Mit ihrem wundersam orchestralen Album “The Colour Of Snow” gelten Polarkreis 18 als die Pomp-Popper der aktuellen Saison – ein wahrlich groß angelegtes Projekt!
Eine seltsame Platte ist das, mit der sich die Dresdner Band Polarkreis 18 jetzt erstmals einem größeren Publikum präsentiert: In elf Songs gibt es neben der – sehr mächtigen – klassischen Instrumentierung, singende Konzertbesucher, ein ganzes Orchester, massig Geigen und eine Vielzahl an Synthesizern. Dazu haucht Sänger Felix Räuber auf deutsch und englisch seine reichlich enigmatischen Lyrics und klingt bisweilen wie Thom York oder Maximilian Hecker, meistens aber wie er selbst. Viele jubelten schon vor der Veröffentlichung, sprachen von dem besten deutschen Album des Jahres und weissagen den sechs Machern eine große Zukunft voraus.
Das wird man sehen müssen – noch fremdelt der Power-Pop aus dem Bundesland Sachsen ein bißchen und ist vielleicht eine Spur zu viel mit sich selbst beschäftigt. Aber fraglos rührt sich da etwas in der opulenten Theatralik und der wuchtigen Verlassenheit der Songs von Polarkreis 18. “Wir haben mit unserem ersten Album Kritiker und Fans zugleich gewinnen können und wollten mit ‚The Colour Of Snow’ alles ausprobieren, was uns möglich erschien”, versucht Felix Räuber eine Erklärung, “alles, was wir tun, dreht sich darum, diesen Moment der Möglichkeit einzufangen!”
Das nationale Interesse ist für Polarkreis 18 auch eine Herausforderung. Ein Teil der Band meinte nach dem selbstbetitelten Debüt im vergangenen Jahr, das zu lange an den Songs gearbeitet wurde. Stimmt, seit der Schulzeit sind sie nun schon eine musikalische Gemeinschaft und schraubten knapp vier Jahre am Erstling. Diesmal ging es offensichtlich schneller: “Nicht ganz, denn ‚The Colour Of Snow’ entstand nicht allein im letzten Jahr. Auch hier haben wir länger dran gearbeitet.”
Apropos, denn der Ort der Arbeit spielt ausnahmsweise mal eine sehr wichtige Rolle in der Rezeption dieser Platte. Weilheim gilt seit zwei Dekaden als Schmelztiegel für Acts wie The Notwist, Console oder auch Slut. Mario Thaler ist der Kopf dahinter und produzierte für “The Colour Of Snow” das letzte Mal in der bayrischen Provinz. “Es war schon beeindruckend in diesen Studios aufnehmen zu können, aber trotzdem sind sie nicht die Abbey Roads und man kann sich vollends auf die Musik konzentrieren. Auch Mario hat uns absolut freie Hand gelassen und nicht versucht, seine letzte Weilheim-Platte so klingen zu lassen, wie er es gerne hätte!”
Irritierend war für ihn vermutlich der Wunsch der Band, auf ihrer ersten Single “Allein Allein” einen tausend Köpfe zählenden Chor den Refrain singen zu lassen. Freilich war nicht in Weilheim die Hütte voll, sondern der Schlachthof in Dresden diente als Treffpunkt: “Wir hatten dort letztes Jahr ein vorweihnachtliches Konzert und kamen auf die Idee, den Song einfach mit all den Leuten zu singen, die unseren Gig besuchten.” Was Felix Räuber hier erklärt, ist sinnbildlich für den gesamten großen Bruder von “Allein Allein”: Nichts wird zurückgefahren, keine Kompromisse werden gemacht und wenn am Ende nicht der Olymp erreicht werden sollte, muss irgendwas schief gelaufen sein.
Das sind natürlich Widersprüche, einen eskapistischen Titel wie “Allein Allein” mit 1000 Menschen zu singen – die zwar nebeneinander stehen, sich aber in den seltensten Fällen kennen. Und doch liegt in solchen Projekten der Reiz von Polarkreis 18: Entgegen des provinzialischen Indie-Rock-Hypes Marke Kilians, Madsen oder auch Muff Potter, nutzen die Dresdner ihre abgeschiedene Lage auf der Landkarte um etwas ganz anderes auf die Beine zu stellen – ohne Plan dahinter, wie sie betonen: “Wir sind nicht an die Sache herangegangen, weil das irgendwem von uns clever erschien. Das ist der Sound, den wir schon immer mochten und verfolgten. Finde ich deswegen auch völlig legitim, wenn eine Band mal mit etwas anderem daherkommt.”
Unter “Vergleiche” kann man die üblichen Verdächtigen eintragen, wenn “The Colour Of Snow” in der heimischen Anlage läuft – ohne Frage! Aber vielleicht wäre es am besten, das alles wieder zu vergessen: Die Vergleiche, die Verdächtigen, nur Polarkreis 18 vielleicht doch nicht gleich.
Marcus Willfroth
Polarkreis 18 on tour
08.10.08 – München, Ampere (Amazon.de-Konzert)
10.10.08 – Berlin, Postbahnhof ( Sally*sounds @ Fritzclub)
15.10.08 – Dresden, Scheune (Releasekonzert)
27.10.08 – UK – London, Blow Up Metro Musexpo
25.11.08 – Potsdam, Waschhaus
26.11.08 – Hamburg, Übel & Gefährlich
27.11.08 – NL – Den Bosch, W2
28.11.08 – NL – Amsterdam, Paradiso
29.11.08 – Köln, Gebäude 9
01.12.08 – Leipzig, Werk 2
02.12.08 – München, Ampere
03.12.08 – A – Innsbruck, Weekender
05.12.08 – A – Wien, Flex
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