Einige Bands scheinen das Ergebnis eines langen, geplanten Prozesses zu sein. Erst landen vielleicht ein paar Songs im Internet, dann kommt langsam der Hype, und nach langen und entbehrungsreichen Jahren, Lobhudeleien und Verrissen, verpatzten und genialen Auftritten kann man eine CD im Laden kaufen Tracks im Online-Shop seines Vertrauens erwerben. Rhonda ist das egal.
Man hat es ja auch nicht mehr nötig, sich langsam und mühselig eine Karriere aufzubauen. Mehrere Bandmitglieder, darunter Sängerin Milo, waren bereits bei den Trashmonkeys aktiv. Dann kam irgendwann die Idee, einen neuen Sound anzutesten – irgendwie vintage und soulig mit einer verdammt starken Stimme – und das war sie, die Geburtsstunde von Rhonda.
Blendet man diesen … sagen wir mal Bandgründungsmythos aus, scheint es eher so, als hätte es Rhonda schon immer gegeben, aber nicht heute, eher in den 1960er Jahren, und auch nicht hier, sondern irgendwo in den Staaten. Rhonda scheinen aus einem Multidimensionalen-Zeit-Vortex heraus zu singen, denn ihre Herkunft hört man ihnen wahrlich nicht an. In diesen Tagen ist das Debütalbum der Band, Raw Love, erschienen. Grund genug, sich auf eine Zeitreise zu begeben, die allerdings nicht im Labor eines verrückten Wissenschaftlers, sondern im Gibson Showroom im Herzen Berlins ihren Anfang nimmt. Hier haben wir Rhonda, genauer Sängerin Milo Milone und Bassist Jan Fabricius, getroffen, just am Tage der Veröffentlichung ihres Debüts:
Das erste Album ist ja sowieso immer etwas ganz besonderes, aber gibt es eine Sache an Raw Love, die euch ganz besonders stolz macht?
Milo: Eigentlich ist es wie du schon sagst das Gesamtpaket. Aber man hat zwischendurch immer ein paar Perlen, die man besonders mag. Dazu gehört sicherlich der letzte Song der Platte, I Need No Help, weil der etwas sehr düsteres hat, etwas sehr theatralisches, filmisches […]. Da ist auch eine Ennio Morricone-artige Western-Gitarre mit drin, die alles niedermetzelt, was sich in der Gegend befindet (lacht). Das ist für mich ein Highlight! Auch der Song That’s How I Roll ist für mich ein Highlight, weil es ein ehrlicher, tiefgründiger und auch persönlicher Song ist. […] Ich habe mir die Platte auch bewusst ein paar Wochen nicht angehört, einfach um wieder frische Ohren zu haben. Dann konnte ich erst sagen, was meine Highlights sind. Da ist mir aufgefallen, dass wir das bei That’s How I Roll wirklich einfangen konnte – das wird auch unsere zweite Single werden.
Jan: Das stimmt. Es gibt ja immer Songs, über die man während des Produktionsprozesses viel diskutiert. Wir waren ja ganz lange im Studio und haben da zum Beispiels bei Camera sehr viel diskutiert, debattiert und ausprobiert… […] Außerdem: Wir haben sechs oder sieben Wochen zusammen im Studio verbracht, mehr oder weniger 24 Stunden am Tag. Wir haben uns nicht zerstritten, wir haben überhaupt nicht gestritten, es gibt die Band immer noch, und alle sind glücklich!
Milo: Wir sind daher auch total zusammen gerückt. Einfach weil wir zusammen etwas erschaffen haben. Und heute ist der Tag da, an dem es heraus kommt. Jan und ich haben da gerade vorhin und auch gestern Abend ganz ausführlich drüber geredet, dass das ja so ein magischer Weltstillstehmoment ist. Weil es gar nicht darum geht, ob das jetzt der Anfang von etwas Großem ist, ob es jetzt abgeht oder nicht… Wir sind eher alle total zufrieden im Hier und Jetzt […]. Das ist eine positive Sprachlosigkeit. Wir sind jetzt auch unglaublich müde, aber es ist ein sehr schönes, ein seliges Müdesein. Es ist geschafft, die Hände sind frei […].
Ihr habt ja eben schon eure Studio-Phase angesprochen. Das war jetzt ja auch nicht in irgendeinem Studio, sondern im Studio Nord in Bremen. Wie fühlt es sich denn an in solchen heiligen Hallen arbeiten zu können?
Milo: Das war magisch. Was ich sehr toll fand, ist, dass dieser Ort so wahnsinnig alt ist. […] Wer das mal sehen möchte, kann sich auch einfach unser Video anschauen, zu Camera. Das haben wir da in dem Studio gedreht. Was ich auch sehr toll finde, neben diesem gigantischen, krassen Studioraum, und diesem knarrenden alten Holz, und diesem Bauernholz und diesem Flair: Oben ist eine Bandwohnung die auch sehr speziell ist. Leute, die wie wir die Serie Twin Peaks kennen und lieben, fühlen sich wenn sie dort oben sind genau so, als wären sie gerade in Twin Peaks. Alles sieht alt aus, alles sieht so aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Das hat auch einfach etwas, das ein wenig spooky ist, irgendwas ist da unheimlich. Aber auf eine gute, kreative Art. Es ist genug Düsternis da, die man für so eine Platte wie unsere auch braucht. […] Darauf bin ich auch sehr stolz: Jedes einzelne Instrument das auf der Platte zu hören ist, ist alt. Selbst die Sachen die modern klingen, sind alt. Das ist ein Clavinet, ein Guitaret… Alles Instrumente, die aus den 50ern oder aus der 60er-Jahren kommen. Das Mischpult, die Mikrofone, die Bandmaschine – alles ist alt! Und trotzdem klingt diese Platte auch modern. Das haben wir auch sehr unserem Produzenten zu verdanken.
International wirkt auch und vor allem euer Video zu Camera. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, hätte ich schwören können, dass es nicht von einer deutschen Band kommt…
Milo: Dabei hat das ja auch ein Deutscher gemacht (Anm. d. Red.: Regie führte Alex Rank). Es ist von einer deutschen Band und es hat auch ein deutsches Filmteam gemacht. Wit haben alle zusammen an dem Konzept gearbeitet, aber haben da auch viel vertraut. Und wir wussten einfach, dass das was wird.
Was war denn nun die Idee dahinter?
Milo: Naja, wenn man bei einer Plattenfirma ist, dann spricht man da natürlich viel ab. Wir haben das große Glück, dass wir eine Plattenfirma haben, die sehr nah an uns ist und uns auch mal machen lässt. Die vertrauen uns genauso wie wir den Video-Leuten vertraut haben. […] Das einzige was die Plattenfirma sich gewünscht hat, war ein Performance-Video, also ein Video, in dem man sieht, wie wir den Song live spielen. Das war alles, an was wir uns zu halten hatten. Wir haben uns da viele Gedanken gemacht und uns viele Soul-Videos angeguckt. Wir wollten dann einen Raum der kahl und kühl ist, aber auch „pastellig“ und dadurch wieder warm. Es ist keine verrauchte Bar geworden, was ja auch gepasst hätte. Wir haben eine skurrile Situation erschaffen. Wären da noch ein paar skurrile Kleinigkeiten passiert, hätte das in meinen Augen auch David Lynch machen können, womit wir wieder bei Twin Peaks wären, was ja auch wieder zu diesem Haus (Anm. d. Red.: das Studio Nord) passt. […] Wir wollten nicht einfach ein pompöses Glamour-Video haben, sondern etwas, das so ist, wie unsere Musik: Wenn man es sieht, dann versteht man es entweder oder nicht. Und wenn man es versteht, dann ist man auf einer Wellenlänge. Dann hat man verstanden, was wir tun.
Jan: Wir haben ja auch einfach mit dem Material gearbeitet, das gerade da war. Wir hatten ja die Location, das Studio Nord, und wir wollten das dann auch da machen. Und wir hatten all diese Darsteller, die sich dazu bereit erklärt haben, mitzumachen. Dann nimmt man diese Elemente, dazu kommen dann noch wir, die einfach so sind, wie wir sind, und dann setzt man das zusammen.
Milo: […] Und die Story ist ja auch total simpel: Eine Band spielt, die Leute im Publikum wissen nicht, was sie davon halten sollen und am Schluss tanzen alle. Das ist ja eigentlich nichts neues, aber darum geht es ja auch nicht. Denn wenn man etwas simples macht und das dann gut macht, dann ist das absolut in Ordnung. Wir machen ja auch keine Musik die es noch nie gab.
Zum Abschluss noch eine experimentelle Frage: Wenn Rhonda zu einem Mensch verschmelzen würde, wie wäre sie so drauf?
Milo: Ich würde sagen: stolz, verstört, stark…
Jan: Ein bisschen chaotisch…
Milo: und verplant, das kann man ja zusammenzählen…
Jan: Sehr liebevoll…
Milo: Liebevoll! Liebe, Liebe, Liebe!
Jan: Und sehr leidenschaftlich.
Milo: Amen!
(Interview: Carsten Brück, Foto: Promotion Werft)
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