Nach dem eher durchwachsenen “Lullabies To Paralyze” und der Trennung von Kreativpartner Nick Oliveri schien die Zukunft der Queens Of The Stone Age zuletzt ein bisschen im Dunkeln zu liegen. Daheim mit Frau Brody Dalle und seiner mittlerweile 16 Monate alten Tochter fand Homme zur Besinnung und schöpfte neue Kraft. Solchermaßen gerüstet holte er schließlich gemeinsam mit den Kollegen Joey Castillo und Troy van Leeuwen zum mindestens zweitbesten Schlag der neuformierten Kapelle aus: “Era Vulgaris“. Ein Gespräch mit Josh Homme über die Rollenverteilung auf Piratenschiffen, die Kunst des perfekten Rauschkringelblasens und die Sache mit dem Messer im Rücken des Freundes.

Hallo Josh, darf man rauchen?
Klar, solange du mir Kippen abgibst! Meine sind alle – (singt:) I’m a smoking machine. (steckt sich eine an und bläst die perfekten Rauchkringel)

Hey, das ist ziemlich gut!
Yeah, darin habe ich Übung, ich hab’ schon so einiges weggeblasen. (lacht)

Obwohl du doch abends immer singen musst…
Weißt du, eine Sache habe ich bereits vor Jahren gelernt: Wenn du besonders gut auf deine Hände achten willst, achte nicht auf deine Hände – das funktioniert in neun von zehn Fällen.

Singen hat ja generell viel mit Psychologie zu tun.
Vor allem geht es darum, seine Stimmbänder zu trainieren wie einen Muskel und immer wieder zu relaxen. Ansonsten achte ich nicht besonders… obwohl: Ich achte schon auf meine Gesundheit, aber ich packe mich selbst nicht in Watte. Das heißt nicht, dass ich mit meinem Körper Raubbau betreibe, ich mag es nur nicht, mir über ihn zu viele Gedanken zu machen, das macht mich automatisch krank und lässt mich denken, dass ich nicht funktioniere.

Scheint eine gute Strategie zu sein – deine Stimme klang gestern Abend beim Konzert besser denn je…

Ich will einfach immer besser werden! Ich kann es nicht leiden, wenn andere Bands auf der Bühne auf verstimmten Instrumenten spielen oder der Sänger die Töne nicht trifft. In jedem Fall möchte ich vermeiden, dass man mir so etwas nachsagen kann, also arbeite ich ständig daran, besser zu werden. Manchmal macht genau das den kleinen Unterschied aus. Und dann verstehe ich mittlerweile Dinge, die ich früher nicht verstanden habe. Eigentlich wollte ich ja überhaupt kein Sänger sein, das ergab sich nur aus der Not. Ich habe immer sehr darauf geachtet, was ich singe. Musikalisch kann man das ganz große Drama abziehen, Wagner hoch fünf, aber bei Gesangsmelodien musst du aufpassen – da begibt man sich leicht auf vermintes Gebiet. Man darf die Melodien nicht zu abgedroschen und überladen gestalten. Nachdem ich also zunächst gar nicht singen wollte, macht es mir nun richtig Spaß. Ich will heute singen, wie ich es noch nie getan habe, was uns zu unserem neuen Album führt.

Als ich es zum ersten Mal hörte, dachte ich: Das ist nicht unbedingt die Art von Platte, die Plattenfirmenverantwortliche gerne hören wollen…
(lacht)

Haben sie dir Ärger gemacht?
Mit jedem neuen Album stellen wir uns den Fans und dem Label von nNuem vor, da wir nie zweimal hintereinander dieselbe Platte machen. Und bei den Leuten von der Plattenfirma ist das mitunter nicht so leicht… Da sie keine Ahnung vom Musikmachen haben, sind diese Leute leicht zu verängstigen. Ich spielte ihnen die neuen Songs vor und sie so: “Was zur Hölle ist das, das klingt anders als alles andere, was wir kennen”. Darauf ich: “Natürlich klingt es anders, darum geht’s schließlich hier”, und sie: “Können wir…” ich: “Nein, könnt ihr nicht. Fasst dieses Zeug nicht an oder ich breche euch alle Knochen.” Sie meinten, sie würden die Songs wirklich mögen, aber sie würden so schräg klingen, was mich glücklich machte, weil ich ja wollte, dass sie schräg klingen. Es war mir wichtig, Joey (Castillo, Schlagzeuger) einen guten Sound zu geben. Auf der letzten Platte hat er einfach gespielt, was ich ihm gesagt habe, da er ja noch nicht so lange dabei ist. Jetzt sollten die Leute merken, wie wichtig er und Troy (van Leeuwen, Gitarre) inzwischen sind.

Eine überraschende Entwicklung. Als ich vor zwei Jahren mit Joey sprach, sagte er, dass er und Troy nach dem Ausstieg Nick Oliveries eher zufällig dabeigeblieben seien, da sie eben nach der damaligen Tour als einzige übrig geblieben sind…

Da war er wohl ein bisschen sehr bescheiden. Ich sage dir hier und heute: Es hat 15 Jahre gedauert, bis ich endlich solche Musiker wie ihn und Troy gefunden habe. Keine Pussies, kein übertriebenes Ego, mit einem vorbildlichen Sinn für das große Ganze. Sie sind kritikfähig, sagen aber auch ihre Meinung. Was uns verbindet, ist, dass wir alle Teil der bestmöglichen Musik sein wollen. Egal, von wem was wie kommt – das Ergebnis zählt. Wir haben zum Beispiel an diesem Song gearbeitet – einem Zigeuner-Marsch – von dem ich wusste, dass er irgendwann ganz toll werden würde, es fehlte aber noch die entscheidende Idee. Der einzige Song, den wir dreimal aufnahmen im Übrigen. Ich beschwor die anderen, ihn ein weiteres Mal zu spielen und sang ihn immer wieder. Da meinte Joey: “Hey Mann, wir können diesen Song so oft aufnehmen wie wir wollen, die Idee ist einfach noch nicht ausgereift, da musst du noch mal ran!” Und er hatte Recht! Genauso funktionieren wie heute tatsächlich, als eine richtige Band. Das hier ist nicht Josh Homme plus Person X. Wenn einer von uns nicht zufrieden ist, wird’s nicht gemacht. Punkt. Zumal wir diese Ideen ja später wieder aufgreifen können. Aber keiner von uns könnte mit einem schlechten Song auf der Platte leben.

Video: Sick, Sick, Sick

An welchem Punkt kommen die anderen denn ins Spiel? Arbeitest du deine Ideen vorher alleine aus?
Ernsthaft: Da gibt es überhaupt keine Regeln. Ich habe keinerlei feste Gewohnheiten, da ich die ganze Zeit über an Songs arbeite. Ich bin keiner dieser Leute, die man ins Studio prügeln muss, um ein neues Album zu machen. Auf dieser Interviewreise habe ich meine Gitarre nicht dabei und ärgere mich jeden Tag darüber. Nach einem langen Tag des Redens gibt es nichts Schöneres, als ein bisschen Musik zu machen. Wenn ich nach Hause komme habe ich zwei Wochen Zeit und dreimal darfst du raten, was ich machen werde: Das nächste Eagles Of Death Metal-Album einspielen!

Noch mal kurz zurück zu der Sache mit den Erwartungen: Zwar hat die Platte definitiv wieder einen Pop-Touch, der erschließt sich aber erst nach mehrmaligem Hören. Für allgemeine Hörgewohnheiten klingt vieles zunächst sehr sperrig. Wie leicht ist es, Erwartungen nicht zu erfüllen? Schließlich wäre es nach “Songs For The Deaf” doch so einfach gewesen, genau nach diesem Rezept weiterzuverfahren…
Das höre ich oft. Die Leute wollen immer, dass man derselbe bleibt, sich aber trotzdem verändert – eine unmöglich zu bewältigende Anforderung. Was mich betrifft, so ist es wichtig, sich absolut nicht zu wiederholen. Und wir müssen Spaß an der Musik haben, das ist das Wichtigste. Ich sage den Leuten von der Plattenfirma immer, dass ich sie anrufe, sobald alles fertig ist. Das passt ihnen natürlich nicht, worauf ich stets erwidere, dass sie mich auch gerne feuern können, ich aber unbedingt die Musik machen müsse, die sich für mich richtig anfühlt.

Auf jeden Fall der schwierigere Weg…

Ich liebe es schwierig, Widerstände sind toll! Es geht nicht darum, zu gewinnen oder zu verlieren, sondern um die Umsetzung einer Vision.

Ihr habt abermals keines festen Bassisten, ist das deine Art, Nick (Oliveri, Ex-Bassist) Respekt zu erweisen?

Nick ist natürlich ein großartiger Bassist, aber das ist nicht der einzige Grund. Im Studio streiten Troy und ich uns ständig, wer Bass spielen darf, Bassspielen ist toll! Was Nick betrifft: Diese ganze Geschichte, vor allem die Art und Weise, wie sie gelaufen ist, ist nichts, worauf ich stolz bin. Allerdings trifft mich da auch nicht die Schuld. Okay, ich war derjenige, der schließlich, sinnbildlich gesprochen, das Messer gezückt hat, aber ich hatte nicht darum gebeten, es zücken zu müssen, wenn du verstehst.

Es gehören immer zwei dazu.
Absolut. Aber ich möchte mich nicht an all diesen kursierenden Schuldzuweisungen beteiligen, das ist mir zu schäbig. Ich weiß nur, dass es einfach nicht mehr ging.

Es gab Gerüchte, dass ihr für dieses Album wieder zusammenfinden würdet…
Klingt so, als hättest du das aus dem Internet. Klingt so, als wäre das genau einer dieser Gründe, weshalb ich dieses Medium nicht nutze.

Nicht?
Doch, schon. Aber nicht, wenn es um Rock-Angelegenheiten geht. Ich habe keinen Blogg oder so. Ich weiß, was in meinem Leben passiert und bin also nicht auf Deutungen anderer Leute angewiesen. Damit will ich mich einfach nicht belasten. Stell dir einfach vor, es ginge um dich. Wildfremde Leute würde extra für dich eine Website einrichten, auf der sie sich dann über alle Aspekte deines Lebens auslassen und sich wilden Spekulationen hingeben. Ich würde dir wohl empfehlen, damit nicht deine Zeit zu vergeuden – einfach, weil ich es nicht für besonders gesund halte, sich damit auseinanderzusetzen. Ich weiß, wer ich bin – und zwar besser als jeder andere! Manche Leute mögen uns, andere nicht – und beide haben vermutlich ihre Gründe.

Mit all diesen ganzen Geschichten um Nick, Brody Dalle und was da noch alles war, schien die letzte Platte aus einer sehr schwierigen und dunklen Phase deines Lebens zu kommen…

Absolut, das ist auch der Grund, warum wir damit kaum getourt sind. Ich war sehr traurig und ganz krank im Kopf. Ich konnte nicht begreifen, warum die Leute nicht verstanden, was es wirklich für uns bedeutete, diesen Schritt zu gehen. Sie haben es sich leicht gemacht, das tun sie immer: “Hey, du hast deinen Freund verraten!” Aber macht sich hier irgendeiner ein Bild davon, wie schwer mir das gefallen ist? Damals wollte ich einfach nur über Musik reden, das war aber nicht möglich. Also nahm ich mir eine Auszeit, ging nach Hause, kümmerte mich um den Haushalt und verbrachte Zeit mit meiner Frau.

Und deiner Tochter, oder?

Genau! Sie ist 16 Monate alt und ganz toll! Ich vermisse sie sehr, sie ist die beste Musik, die ich je geschrieben habe. (lacht)

Was verändern Kinder?
Was das tägliche Leben betrifft: Ein Menge, beinahe alles. Wenn es um Musik geht aber gar nicht mal soviel. Und wenn du mich jetzt fragst, ob ich immer noch hinter dem (drogenverherrlichenden) “Feel Good Hit Of The Summer” stehen kann: Absolut, ich denke gerade darüber nach, ihn wiederzuveröffentlichen. Denn auch dieser Song ist nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint. Das ist ja eine sehr überspitzte Darstellung dieses Lebensstils. Ich weiß, was ich getan habe und tue und kann dazu stehen. Trotzdem genieße ich die aktuellen Veränderungen in meinem Leben. Ich hätte nie gedacht, dass ich soviel Liebe geben kann. Und dann war ich auch nie so sehr Sklave irgendeiner Substanz, dass das meine tägliche Balance gestört hätte. Man muss einfach mit sich selbst im Reinen sein, dann geht vieles.

Wann hast du nach dieser ganzen Geschichte wieder angefangen, über eine neue Platte nachzudenken?
Es gab nur einen fertigen Song, als wir ins Studio gingen. So schlecht waren wir noch nie vorbereitet, wir hatten zum ersten Mal nicht die geringste Ahnung, was wir überhaupt machen. Wir waren bereits drei Monate im Studio, als ich der Plattenfirma sagte, dass wir ein neues Album machen wollten. Ich denke, es ist nicht fair, das Vertrauen anderer Leute zu missbrauchen, wenn du selbst noch nicht weißt, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Aber schließlich schälte sich eine Richtung heraus. Es geht nicht darum, zu wissen, wie das fertige Album klingt, aber man muss eine ungefähre Richtung haben. Irgendwann hat es gefloppt und ab da war dann alles erlaubt.

Das hat sich dann wohl gelohnt – meines Erachtens ist es euer zweitbestes Album.

Für mich ist es wahrscheinlich sogar mein liebstes. Ich meine, ich mag sie alle und höre sie auch nach wie vor gerne.

Schön, dass das mal einer zugibt. Sonst behaupten immer alle, sie würden nie ihre eigenen Platten hören…

Ja, das ist so verrückt! Ich kann das überhaupt nicht verstehen, ich liebe es, meine eigenen Platten zu hören.

“Sick Sick Sick” ist ein herausragender Song.
Letztlich geht es da um die Erforschung eines einzelnen Akkords. Die Spannung ergibt sich aus der Kommunikation mit dem Schlagzeug, das keinerlei Fills spielt, dessen Kickdrum aber ständig variiert. Wir nahmen den Song zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Produktion auf und hatten nur vier Schlagzeug-Mikros platziert, deshalb klingt “Sick Sick Sick” so roh, wir hatten zu diesem Zeitpunkt gar nicht die Möglichkeiten, ihn anders klingen zu lassen.

Auf diesem Song gastiert Julian Casablancas von den Strokes, wie kam es dazu?
Ja, er hat gesungen und außerdem eine Casio-Digital-Gitarre gespielt. Ein furchtbar hässliches Plastikinstrument, das scheiße aussieht – egal, wer es spielt. Aber es klingt sehr interessant. Die falschen Instrumente zweckentfremden und etwas Cooles mit ihnen machen, das macht Spaß. Julian war drei Tage bei uns. Wir haben noch ein paar andere Sachen probiert, aber bei diesem Song hat es perfekt funktioniert. Das war toll, wir waren absolut auf einem Nenner.

Woher kanntet ihr euch?
Wir hatten in den USA mit Eagles Of Death Metal im Vorprogramm der Strokes gespielt und haben uns angefreundet.

Stimmt, hier haben die Eagles auch im Vorprogramm der Strokes gespielt – allerdings ohne dich…
Ja, ich weiß, eine Schande! Ich wäre so gerne dabei gewesen, musste aber an dieser neuen Queens-Platte arbeiten. Ich war verdammt neidisch, als die anderen abgezogen sind.

Bei einem weiteren Song, der sogar “Era Vulgaris” heißt, gastiert Trent Reznor von Nine Inch Nails – der ist nun aber nicht einmal auf der Platte…

Ja, das ist witzig. Aber: “Houses Of The Holy” von Led Zeppelin war auch nicht auf dem Album “Houses Of The Holy”. Außerdem wollte ich diesem Song ein besonderes Forum verpassen. Er steht sehr gut für sich alleine und macht sich nicht so gut zwischen alle den anderen auf der Platte. Also haben wir uns dafür entschieden, ihn gratis zum Download freizugeben.

Gibt es noch irgendwelche Wunschkandidaten, mit denen du gerne arbeiten würdest?
Das kann ich jetzt gar nicht sagen, da ich da vorher wirklich nie drüber nachdenke. Die Songs erzählen dir, wer zu ihnen passt. Ich arbeite an etwas und auf einmal macht es klick: dieser oder jener Musiker passt hier rein. Wie generell beim Musikmachen warte ich auch hier auf das richtige Zeichen. Kein Druck, kein Stress.

Irgendwo hast du gesagt, dass dieses neue Album ein Werk des Sich-nicht-Entscheiden-könnens sei. Tatsächlich musst du aber doch sehr entscheidungsfreudig sein, da am Ende des Tages mit all diesen vielen Musikern und Ideen ja du die finale Entscheidung fällen musst…
Gar nicht mal so sehr. Im Optimalfall ergeben sich diese Dinge ganz von selbst durch die Beiträge all dieser Menschen. Ich fülle höchstens die Lücken. Ich liebe es einfach, mit anderen Menschen zu arbeiten. Die Rollen zu vertauschen, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Jeder bei uns ist gleich wichtig, jeder hat seinen Platz. Die Leute sagen, der Rhythmus-Gitarrist sei nicht so wichtig, aber es kann ein ganzes Leben dauern, bis zu jemand gutes für den Job findest. Manche Musiker haben vielleicht kein Talent, Songs zu schreiben, aber dafür erkennen sie andere wichtige Dinge. Viele denken, der Kapitän sei der wichtigste Mann auf einem Piratenschiff, aber das ist falsch! Wenn der Rigger einen Fehler macht, sterben genauso alle, wie wenn der Kapitän einen Fehler macht. So sehe ich uns: Wie auf einem Piratenschiff. Wenn andere Leute die Dynamik, nach der wir funktionieren, nicht verstehen, kann ich nur sagen: Schaut genau hin. Einige denken, ich sei ein Kontrollfreak, andere finden, ich sollte die Zügel mehr in die Hand nehmen, ich sage: schaut genau hin, wie diese Band funktioniert. Die Leute sind so fixiert auf ihr Bild von einer Sache, dass sie den Blick für die Wahrheit verlieren.

Fühlst du dich oft missverstanden?

Das ist schon okay. Ich verstehe ja, dass es für manche Leute schwer vorstellbar ist, wie wir funktionieren. Wir wissen ja manchmal selbst nicht wie das alles funktioniert. Ich will die Leute überraschen und ich will von anderen Leuten überrascht werden. Er gibt keine allgemein gültigen Regeln.

Text: Torsten Groß