja. Wenn man Drogen verkauft, kann man sich auf die Sachen konzentrieren, die man gerne macht. Und ich wollte ja immer nur Musik machen.

Text und Interview: David Rätsch