Der Sänger der Chili Peppers spricht offen über seine Wahlheimat L.A., Drogen, die mitunter komplizierte Freundschaft zu Flea, seine im letzten Jahr erschienene Biographie und einen späten Kinderwunsch.
Nach all den Jahren seid ihr immer noch „Out In LA“, wie es im Songtitel heißt. Was bedeutet dir deine Heimatstadt heute?
Zunächst: Ich liebe diese Stadt. Ich lebe sehr gerne hier, brauche aber auch immer wieder Abstand von meiner Heimat. Von Zeit zu Zeit muss man L.A. einfach den Rücken kehren, das ist wichtig. Umso glücklicher bin ich dann allerdings wieder zurück zu kommen.
Würdest du von einer Hassliebe sprechen?
Nein, Hass ist ein zu großes Wort. Ich brauche nur von Zeit zu Zeit etwas Abstand. Witzigerweise lerne ich, je länger ich hier lebe, immer mehr Dinge an L.A. zu schätzen – ich entdecke ständig noch Neues! Im letzten Jahr zum Beispiel hatten wir hier den schlechtesten Winter seit über hundert Jahren. Es regnete wochenlang jeden Tag, und das ist nun ganz und gar untypisch für die Stadt. Wir konnten es gar nicht glauben. Um nicht die ganze Zeit nur zu Hause rumzuhängen, haben meine Freundin und ich uns ein kleines Spiel ausgedacht. Wir nahmen uns vor, jedes Wochenende eine andere Ecke von LA aufzusuchen, in die wir uns länger nicht mehr verirrt hatten. Einmal waren wir so in Chinatown und am nächsten Sonntag in Little Tokio, Old Pasadena oder irgendwo anders. All die kleinen Mikrokosmen inmitten dieser riesigen Stadt haben wir so neu entdeckt. Es kann einem nämlich in diesem Moloch ganz schnell passieren, dass man sich die ganze Zeit über nur in einer bestimmten Gegend aufhält und darüber vergisst, dass es nur eine halbe Stunde entfernt wieder eine völlig andere Welt zu entdecken gibt. Man kann einfach immer wieder Neues entdecken, das macht LA für mich so attraktiv.
Aber ist es für dich nicht mitunter so, dass du an jeder zweiten Ecke auch an schmerzhafte Perioden deines Lebens erinnert wirst und dich so nie so ganz von deiner Vergangenheit als Junkie lösen kannst, so lange du hier wohnst?
Klar, in bestimmten Gegenden ist das so. Manchmal gelingt es aber auch, diese negativ besetzten Orte mit neuen Bedeutungen zu füllen. Beispiel Echo Park: Dort habe ich in meinen frühen Zwanzigern eine Menge Zeit verbracht. Das war eine sehr seltsame, schwierige und auch dunkle Lebensphase. Vor einiger Zeit bin ich nun mit meiner Freundin um den Echo Park Lake gelaufen. Wir sind einfach so rumgestreunert und haben uns ein bisschen verlaufen. Und An diesem Tag hatte der Park auf einmal nicht mehr diese destruktive Bedeutung für mich. Seitdem gelingt es mir, die Schönheit der Landschaft zu erkennen, neue Erinnerungen zu schaffen. Und so geht es mir auch mit einigen anderen Orten. Du siehst: die Geister der Vergangenheit können auch ausgetrieben werden.
Im anderen Fall würde das Leben in L.A. für dich ja auch einem ständigen Spießrutenlauf gleichkommen…
Ja, das wäre schrecklich. Nein, ich sehe dieselben Ecken, die ich schon vor 20 Jahren kannte, sehe sie aber mittlerweile mit anderen Augen. Die Stadt hat sich ja auch verändert.
In deiner Biographie schilderst du ziemlich ehrlich deine Drogenprobleme, auch aus der Zeit, in der die Öffentlichkeit eigentlich dachte, du seiest lange clean. Inwiefern hast du dir mit diesem Buch endgültig deine Dämonen von der Seele geschrieben, war es auch eine Therapie?
Man denkt immer, dass so etwas therapeutisch sein sollte. Tatsächlich habe ich die therapeutische Phase aber bereits vorher durchgemacht. Es war ja auch nicht das erste Mal, dass ich diese Geschichten erzählt habe. Alle Erlebnisse aus dem Buch hatte ich auch bereits vorher schon geschildert, nur eben nie alle zusammen und gebündelt. Nein, von wenigen Ausnahmen abgesehen war das weniger therapeutisch sondern vor allem harte Arbeit. Unglaublich viel harte Arbeit sogar.
Nicht zuletzt sicher auch die dahinter stehende enorme Erinnerungsleistung…
Ja, das auch. Vor allem aber die schiere Quantität an Zeit, die es mich gekostet hat, all diese Erinnerungen zu bündeln, auszufiltern und in einem Buch zusammenzufassen. Diesen Aspekt hatte ich vorher total unterschätzt! Ursprünglich waren einige wenige Monate angesetzt, im Endeffekt hat die Arbeit an dem Buch aber fast neun Monate in Anspruch genommen.
Nun liegt die von dir im Buch beschriebene Zeit ja auch schon wieder eine ganze Weile zurück. Ist es denn dabei geblieben, hast du tatsächlich seit Weihnachten 2000 keine Drogen mehr genommen hast?
Tatsächlich war es sogar zwei Tage vor Weihnachten und nein, seitdem habe ich nichts mehr angerührt.
Glückwunsch. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück in ein normales Leben ist ja die Restabilisierung des sozialen Umfelds und das man guckt, wer von den alten Freunden überhaupt noch gut für einen ist, und wer vielleicht nicht. Wie hat sich vor diesem Hintergrund und auch ganz allgemein die Band betreffend in all den Jahren deine seit frühester Jugend bestehende Freundschaft zu Flea entwickelt?
Unsere Freundschaft war teilweise massiven Veränderungen unterworfen! Mir ist aber mittlerweile ein wesentlicher Aspekt klar geworden: Flea und ich, das muss man wissen, haben ein sehr schwieriges Verhältnis zueinander, das teilweise durchaus feindselige Züge trägt. Wir gehen zwar freundlich und respektvoll miteinander um, aber unterschwellig schwingt stets ein unausgesprochener Konflikt mit. Ein bisschen, wie das auch häufig bei leiblichen Brüdern zu beobachten ist. Auch wenn man seine Geschwister natürlich liebt, gibt es dort ja auch immer Konkurrenzdenken und Missgunst – und so ist das auch bei uns. Dadurch, dass ich heute glücklicher und zufriedener mit mir selbst bin, und das hat wiederum mit meiner Drogenabstinenz zu tun, haben sich aber viele dieser ständigen Kämpfe zwischen mir und Flea inzwischen etwas gemildert. Denn je zufriedener ich mit mir selbst bin, umso besser und gerechter kann ich natürlich auch mit anderen umgehen. Außerdem ist mir klar geworden, was für ein tolles Geschenk das auch ist – in Flea einen Freund fürs ganze Leben zu haben. Neulich hat jemand zu mir gesagt, dass es einige wenige Gaben gibt, die wir relativ am Anfang unseres Lebens bekommen, und die uns dann bis ans Lebensende erhalten bleiben. Dazu zählen deine Familie, die Musik, die du machst sowie einige wenige Freunde, die dir immer treu bleiben. Andere Dinge wiederum, die meisten sogar, kommen und gehen. Flea gehört definitiv zur ersten Kategorie, und dafür kann ich mittlerweile dankbarer und respektvoller sein als noch vor einigen Jahren. So etwas ist alles andere als selbstverständlich!
Zumal eure Freundschaft ja über all die Jahre auch die Basis der Red Hot Chili Peppers war und ist. All die vielen Musiker, die über die Jahre in der Band gespielt haben – ihr beide wart immer da…
Ja, das stimmt, wir waren immer da. Mit einer Ausnahme: In den Achtzigern haben sie mich mal für etwa einen Monat rausgeschmissen. Aber im Geist war ich glaube ich trotzdem stets präsent.
Mittlerweile ist Chad Vater geworden, Flea sogar zum zweiten Mal, seine erste Tochter Clara ist bereits 17. Also sind John und du mittlerweile die einzigen in der Band ohne Kinder. Gibt es da irgendwelche Pläne?
Ich bin auf jeden Fall heute offener für solche Überlegungen, als das jemals zuvor der Fall war. Die Idee, Kinder zu kriegen mochte ich ja eigentlich immer schon – nur wollte ich mich nie mit der Realität arrangieren weil sie mir Angst machte, ich mich zu unreif fühlte, diese enorme Verantwortung zu schultern. Keine Ahnung, wie es John geht, aber bei mir hat sich das mittlerweile geändert. Ich fühle mich jetzt in der Lage, mich dieser Herausforderung zu stellen. Mal sehen, was daraus wird. Das muss wohl die größte Sache im Leben eines Menschen sein und ich bin interessiert daran, diese Erfahrung zu machen. (lacht)
Das 25. Bandjubiläum kommt mit riesigen Schritten auf euch zu, in anderthalb Jahre ist es soweit. Gibt es da schon irgendwelche Pläne?
Mir ist noch nichts zu Ohren gekommen. Ich vergesse auch immer unser genaues Gründungsdatum. Aus diesem Grund haben wir bereits vergessen das 20. Jubiläum zu begehen. Aber ich bin mir sicher, dass wir uns etwas einfallen lassen wenn es soweit ist. Momentan steht für mich allerdings im Vordergrund unsere neue Platte fertig zu stellen und so gut zu machen, wie irgend möglich.
Klar. Sorry übrigens, dass es hier kaum um das Album ging. Wir hatten gerade nur einmal die Gelegenheit, es zu hören, und bei so viel Material kann ich da noch nicht wirklich etwas zu sagen, das wäre unseriös.
Das ist völlig in Ordnung.
Trotz all der vielen Zerwürfnisse und sonstigen Probleme habt ihr länger durchgehalten als irgendjemand das wohl für möglich gehalten hätte. Als du damals bei Flea und Hillel in die Band eingestiegen bist, hättest du da auch nur eine Sekunde gedacht, dass ihr 23 Jahre später immer noch da seid und das auch noch erfolgreich?
Ach wo, niemals. Das verrückte dabei ist, dass wir schon mit aller Kraft versucht haben uns zu zerstören, bevor wir überhaupt richtig angefangen hatten – und so ging es dann ja eigentlich immer weiter. Ich meine: vor den Aufnahmen zur ersten Platte ist bereits die halbe Band wieder ausgestiegen. Zu dieser Zeit konnten wir nicht einmal sicher sein, ob wir auch nur eine einzige Woche fortbestehen würden – geschweige denn Monate oder gar Jahre. Wir sagten immer nur: Wer auch immer da oben gerade zuhört, bitte lass uns nur eine weitere Woche eine Band sein! Es gibt aber dieses große Paradox im Leben: Wenn du keine großen Erwartungen an irgendetwas hast, klappt es erst recht. So war das bei uns. Wenn du mit der Erwartung an die Ewigkeit an eine Sache rangehst, ist vielleicht nach einem Jahr wieder alles vorbei. Wir haben nie über diese Dinge nachgedacht und sind vielleicht gerade deshalb heute noch hier.
Und Bands wie die Stones haben ja mittlerweile auch gezeigt, dass man diesen Job länger machen kann als wir alle früher gedacht hätten.
Nun, diese Jungs werden wohl noch bis in alle Ewigkeit weitermachen. Ich meine, sie sind immer noch alle am Leben, das ist unglaublich – Gott segne sie!
Mittlerweile hast auch du die Vorraussetzungen für eine ähnlich lange Karriere endgültig geschaffen. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass dein Schicksal auch hätte ein ganz anderes sein können. Der Komiker John Belushi (Blues Brothers) ist hier in diesem Hotel, dem Chateau Marmont, und nur einen Bungalow weiter an einer Überdosis gestorben – daran musste ich vorhin noch denken, als wir hier angekommen sind. Das hätte auch dir passieren können. Zumal du während deiner Abstürze immer wieder hier abgestiegen bist.
Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber ein solches Ende war mir nie bestimmt.
Text: Torsten Groß
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